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Norbert Kersting
Auf dem Weg zu einer verstärkten
Bürgerbeteiligung
Die politische Entwicklung der Kommunen seit den
90er-Jahren
Während in anderen föderal
strukturierten Ländern der Fokus eher auf dem kommunalen
Regieren liegt, hat die deutsche Kommunalpolitik historisch einen
Schwerpunkt auf den Bereich der Verwaltung, das heißt der
kommunalen Selbstverwaltung gelegt. Bereits der Begriff kommunale
Selbstverwaltung scheint dabei die Existenz unterschiedlicher
Interessen sowie den Interessenausgleich zu negieren und einen
Schwerpunkt auf die "sachliche" Verwaltung zu legen. Sind die
Kommunen nur das Anhängsel der Länder oder werden die
Städte und Gemeinden zunehmend zur eigenständigen
politischen Ebene mit eigenen Interessen- und
Akteurskonstellationen, institutionellen Strukturen und
Handlungsmustern?
Kommunalpolitik in der Bundesrepublik
Deutschland in den 50er-Jahren war vor allem durch eine Dominanz
der lokalen Vereine und kommunalen Honoratioren charakterisiert. In
den "Parlamenten" saßen die wichtigen Handwerker und
Händler aus der Kommune, die Selbständigen sowie die
Lehrer. Sie bildeten gemeinsam mit dem Ortspfarrer das kommunale
Machtzentrum. Kommunalpolitik wurde zu diesem Zeitpunkt als reine
Sachpolitik gesehen, in der Interessenkonflikte fremd sind. Die
kommunale Friedensformel lautete dabei nach den anstrengenden
Jahren des Wiederaufbaus: "Arbeitsplätze, Wohnraum und
autogerechte Stadt". Eine stärkere Beteiligung der Bürger
wurde oft nicht gewünscht, da man diese als egoistisch und
nicht gemeinwohlorientiert ansah und zudem als mangelnd kompetent
beschrieb.
In den 60er- und 70er-Jahren drängten
die Parteien stärker in die Kommunalpolitik. Auf der anderen
Seite zeigte sich eine starke exekutive Führerschaft, das
heißt die Dominanz der vorentscheidenden Verwaltung
gegenüber dem durch die Parteien dominierten Gemeinderat.
Deutlich wurde zudem ein eher technokratischer Entscheidungsstil.
Auch wenn die Gemeinderäte die wichtigen Entscheidungen
treffen sollten, waren diese im Wesentlichen bereits in der
Verwaltungsspitze, das heißt etwa durch den Bürgermeister
oder den Magistrat vorentschieden. Insofern versuchten die Parteien
durch Ämterpatronage und einen starken Einfluss durch die
Fraktionsvorsitzenden häufig bereits relativ früh in die
Verwaltungen einzuwirken, auch um relativ früh Informationen
über die Planung zu gewinnen.
Mit den 70er-Jahren und dem Motto "Mehr
Demokratie wagen" gewannen die Bürgergesellschaft und
insbesondere die Bürgerinitiativbewegungen an Gewicht. Sie
etablierten sich relativ schnell, und bald waren
grün-alternative Bürgergruppen in den städtischen
Parlamenten zu finden. Die alten zentralen Ziele, wie zum Beispiel
die Wohnraumbeschaffung, verloren an Bedeutung, die "autogerechte
Stadt" geriet vehement in die Kritik und auch beim Konzept der
Schaffung von Arbeitsplätzen zeigten sich etwa mit der
Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft unterschiedliche
Strategien. Das Aufbrechen der Partizipationskanäle seit den
Siebzigern bewirkte zudem, dass neben den neuen ökologischen
Interessen auch andere Partikularinteressen (beispielsweise
ökonomische, architektonische, verkehrliche) stärker
artikuliert wurden und organisiert vorgetragen wurden.
