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Erik Spemann
Steht Stoiber jetzt im Regen?
Bayern: Zick-Zack-Kurs des
CSU-Vorsitzenden
Die von der politischen Konkurrenz oft beneidete
CSU - seit mehr als 40 Jahren ist sie in Bayern allein an der Macht
und einflussreich in der Bundespolitik - ist ins Stolpern geraten.
Sollte bei ihrem "Kleinen Parteitag" an diesem Montag
ursprünglich nur die Abstimmung über die Berliner
Koalitionsvereinbarungen im Mittelpunkt stehen, so geht es
inzwischen auch um die Zukunft der eigenen Partei und ihres stark
angeschlagenen Vorsitzenden Edmund Stoiber, der seit 1993
Ministerpräsident an der Isar ist.
Mit größter Spannung wird erwartet,
ob und wie der wegen seines Zick-Zack-Kurses zwischen München
und Berlin sowie wegen seines abgehobenen Regierungsstils in
Ungnade gefallene CSU-Vorsitzende die Veranstaltung übersteht.
Seine Entscheidung, den nach überlangem Zögern
angekündigten Wechsel in das Berliner Koalitionskabinett doch
wieder rückgängig zu machen und in Bayern zu bleiben -
wodurch sich ein Kräfte raubender Machtkampf um die Nachfolge
zwischen Innenminister Beckstein und Staatskanzlei-Minister Huber
hinterher als überflüssig erwies -, hatte in den eigenen
Reihen ein Beben höchster Stärke ausgelöst. Stoiber,
seit längerem wegen seiner außerordentlichen
Arbeitsüberlastung mit der Parteibasis kaum noch in Kontakt,
hatte diese Entwicklung offensichtlich
unterschätzt.
Anfang des Monats, unmittelbar nach seinem
Berlin-Rückzieher, hatte er seine Landtagsfraktion bei einer
Rom-Reise noch eindringlich um eine Chance für einen Neuanfang
in Bayern gebeten und beteuert, wie sehr er mit Leib und Seele im
Freistaat sei. In einem Brief an einige tausend
CSU-Repräsentanten appellierte er, "die sechs Jahrzehnte
andauernde Erfolgsgeschichte dieser großartigen Partei
zusammen fortzuschreiben". Doch die Eruptionen wurden täglich
stärker. Offen wurde angezweifelt, ob die CSU unter seiner
Führung noch Wahlen gewinnen könne. Und nach einer
Umfrage im Auftrag der Münchner Abendzeitung würde die
CSU derzeit bei einer Landtagswahl nur noch 49 Prozent der Stimmen
erreichen - ein Umstand, der in Partei und Landtagsfraktion
Katastrophenstimmung auslösen kann.
Der sonst eher zurückhaltend
formulierende CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann fasste den Unmut
bei einer Presserunde im Landtag in ungewohnter Deutlichkeit
zusammen. Der Ärger an der Parteibasis sei die Folge "mehr
oder weniger einsamer Entscheidungen, deren Hin und Her die
Menschen nicht mehr nachvollziehen können", sagte Herrmann.
Dabei listete er ein Sündenregister auf, in dem kurz zuvor der
frühere CSU-Vorsitzende, der freilich nicht unbedingt als
Stoiber-Anhänger geltende Theo Waigel, "schwers-te politische
Fehler" gesehen hatte.
Akzeptanzprobleme
Dazu gehörte die nach der Landtagswahl
2003 nur ungenügend diskutierte Umsetzung eines drastischen
Reformkurses mit dem im Eiltempo eingeführten G-8-Gymnasium
oder der großen Verwaltungsreform - ein "Hoppla-Hopp", das
laut Herrmann Akzeptanzprobleme verursacht habe. In der bei
wichtigen Entscheidungen oft ausgebremsten Fraktion richtet sich
der Unmut auch gegen Stoibers einflussreichen Regierungssprecher
Martin Neumeyer, der als engster Berater des
Ministerpräsidenten gilt und dessen Ablösung von nicht
wenigen verlangt wird.
Während Herrmann, der mit seinen 49
Jahren als möglicher künftiger bayerischer Regierungschef
gehandelt wird, von Stoiber einen dauerhaft anderen, kommunikativen
Regierungsstil verlangte, forderte beispielsweise der Miesbacher
CSU-Chef und Stadtrat Alfred Mittermaier gleich eine "frische
Kraft" an der Spitze des Freistaats.
Wie gewaltig sich die Situation in den
vergangenen Wochen für den bisher unumstritten führenden
Stoiber verändert hat, zeigen indirekt sogar positiv gedachte
Einschätzungen. Landtagspräsident Alois Glück meinte
in einem Interview, er halte es "schon für möglich", dass
Stoiber die CSU als Spitzenkandidat in den nächsten
Landtagswahlkampf führen werde. "Ich traue Edmund Stoiber zu,
dass er die Kraft hat, einen Neuanfang zu schaffen", sagte er
gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".
Zunächst überstand Stoiber - nach
einer vergleichsweise freundlichen Behandlung bei den
CSU-Bundestagsabgeordneten - erst einmal mit Ach und viel Krach ein
fünfstündiges Gewitter bei der CSU-Landtagsfraktion, die
ihm hinter verschlossenen Türen in mehr als 40 und
überwiegend harschen Wortmeldungen in noch nie erlebter Weise
die Leviten las. Nach seiner gut 20-minütigen
Rechtfertigungsrede meinten Abgeordnete, das sei kein
Befreiungsschlag gewesen, Stoiber solle sich erst einmal
entschuldigen. Auch müsse es bei ihm eine "echte
Bewusstseinsänderung" geben. Der frühere - von Stoiber im
Streit entlassene - Justizminister Alfred Sauter wird mit dem Satz
zitiert: "Du hast den Bayern ihren Stolz genommen und dem Freistaat
seinen Nimbus." Erst mühsam konnte Stoiber dazu bewegt werden,
wenigstens indirekt Fehler einzugestehen, hieß es.
Hinterher räumte er vor der Presse ein,
dass er auf Grund seiner enormen Terminbelastung nicht immer die
Gespräche mit der Fraktion "in der gewünschten
Intensität" geführt habe. Und er offenbarte, "dass ich
als Parteivorsitzender ja wie ein Hund darunter leide, dass jetzt
gegenwärtig das Ansehen der CSU ein Stück Schaden
genommen hat". Auch gelobte Stoiber Besserung. Herrmann sprach sich
für einen Neubeginn mit intensiver Kommunikation zwischen
Staatsregierung und Fraktion aus: "Wir wollen mit Edmund Stoiber
das Vertrauen und die Herzen der Menschen gewinnen - und wo wir es
verloren haben, wiedergewinnen. Deshalb müssen die Menschen
spüren, dass die Priorität eindeutig bei den Menschen in
Bayern liegt."
Zunächst aber muss der angeschlagene
Edmund Stoiber aber den Kleinen Parteitag der CSU für sich
gewinnen. Und nicht alle Delegierten dürften hinter Becksteins
Wetterprognose stehen: "Ich bin sicher, dass nach einem Gewitter
besonders schönes Wetter kommt."
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