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Peter Manstein
Klein-Klein hilft nicht weiter
Öko-Bilanz der Ära
Rot-Grün
Vieles wurde auf den Weg gebracht, aber manches blieb auch
liegen. Dies ist in etwa das umweltpolitische Fazit des neuen
Jahrbuchs über die erste Ära Rot-Grün im Bund: So
ist für Martin Jänicke, Mitglied im
Umweltsachverständigenrat, das prinzipiell übergreifende
Anliegen der Umweltschonung mittlerweile in anderen, ehemals eher
"feindlichen" Ressorts wie Energie- und Agrarpolitik verankert.
Wenig sei bisher aber passiert in Sachen Ökologisierung der
Wirtschafts-, Verkehrs- und Finanzpolitik.
Letztere subventioniere noch immer fossile Energien wie
Flugbenzin und Kohle sowie den Flächenverbrauch
(Eigenheimzulage für Neubauten), der trotz sinkender
Einwohnerzahl immer noch zunimmt. "Zum Jagen getragen" wurde
dagegen die Wirtschaftspolitik: Erneuerbare Energien erreichten
2004 bereits einen Umsatz von 11,5 Milliarden Euro - soviel wie die
Pharmaindustrie, und sie haben allein schon deshalb erhebliche
wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung.
In Zeiten, in denen von interessierten Wirtschaftskreisen gerne
das Argument gebraucht wird, die hiesigen Umweltauflagen seien zu
hoch, verhinderten und vernichteten gar Arbeitsplätze, bietet
das Jahrbuch deutliche Gegenargumente: Umweltschutz muss viel
selbstbewusster auftreten, um - dabei nicht anders als
Bildungsausgaben - auf seinem Investitionscharakter zu bestehen,
denn die Kosten der unterlassenen Umweltschonung sind nach aller
Erfahrung viel größer als die für die Umweltauflagen
und -abgaben.
Das heißt nicht, dass es nicht nötig wäre, das
Umweltvorschriftengestrüpp zu lichten und manche
umweltpolitische Maßnahme nachvollziehbarer zu vermitteln, so
der Präsident des Bundesumweltamtes, Andreas Troge, in seinem
Beitrag.
Umweltschutz in den Betrieben kann ein "Innovationskatalysator
erster Güte" sein, also weit mehr als Schadensvermeidung: Mit
ihm einher geht normalerweise auch ein größeres Augenmerk
auf betriebliche Abläufe, finanzielle Transparenz und
Effizienz, so Uwe Scheidewind, Präsident der Uni
Oldenburg.
Ob der in dem Beitrag des Juristen Martin Winkler
zwischenbilanzierte Emissionshandel wirklich als "kopernikanische
Wende" der CO2-Minderung zu bezeichnen ist, kann man bezweifeln,
wenn man sich den damit verbundenen bürokratisch-juristischen
Aufwand und die geringen Minderungsziele - meist nur der kleinste
gemeinsame Nenner etwa der Kyoto-Vereinbarungen - anschaut. Es
führt bei allen Fortschritten im Kleinen ja kein Weg an der
traurigen Erkenntnis auch dieses, des 15. Jahrbuchs Ökologie
vorbei, dass sich die globalen Negativtrends der Umweltbelastungen
nicht geändert haben! Nur massive, radikale Änderungen
können wirkliche Lösungen bringen.
Was zunächst als Kuriosum im ökologischen Zusammenhang
erscheint, ein Loblied auf die Treue zur Spiegelreflexkamera,
entpuppt sich erst im Nachhinein als relevant: Hier wird einmal
demonstriert, wie befriedigend ein nachhaltiger Umgang mit
Gebrauchsdingen sein kann - im Unterschied zur vorherrschenden
"seelenlosen" und schnellebigen Wechsel- und
Wegwerfmentalität. Nicht stimmig erscheint dagegen die
Vermengung von Naturkatastrophen, die durch Erdbebeben verursacht
sind (Tsunami), mit solchen, die wohl stärker auch auf
menschlichen Einfluß zurückgehen (Hurrikans), wobei
natürlich in beiden Fällen die Vorsorge auch eine
ökologische Dimension hat, man denke nur an leichtsinnige
Hauskonstruktionen und küstennahe Bebauungen.
Wie immer kann in wenigen Rezensionszeilen nur die ganze
Themenfülle des Sammelbandes angedeutet werden: Weitere
Stichworte sind Gentechnik, institutionelle Verankerung der
Nachhaltigkeitsstrategie, Produktinnovationen, Kurzporträts
der Pioniere Thoreau, Lovelock, Chargaff, Kornevall (dem
ABB-Umweltmanager), sowie Selbstdarstellungen der
Umweltinstitutionen Adelphi Research, Foodwatch und dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen.
Günter Altner u.a. (Hrsg.)
Jahrbuch Ökologie 2006
Verlag C.H.Beck, München 2005; 288 S., 14,90
Euro
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