Kirsten Burckschat
Mehr Aktualität und Redefreiheit
Niedersachsens Landtagsfraktionen einigen sich
auf Parlamentsreform
Lebhafter, spannender und aktueller sollen die Landtagsdebatten
in Zukunft sein, um dem Parlament wieder mehr Bedeutung und Ansehen
zu verschaffen." Das sei das Ziel der Parlamentsreform, auf die
sich die vier niedersächsischen Landtagsfraktionen geeinigt
haben, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer
der CDU-Fraktion Bernd Althusmann. Die Änderungen in der
Geschäftsordnung betreffen vor allem den Debattenstil im
Plenum.
So soll der Ältestenrat auf Vorschlag der Fraktionen die
Tagesordnung nach Aktualität, Themenschwerpunkten und
Sachzusammengehörigkeit sortieren statt nach Eingang und Lage
der Drucksachen. Im Vorfeld soll auch die Reihenfolge der "Kleinen
Anfragen" festgelegt werden. Die Fraktionen erhalten dabei
abwechselnd das Recht auf die erste Frage.
Außerdem können die Fraktionen ihre Redezeit in
Zukunft unterschiedlich gewichten und damit politische Akzente
setzen. Es bleibt jeder Fraktion überlassen, für welche
Tagesordnungspunkte sie zusätzliche Redezeit und für
welche sie wenig oder gar keine Redezeit beantragt. Die
Parlamentarischen Geschäftsführer müssen also fortan
penibel über die Redezeiten ihrer Abgeordneten wachen.
Aber: Zwischenfragen werden nicht auf die Redezeiten angerechnet
und können die Debatte deshalb wieder mehr beleben. Man habe
sogar über eine unbegrenzte Redezeit gesprochen, wie es in den
70er-Jahren üblich gewesen war, berichtet Althusmann. Diese
Möglichkeit wurde zugunsten der Selbstdisziplinierung des
Parlaments verworfen.
Spannende Auseinandersetzungen und glühende Debatten
erhoffen sich die Parlamentarier von der neuen Regelung der
Kurzintervention. Die Fraktionen bekommen nach jedem
Debattenbeitrag Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung von
höchstens drei Minuten, auf die noch einmal geantwortet werden
kann. Hier können Abgeordnete jetzt spontan ihre Meinung
kundtun, über Themen streiten und müssen ihre Kommentare
und Kritik nicht umständlich in der Fragestunde
platzieren.
Neu ist auch das Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse. Es
gibt ihnen die Möglichkeit, sich jederzeit mit Sachfragen zu
beschäftigen, auch wenn sie nicht vom Parlament in den
Ausschuss überwiesen worden sind. Außerdem soll die
dauernde Wiederholung von Themen und Standpunkten vermieden werden,
indem auf eine zweite Beratung verzichtet wird, wenn in der ersten
Beratung bereits alles gesagt worden ist.
Insgesamt zeigten sich die Fraktionen zufrieden mit dem Ergebnis
der Reform. Sie stärke die Möglichkeiten der kleinen und
der Oppositionsparteien, so deren Vertreter. SPD und Bündnis
90/Die Grünen betonten aber, dass der Kompromiss hinter den
Vorschlägen der Enquêtekommission zurückgeblieben
sei. Die Kommission hatte empfohlen, zweitägige
Plenarsitzungen im Drei-Wochen-Rhythmus abzuhalten und die
Ausschüsse öffentlich tagen zu lassen. In diesen Punkten
konnten sich die Oppositionsfraktionen nicht durchsetzen. Die
parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen,
Ursula Helmhold, empfahl einen Besuch im Bayerischen Landtag, wo
öffentliche Ausschusssitzungen längst zum Alltag
gehörten. CDU und FDP befürchten hingegen, dass die
öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse zu oft für
Fensterreden genutzt und schwierige Entscheidungsfindung deshalb in
andere Gremien vorverlagert würden. "Das Parlament ist ein
öffentlicher Ort", entgegnet Helmhold und kündigt an,
sich für das Gebot der Transparenz weiter einzusetzen. Ab
Januar 2006 wollen die Abgeordneten ihr neues Parlamentsmodell drei
Monate testen. Dann wird sich zeigen, ob die neue Debattenkultur
tatsächlich hilft, um die Außenwirkung und das Ansehen
des Parlaments zu verbessern.
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