Bernard Bode
Auf der Zielgeraden
Parteiführungen von CDU, CSU und SPD
einigen sich auf Große Koalition / Von Günter
Pursch
CDU, CSU und SPD wollen im Bund in den
nächsten vier Jahren gemeinsam regieren. Nach knapp
achtwöchigen Verhandlungen einigten sich die
Parteiführungen am 11. November in Berlin darauf, die zweite
Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland einzugehen. Die erste Große Koalition - die
Regierung Kiesinger/Brandt - regierte von 1966 bis 1969. Die drei
beteiligten Parteien müssen dem ausgehandelten
Koalitionsvertrag am 14. November noch auf getrennten Parteitagen
zustimmen. "Das Parlament" wird darüber in der nächsten
Ausgabe ausführlich berichten.
Die CDU-Vorsitzende und designierte
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der künftige Vizekanzler
Franz Müntefering (SPD) bestätigten vor Journalisten in
Berlin, dass der Koalitionsvertrag zwischen den drei Parteien
steht. Der SPD-Politiker zeigte sich überzeugt, dass seine
Partei dem Kompromiss auf dem Parteitag zustimmen wird. Der
Abschluss der Verhandlungen sei eine "Freude", erklärte die
CDU-Vorsitzende. Der Vertrag werde Grundlage für weitere
erfolgreiche Reformen in Deutschland sein. Dies könne eine
"Koalition der neuen Möglichkeiten" werden. In manchen
Bereichen seien Positionen des jeweiligen Partners eins zu eins
übernommen worden. Der Vertrag biete auch die Möglichkeit
für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den
Ländern.
Vereinbart wurden nach Angaben des
designierten Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) unter
anderem ein 25 Milliarden Euro teures Investitionsprogramm, um
Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.
Für einen solchen Zukunftsfonds soll der Bund Vermögen -
wie zum Beispiel Immobilien - zur Verfügung stellen, damit der
Fonds selbst Einnahmen verwalten kann. Es sei auch nicht
ausgeschlossen, dass notfalls die Goldreserven dafür
angetastet werden müssen. Für die Verbesserung der
Verkehrsinfrastruktur soll jährlich eine Milliarde Euro
aufgewendet werden. Die vorgesehene Anhebung der Mehrwertsteuer um
drei auf 19 Prozentpunkte verteidigte SPD-Generalsekretär
Klaus Uwe Benneter. Diese sei richtig, weil es auch darum gehe, zu
sehen, wie man das 25-Miliarden-Programm zur Belebung der
Wirtschaft gegenfinanzieren kann. Trotz Bedenken hielt auch der
SPD-Finanzexperte Joachim Poß eine
Mehrwehrtsteuererhöhung für unvermeidbar. Eine Anhebung
von drei Punkten sei aber "etwas happig".
Die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IV
sollen nach dem Willen von Union und SPD deutlich abgesenkt werden.
Unter anderem ist vorgesehen, dass unverheirate, volljährige
Kinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die
Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden. Ausländer
aus der EU, die vorher nicht in Deutschland gearbeitet haben,
sollen keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld II besitzen. Auch
die Definition eheähnlicher Partnerschaften wird auf den
Prüfstand gestellt. Weiterhin soll Bürokratie abgebaut
werden. Eine Pkw-Maut ist nicht vorgesehen. Bei den Subventionen
einigte man sich unter anderem auf die Reduzierung der
Pendlerpauschale und die Streichung der Eigenheimzulage.
Ein Elterngeld in Höhe von maximal 1.800
Euro für ein Jahr an Mütter oder Väter ist von 2008
an vereinbart. Das Studenten-BAFöG in der bisherigen Form soll
bleiben. Es sind immer noch große Meinungsunterscheide
zwischen Union und SPD bei der Umgestaltung der gesetzlichen
Krankenversicherung vorhanden. Eine grundlegende Reform hierzu soll
bereits im kommenden Jahr erarbeitet werden. Damit wurde die
Entscheidung über eine Gesundheitsprämie nach den
Vorstellungen der Union oder über die Bürgerversicherung
- einer Forderung der SPD - zunächst aufgeschoben, aber nicht
aufgehoben.
Heftig umstritten war bis zuletzt die von der
SPD verlangte "Reichensteuer". Hier verständigte man sich
darauf, bei Jahreseinkommen ab 250.000 Euro bei Alleinstehenden und
500.000 Euro bei Verheirateten einen Steuerzuschlag in Höhe
von drei Prozentpunkten zu erheben. Personengesellschaften sind
davon ausgeschlossen. Für die von der Union geforderten
betrieblichen Bündnisse für Arbeit konnte eine Einigung
nicht erzielt werden. Am rot-grünen Atomausstieg bis 2021 wird
nicht gerüttelt, die bestehenden Verträge mit der
Wirschaft werden eingehalten.
Nach der Zustimmung durch die Parteitage ist
die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages für den 18.
November in Berlin vorgesehen. Die Kanzlerwahl soll am 22. November
stattfinden.
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