|
|
Claudia Heine
Keine Mehrheit für Lothar Bisky
Das Präsidium des Bundestages bleibt
vorerst unvollständig
So etwas gab es noch nie: Auch im vierten Wahlgang gelang es
einer Fraktion des Bundestages nicht, ihren Kandidaten für das
Amt eines Vizepräsidenten durchzubringen. Am 8. November
scheiterte der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, erneut an
der Mehrheit der Abgeordneten. Von 595 Abgeordneten stimmten 310
gegen ihn und nur 249 für ihn. Bereits während der
konstituierenden Sitzung des Bundestages am 18. Oktober 2005 konnte
sich Bisky in drei Wahlgängen nicht durchsetzen.
Laut Geschäftsordnung des Bundestages steht zwar jeder
Fraktion ein Vizepräsidentenamt zu. Daraus ergibt sich aber
nicht automatisch ein Anspruch für den jeweils nominierten
Kandidaten. Bisher galt es jedoch als eine Art ungeschriebenes
Gesetz, dass die von den Fraktionen Nominierten auch vom Plenum
bestätigt werden. Die Linkspartei wertete die erneute
Ablehnung Biskys deshalb als einen Akt der Ausgrenzung ihrer
Fraktion und kündigte an, vorerst keinen neuen Kandidaten
vorzuschlagen: "Jetzt bleibt es eben wie es ist", sagte der
sichtlich verärgerte Fraktionschef Gregor Gysi auf einer
Pressekonferenz am selben Tag. "Wir beantragen keinen fünften
Wahlgang, um Lothar Bisky nicht zu demütigen, aber wir lassen
uns auch nicht vorschreiben, wen wir zu nominieren haben."
Sichtlich getroffen und um Fassung bemüht reagierte der
gescheiterte Kandidat selbst: "Ich habe verstanden: Die Mehrheit
will nicht, dass ich Bundestagsvizepräsident werde. Das muss
ich als Demokrat akzeptieren."
Das Präsidium bleibt nun bis auf weiteres
unvollständig, ein Umstand, den Bundestagspräsident
Norbert Lammert (CDU) als "mehr als einen "Schönheitsfehler"
bezeichnete. Einen "unmittelbaren Schaden" für die Arbeit des
Parlaments könne er aber nicht erkennen, erklärte er nach
der Plenardebatte am 8. November. "Der Bundestag hat eine
souveräne Entscheidung getroffen, und es steht mir nicht zu,
das zu kommentieren."
Die Reaktionen aus den Fraktionen fielen unterschiedlich aus.
CDU-Generalsekretär Volker Kauder erklärte, ein
Parteivorsitzender sei im Präsidium grundsätzlich fehl am
Platz. FDP-Parteichef Guido Westerwelle verwies darauf, dass "man
die demokratischen Spielregeln einhalten müsse". Viele
Abgeordnete der Grünen und der SPD bekundeten dagegen ihre
Solidarität mit Bisky und kritisierten das
Abstimmungsverhalten. Das sei kein Ruhmesblatt, sagte Renate
Künast (Bündnis 90/Die Grünen). Und
Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) betonte, Biskys Biografie
biete zu "bösestem Misstrauen" keinen Anlass. Gleichzeitig
warnte er davor, diesen Vorgang als einen Ost-West-Konflikt zu
bewerten. Auch Bisky selber hatte sich dieser von Teilen seiner
Partei vertretenen Deutung nicht angeschlossen.
Zurück zur
Übersicht
|