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Klaus Walter
Stavenhagen in Mecklenburg bietet heute mehr Jobs
als vor 1990
Ortsbesuch
Mecklenburg-Vorpommern hat viele Probleme: Abwanderung,
Geburtenrückgang, Insolvenzen. Vor allem aber macht die
Arbeitslosigkeit dem 1,7-Millionen-Einwohnerland zu schaffen. Der
Landkreis Demmin im östlichen Mecklenburg, direkt an der
Grenze zu Vorpommern gelegen, tut sich besonders schwer. Die
Arbeitslosenquote von dauerhaft über 28 Prozent ist die
zweithöchste im Bundesland.
Die kleine Stadt Stavenhagen mit ihren 7.000 Einwohnern ragt wie
eine Insel der Glückseligen aus dem Meer der Trostlosigkeit
heraus. Sie hat heute mehr Arbeitsplätze als vor der
politischen Wende im Osten, als Vollbeschäftigung - womit auch
immer - noch Staatsdoktrin war. Die Arbeitslosenquote liegt unter
zehn Prozent und gehört damit zu den niedrigsten in
Ostdeutschland. Zugleich sind die Unternehmen der Stadt
Brötchengeber für die ganze Region. Auch der Haushalt der
Stadt ist ausgeglichen. Konsequent arbeitet die Stadt an der
Entschuldung. Vor zwei Jahren stand die kommunale Schuldenuhr noch
auf 5,2 Millionen Euro. Heute sind es noch 900.000 Euro, Ende 2005
will Stavenhagen schuldenfrei sein.
Roter Teppich für Investoren
Ein Wunder? Bürgermeister Bernd Mahnke (CDU) lacht. "Wir
haben uns im Wendejahr nicht lange mit der Vergangenheit
aufgehalten", sagt der 51-Jährige, nach dem "Erfolgsrezept"
der kleinen Kommune befragt. Wer sich nichts zu schulden kommen
lassen habe, hätte seine Arbeit im Rathaus behalten. Mahnke:
"Wir haben nach vorn geschaut, unsere Chancen gesucht. Und sie
ergriffen." Als in anderen ostdeutschen Kommunen noch
Bürgerrechtler, Mitglieder alter und neuer Parteien,
Gewerkschafter und Vertreter aller denkbaren Verbände und
Vereine endlose Debatten an Runden Tischen führten, hat man in
Stavenhagen Nägel mit Köpfen gemacht. Geschickt nutzten
die 19 Stadtvertreter (derzeit: elf CDU, sieben PDS, einer
Bürgerinitiative) selbst die eine oder andere
Gesetzeslücke, die auf dem Weg zum vereinten Deutschland
entstanden war, um Grundstücke aus dem einstigen Volkseigentum
in kommunales Eigentum zu überführen, Baurecht zu
schaffen und ein 110 Hektar großes Industriegebiet zu
errichten.
Der Lebensmittel-Discounter Netto war 1990/91 einer der ersten
Neuansiedler und brachte im Schlepptau gleich das
Logistikunternehmen K.P.-Transport mit. Heute bieten allein diese
beide Unternehmen 600 Arbeitsplätze. Der Kartoffel-Veredler
Pfanni entschied sich 1991 für Stavenhagen und sein agrarisch
geprägtes Umland. Die Fleisch- und Wurstwarenfabrik
Pommernland, Mordhorst-Logistik und eine Großbäckerei mit
70 Beschäftigten folgten. Die schon zu DDR-Zeiten existierende
Molkerei Immergut schaffte den Sprung in die Marktwirtschaft und
behauptete sich mit alten und neuen Produkten. Die letzte
große Neuansiedlung folgte 2002: Das Transportunternehmen
Dachser entschied sich für die unkomplizierte
Ansiedlungspolitik der Stadt. Bernd Mahnke kommentiert den Zulauf
so: "Wir reden nicht über den roten Teppich für
Investoren. Wir rollen ihn aus, und sind Dienstleister für
jeden, der sich ansiedeln will."
Abzug der Bundeswehr
Dabei hatte es Stavenhagen nicht leicht. Seit 1973
Garnisonsstadt, heißt es seit drei Jahren
Standortschließung auf Raten. 4.600 Soldaten waren einst auf
dem zu Stavenhagen gehörenden Standort Basepohl stationiert.
Als Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) die
Schließung der Kaserne verkündete, gab es hier noch 1.600
Dienstposten. Mit den Soldaten verschwinden Aufträge für
das Handwerk im Wert von zehn Millionen Euro pro Jahr. Handel und
Dienstleistungen müssen einen Kaufkraftverlust von 20
Millionen Euro jährlich wegstecken. Über 200
Arbeitsplätze für Zivilbeschäftigte und Lehrlinge
fallen fort.
Doch auch als der Schließungsbefehl für Basepohl kam,
habe man sich damit "nicht lange aufgehalten", erzählt Mahnke.
Wieder habe man "lieber nach vorne geschaut" und über die
"zivile Nachnutzung" nachgedacht. Seitdem verfolgen Mahnke und
seine Abgeordneten nur ein Ziel: "Spätestens, wenn die
Bundeswehr das Kasernentor abschließt, müssen Investoren
da sein." Ein Konversionsmanager wurde berufen, eine
Machbarkeitsstudie erarbeitet, ein Bebauungsplan für das 480
Hektar große Kasernengelände erstellt, Fördermittel
beantragt. Eine Teilfläche der Kaserne hat der Bund vorzeitig
freigegeben - nach zähen Verhandlungen. Gerade wird die
Zugangsstraße für das Areal geplant. Zugleich sei man mit
potenziellen Investoren im Gespräch. Der Grund für die
Eile: "Nur, wenn die Gebäude sofort weiter genutzt werden,
gibt es eine Chance, sie zu vermarkten", glaubt der
Bürgermeister. Stünden sie erst leer, fürchtet er,
beginne der Verfall.
Was einleuchtend klingt, ist in Berlin noch nicht allen klar.
Der Bund lasse sich Zeit, wenn es um die Bewertung einzelner
Objekte gehe, klagt Mahnke. Gebe es endlich Entscheidungen,
verlange das Finanzministerium oft aberwitzige Preise. So sollte
eine alte Werkstatthalle 2,4 Millionen Euro kosten. Nach zähem
Ringen sei man jetzt bei einem Preis von 700.000 Euro - immer noch
teurer als ein Neubau. Trotz aller Widrigkeiten: Der
Bürgermeister ist mit 37 Investoren im Gespräch. "Zehn
bis 15 meinen es wirklich sehr ernst", sagt Mahnke. Wenn alles
klappt, kommt im Januar mit der ersten Ansiedlung der
Durchbruch.
Der Autor ist Parlamentskorrespondent der "Ostsee-Zeitung" in
Schwerin.
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