Bis heute ist in den kommunalen Verwaltungen
eine Parteienphobie eklatant. Insbesondere in Württemberg
zeigt sich, dass eine starke Distanz zu den kommunalen Parteien bei
der Wahl förderlich sein kann. Auch in den anderen
Bundesländern betonen die Verwaltungsspitzen einheitlich, ihre
parteipolitischen Interessen beim Gang in das Rathaus hinter sich
zu lassen, um dann gemeinwohlorientiert zu entscheiden. Nichts
scheint nach diesem Konzept schädlicher, als dominierende
konkurrenzlose Parteien auf der kommunalen Ebene, die lokale
Minderheiten in die außerparlamentarische Arbeit oder die
Resignation drängen.
Diese Unzufriedenheit mit den Parteien
rührt aus einen Politikverständnis, das von einer reinen
Sachpolitik auf kommunaler Ebene ausgeht und Interessenkonflikte,
die in Parteien gebündelt werden und sich letztlich in der
Parteienkonkurrenz deutlich machen, negiert. Dabei basiert diese
Parteienphobie auf ihrer mangelnden Offenheit bei der
Kandidatenrekrutierung beziehungsweise einer Elitenblockade, also
der Abwehr neuer Gruppen innerhalb der Parteien und auf der zum
Teil anzutreffenden Dominanz übergeordneter Vorgaben der
Bundespartei, die gegen den lokalen Willen der "Ortsverbände"
umgesetzt werden müssen.
Die wichtigsten Gründe für eine in
den 70er-Jahren wachsende Unzufriedenheit innerhalb der
Kommunalpolitik und die Hauptursache für die Entwicklung der
Bürgerinitiativbewegung waren andere. Sie entstand aufgrund
einer Kritik an der Abwurfplanung der kommunalen Verwaltungen, die
wesentliche Interessen nicht rechtzeitig miteinbezogen hat. Hieraus
entwickelte sich eine starke Forderung nach mehr Partizipation und
Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen an der
Entscheidungsfindung. Das oft negative Image der Politiker und der
Parteien beruht eher auf den Defekten auf der nationalen Ebene und
weniger auf den Defiziten der ehrenamtlich tätigen
Lokalpolitiker. Dennoch zeigen sich auch hier Verfilzungstendenzen
und Parteibuchwirtschaft, die aber oft doch nur ein Resultat der
Dominanz und mangelnden Transparenz der Verwaltung ist. Kritisiert
werden die Parteien auch für oft unnötige Diskussion von
konfliktfreien Themen, die aufgrund des Dualismus von Opposition
und Regierung unnötig politisiert werden, ohne dass von der
Sache her derartige Konflikte nötig wären.
Deutschland ist durch eine Vielfalt der
Städteordnungen geprägt, die eine lange Tradition
besitzen. Unterschiede resultieren nicht nur aufgrund
föderaler länderspezifischer Faktoren und hieraus
resultierender politischer Kulturen. Wichtig sind auch besondere
Charakteristika von großen Metropolen und Städten
einerseits und kleinen Landgemeinden andererseits, die
unterschiedliche Anforderungen an die lokale Demokratie
stellen.
Mit dem Siegeszug der Süddeutschen
Verfassungen, der Direktwahl der Bürgermeister, der
Abschaffung der Doppelspitze (Bürgermeister-Stadtdirektor) in
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie den neuen
Gemeindeordnungen in den neuen Bundesländern kommt es seit den
90er-Jahren zu einer weitgehenden Vereinheitlichung. Die nun
dominierende duale Rat-Bürgermeisterverfassung, die sich an
Baden-Württemberg und Bayern orientiert, unterscheidet sich
vor allem in der unterschiedlichen Rolle der Bürgermeister.
Zum einen ist der ohnehin gestärkte Bürgermeister auch
Vorsitzender im Rat (Baden-Württemberg, Bayern,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,
Thüringen). Zum anderen wird der Rat durch ein gewähltes
Ratsmitglied geleitet (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig Holstein). Nur noch in
Hessen, das kollegiale Strukturen formal beibehält, zeigen
sich markante Unterschiede.
