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Sandra Schmid
Ausbildungsplatz als Hauptgewinn
Jugendmesse YOU lockt mit Stars
Einen Messebesucher stellt man sich eigentlich anders vor: Er
trägt Anzug oder zumindest gedeckte Kleidung, vielleicht eine
Aktentasche und ist meist über 40. Doch die Besucher, die am
letzten Oktoberwochenende in Berlin Richtung Messehallen
strömten, waren noch keine 20: 12- bis 18-jährige
Mädchen in knappen Hüfthosen, bauchfreien T-Shirts und
rosafarbenen Trainingsjacken, gleichaltrige Jungen in weiten Jeans,
Turnschuhen und Baseballkappen - in großen Gruppen zogen sie
aufgeregt lachend zum Funkturm: Wer nicht wusste, dass dort die
Jugendmesse YOU ihre Pforten geöffnet hatte, musste annehmen,
hier fände ein Popkonzert statt.
Atmosphärisch zumindest glich die YOU, die in diesem Herbst
schon zum siebten Mal in Berlin stattfand, eher einem
überdimensionalen Rummelplatz als einer Messe: Mehrere
Bühnen, auf denen Stars auftraten wie die Magdeburger
Teenie-Band "Tokio Hotel", Sarah Connor-Ehemann Marc Terenzi und
das Comedy-Duo Erkan & Stefan. Zudem eine Schneepiste zum
Snowboarden, Kletterparcours und Hallen-Fußball sowie eine
Unmenge von Ständen, an denen entweder Mode, Kosmetik, Spiele
oder aber Essbares, wie Burger, Süßigkeiten und
Soft-Getränke angeboten wurden. Ein schwedischer
Energie-Riese, der zurzeit mit einer Imagekampagne das Vertrauen
der Berliner gewinnen will, hatte sogar einen kompletten
Autoscooter aufbauen lassen.
Laute Animation der Moderatoren
Schon beim Betreten der ersten von insgesamt sechs Messehallen
erreichte der Lärmpegel unerwartete Höhen.
Ohrenbetäubende Musik mischte sich mit
Mikrophonverstärkten Animationsrufen der Moderatoren und mit
Geschrei und Applaus der Besucher: Fast an jedem Stand wurden
Produkte, oft aber auch Wettbewerbe und Gewinnspiele angeboten. Ob
es nun Frei-SMS, T-Shirts oder Schlüsselbänder wie bei
einem großen Mobilfunkunternehmen zu gewinnen gab - das
jugendliche Publikum nahm alles begeistert kreischend entgegen. Am
Stand der Deutschen Post staute es sich, schließlich konnten
hier umsonst Grüße per Postkarte verschickt werden. Viel
Aufmerksamkeit erregte am gegenüberliegenden Stand das
Geschicklichkeitsspiel "Sport Stacking". Bei diesem aus den USA
stammenden Spiel geht es darum, umgestülpte Becher
möglichst schnell zu stapeln und wieder abzubauen.
Am Promotionstand einer Pflegeproduktmarke blieben zwischen
künstlichen Palmen und auf extra aufgeschüttetem Sand vor
allem Mädchen stehen. Geduldig warteten sie darauf, der Reihe
nach fotografiert zu werden. Nicht etwa zur Erinnerung, sondern um
ein Wochenende auf Gran Canaria zu gewinnen. Das Gedränge war
so groß, dass die Fotografinnen immer wieder um Geduld baten -
und sanft daran erinnerten, dass die Bilder zusammen mit einem
ausgefüllten Formular abgegeben werden müssten. So eine
Messe wie die YOU ist für einen Kosmetikkonzern eben nicht nur
eine gute Gelegenheit, neue Produkte zu präsentieren, sondern
auch, ein neues Werbegesicht zu finden. Ähnlich sieht das auch
eine Berliner Model-Agentur. Auf der YOU kürten ihre
Mitarbeiter zusammen mit einer Jugendmode-Firma das "YOU Face 2006"
- und suchten ganz nebenbei auch ein paar junge Gesichter für
die "People-Kartei" der Agentur. Viele schaffen es an solchen Tagen
zwar nicht in diese Kartei: "Es sind nur etwa zehn Mädchen in
zwei Tagen", sagte Heike Faske, die als Media Director der
Model-Agentur das Geschehen am Stand koordinierte. Doch von dieser
Erfolgsquote wussten die mehreren hundert Mädchen, die in der
Schlange warteten, wenig. Die Aussicht, ein Fotomodell zu werden,
wirkte zu verheißungsvoll.
Überfüllte Halle bei "Tokio Hotel"
Die größte Aufregung allerdings erzeugte am
frühen Samstagnachmittag der nur etwa
fünfzehnminütige Auftritt von "Tokio Hotel". Doch nur wer
sich rechtzeitig in die Halle 23a durchdrängeln konnte,
erlebte die Teenie-Band dort auf der Bühne bei der
Präsentation ihres neuen Songs "Schrei".
Sicherheitskräfte hatten zuvor die überfüllte Halle
für weitere Besucher abgesperrt. "Ich habe sie verpasst",
klagte die 14-jährige Julia. Sie tröstete sich mit einem
Eis.
Alles, was Jugendliche bewegt, finden sie auf der YOU, so lobte
zumindest Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit
(SPD) die Jugendmesse in seinem Grußwort. Und da das neben
Musik und Mode, Sport und Handyklingeltönen auch die eigene
Zukunft sein sollte, präsentierten sich in der Halle 22,
unterstützt von der Berliner Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Sport, verschiedene Ausbildungsbetriebe,
darunter neben Banken, Versicherungen und der Technischen
Universität Berlin auch Bundespolizei und Bundeswehr. Welche
qualifizierten Berufe man bei der Truppe lernen kann, darüber
informierten große Schaubilder am Stand: etwa Elektronik- oder
EDV-Berufe. Doch allzu viele der jugendlichen Besucher schien das
nicht zu interessieren. Norbert Weitz, einer der Wehrdienstberater
am Stand, verwunderte das nicht. Problematischer fand er
allerdings, dass nur wenige Jugendlichen wüssten, dass man
für die meisten Berufe bei der Bundeswehr einen
Realschulabschluss und für manche sogar das Abitur
benötige. "Viele denken nämlich Folgendes: Selbst wenn
man gar nichts gelernt hat, kann man immer noch zur Bundeswehr
gehen", sagte Weitz kopfschüttelnd.
Der große Ansturm ist im Berufs- und Ausbildungsbereich der
Messe ausgeblieben. Nur wenige Jugendliche haben an den
Ständen einen Stop eingelegt. Zwischen Snowboard fahren und
Autogrammjagd fehlte vielen scheinbar die Lust. Vielleicht ist aber
die "Ausbildungsoffensive" einer Berliner Modefirma Erfolg
versprechend: Die verloste nämlich am Samstagabend unter den
Jugendlichen neben T-Shirts und Baseball-Kappen auch einen
Ausbildungsplatz als Hauptgewinn.
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