Auch auf der kommunalen Ebene werden
Unterschiede zwischen Gemeindeverfassungen und politischer
Gemeindewirklichkeit sichtbar. So werden die Kommunalverfassungen
durch die gesellschaftlichen Strukturen und Entwicklungen
mitbestimmt. Über Satzungen und "Feinzisellierungen der
Gemeindeordnung" schirmen sich die Verwaltungen gegenüber zu
starken Eingriffen von Seiten der Räte ab. Die kommunalen
"Scheinparlamente" bleiben aber aufgrund der Verwaltungsdominanz
und der lange Zeit "de facto", aber nun auch "de jure"
dominierenden Verwaltungsspitze ohnmächtig und zudem oft nicht
zuständig. Dennoch werden in die zum Teil neu entstehenden
Beteiligungsgremien (Planungsbeiräte, Foren, etc.) auch neue
Gruppen und zum Teil bislang blockierte Interessen miteinbezogen.
Die neue lokale Demokratie ist stärker durch ein Aushandeln
zwischen der Verwaltung, den Parteien und alten wie neuen
zivilgesellschaftlichen Interessensorganisationen, die in den neuen
Foren und Beiräten an der Entscheidungfindung beteiligt
werden, gekennzeichnet. In der neuen "Bürgerkommune" engagiert
sich der Bürger direkt und nimmt zudem an der
Entscheidungsfindung teil.
Zukünftig
handlungsfähig?
Dabei wird der Handlungsspielraum der
Kommunen aufgrund einer teilweise dramatisch schlechten Finanzlage
immer kleiner. Nach der Wirtschaftskrise in den 90er-Jahren ist der
Saldo der Einnahmen und Ausgaben in den deutschen Kommunen seit
2001 erneut negativ. Insbesondere die kommunalen
Spitzenverbände sehen eine strukturelle Unterfinanzierung der
Kommunen. Etwa die Hälfte der Kommunen hat keinen
ausgeglichenen Haushalt. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen haben
zahlreiche Kommunen sogar keinen genehmigten Haushalt, da
Haushaltssicherungskonzepte nicht mehr greifen, was letztendlich
eine verfassungswidrige Situation darstellt. Die Konsolidierung der
Gemeindefinanzen ist der zentrale Aspekt der Zukunftsfähigkeit
und nachhaltigen Handlungsfähigkeit der Kommunen.
Die Strategie, eine Haushaltskonsolidierung
über Veräußerungsgewinne zu erreichen, ist
weitgehend ausgeschöpft. Gebührenerhöhungen sind oft
kaum mehr möglich, da vielfach Kostendeckungsrade erreicht
sind. Viele städtische Dienstleistungen sind an
Eigengesellschaften (Stadtwerke) übertragen worden und nur
noch begrenzt lokalpolitisch steuerbar. Da selbst hier aus
EU-Wettbewerbserwägungen die lange Zeit bestehende
Quersubventionierung kostenintensiver Dienstleitungen, wie zum
Beispiel der Öffentliche Nahverkehr, erschwert wird, stehen
viele kommunale Aufgaben in der Kritik. Der vermeintliche Ausweg,
über eine Verschuldung kurzfristig die Mindereinnahmen zu
überbrücken, hat zur Überschuldung vieler Kommunen
geführt, die sich nun oft kaum mehr aus der Verschuldungfalle
befreien können.
Im Machtspiel um die Steuereinnahmen zwischen
Bund und Land drängen die Kommunen auf eine strikte
Konnexität, die den Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene
verpflichtet, für eine angemessene finanzielle Ausstattung zur
Umsetzung neuer Gesetze zu sorgen. Zum anderen wollen sie
konjunkturunabhängige, auf breiter Basis stehende
("Gewerbesteuer auch für Selbständige") eigene
Steuereinnahmen. Diese Forderungen werden von den
Unternehmerverbänden in Zeiten schwacher Konjunktur als
substanzverzehrend und somit potenziell konkursfördernd
zurückgewiesen.
Dabei steht die Finanzkrise im Gegensatz zur
wachsenden Erwartungshaltung der Bevölkerung. Geforderte und
geplante kommunale Großprojekte scheitern oft an mangelnden
Mitteln. Erst mit der Verbesserung der kommunalen Mittel werden
neue Projekte in Angriff genommen, die die Planungskultur in vielen
Kommunen auf die Probe stellen.
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