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Andreas Elter
Auch der Staat nimmt einen großen
Schluck
Das Geschäft mit der (legalen)
Sucht
Die politische Diskussion um den Gebrauch der
legalen Suchtstoffe Tabak und Alkohol verschärft sich
zunehmend. Gesundheitspolitiker in Bund und Ländern fordern
weitreichende, einschränkende Maßnahmen - vor allem beim
Jugendschutz oder bei der Werbung. Auch die Europäische Union
ist dabei eine treibende Kraft: So startete
Verbraucherschutzminister David Byrne im Oktober 2004 eine 72
Millionen Euro teure Medienkampagne gegen das Rauchen. Die
Beschriftungen auf den Zigarettenschachteln sind deutlich
drastischer geworden. Die EU-weiten Subventionen für
Tabakbauern werden bis 2010 nach und nach auslaufen. Dem
gesundheitspolitischen Aspekt steht allerdings der wirtschaftliche
gegenüber. Mit Tabak und Alkohol werden Millionen
verdient.
Der Verband der deutschen Bierbrauer sieht
sich keineswegs als legaler Dealer. Er meint vielmehr: "Nicht der
Konsum von Alkohol ist das Problem, sondern der Missbrauch. Die
weit überwiegende Mehrheit der Alkoholkonsumenten treibt
keinen Missbrauch, sondern geht verantwortungsbewusst mit
alkoholischen Getränken um." Ebenso sieht das der
Zentralverband der Deutschen Spirituosenindustrie (BSI). Und
weiter: "Maßnahmen, die an der Verfügbarkeit
alkoholischer Getränke ansetzen, gehen am Ziel der
Missbrauchsbekämpfung vorbei."
Das gilt offensichtlich vor allem für
Jugendliche. Die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) veröffentlichte in der vergangenen
Woche eine Studie über den Umgang von Jugendlichen mit den so
genannten Alkopops. Diese alkoholhaltigen Mischgetränke
bestehen entweder aus Schnäpsen und Limonaden oder aus Bier
und Limonaden. Das Ergebnis der Studie zeigt deutlich: Während
das regelmäßige, reine Bier- und Spirituosentrinken seit
25 Jahren bei Jugendlichen zwar tendenziell eher abnimmt, hat sich
der Anteil Jugendlicher, die alkoholische Mixgetränke
konsumieren, zwischen 2001 und 2004 von 8 auf 16 Prozent
verdoppelt. Ursache hierfür ist unter anderem die intensive
Vermarktung der Alkopops. Sie gehören zu den beliebtesten
alkoholischen Getränken Jugendlicher. Den Verband der
Bierbrauer wundert das nicht: "Gerade auf Jugendliche wirken
Verbote nicht abschreckend, sondern eher noch anziehend." Und der
BSI verweißt auf den generellen Rückgang des
Spirituosenkonsums bei Jugendlichen, ohne auf die Alkopops auf
seiner Internetseite näher einzugehen. Er sieht die Studie der
BZgA sogar als Beleg dafür, dass die Aufklärung über
die Gefahren des Alkohols bei den Jugendlichen gefruchtet habe. Es
kommt eben immer ganz auf die Sichtweise an. Schließlich
verdienen die Spirituosenhersteller sehr gut an den
Alkopops.
Wie gut genau, ist schwer zu ermitteln. Auf
Nachfrage gab es beim BSI keine konkreten Angaben dazu. Stattdessen
verweist der Verband auf die Umsatzrück-gänge nach
Einführung der Alkopopsteuer. Überhaupt machten die
Alkopops am Gesamtmarkt der alkoholischen Getränke nur einen
geringen Anteil aus. 2003 seien es 0,8 Prozent und 2004
ungefähr 0,5 Prozent gewesen, so der BSI.
Dennoch sind die Alkopops zwar ein kleiner,
aber dennoch ein feiner Markt: Denn er bringt den Herstellern
enorme Zuwachsraten. Nach Berichten der Forschungsgruppe AC-Nielsen
sind bereits 2002 für den Absatz von Alkopops die
größten Umsatzsteigerungen aller Getränke und
Lebensmitteln überhaupt verzeichnet worden. 2003 habe der Boom
angedauert, mehr als 200 Millionen Flaschen Alkopops seien in den
Handel gegangen. Dabei wurde die Absatzsteigerung zunächst in
der Gastronomie und in der zweiten Jahreshälfte durch den
Vertrieb im Lebensmittelhandel erzielt. Es scheint also so, als ob
vor allem die Spirituosenproduzenten mit den Alkopops
Umsatzrückgänge im allgemeinen Geschäft aufgefangen
haben. Die Caritas schätzt, dass seit der Einführung der
Mixgetränke ihr Umsatz um 340 Prozent gestiegen ist, die
Bremer Bürgerschaft spricht von einer Verdreifachung der
Zahlen seit 2001. Die Spirituosenhersteller verweisen darauf, dass
sie natürlich auf den verantwortungsvollen Umgang der
Jugendlichen mit dem Alkohol setzen. Nicht nur die Studie der
Bundeszentrale zeigt aber, dass das nicht der Fall ist. Die meisten
Jugendlichen können mit den Mischgetränken, deren
Alkoholgehalt man nicht herausschmeckt, eben nicht umgehen.
Gesundheitspolitiker haben daher schon eine Einschränkung der
Werbung gefordert. Dadurch aber sieht der BSI sein vitales
ökonomisches Interesse bedroht. Er meint: "Die kommerzielle
Kommunikation spielt eine fundamentale und unverzichtbare Rolle in
einem freien, fairen und lauteren Wettbewerb."
Des Deutschen liebstes Kind beim
Alkoholkonsum bleibt aber nach wie vor das Bier. 2003 setzten die
deutschen Brauer 9.022 Millionen Euro um. 34.412 Menschen waren
direkt in der Bier-Industrie beschäftigt. Insgesamt gab es
2003 1.268 Braustätten, die die Bierhersteller selbst
betrieben. Die Restaurant-Gastronomie ist noch nicht eingerechnet.
Bier ist also ein Arbeitsmarktfaktor, nicht nur bei den Brauern,
sondern auch in zahlreichen Zulieferbetrieben. So investierten die
Brauer mehr als eine halbe Milliarde Euro in neue Maschinen; die
technische Ausstattung muss ständig von Experten gewartet
werden. Deutsche Glashütten fertigen Millionen von Flaschen,
Spediteure verladen und transportieren sie. Die Flaschen
müssen zudem vorher etikettiert werden, das freut die
Verpackungsindustrie. Für fast jedes deutsche Bier wird
irgendwo geworben: Agenturen, Zeitungen oder Fernsehsender
profitieren davon. Und nicht zuletzt müssen die Brauer ihre
Rohstoffe, zum Beispiel Hopfen und Malz, in der Landwirtschaft
einkaufen.
Auch der Staat nimmt sich seinen Schluck aus
den Flaschen: 2003 waren es 783 Millionen allein durch die
Biersteuer. Neben dieser, wenn man so will Branchen-spezifischen
Steuereinnahme kommen natürlich noch die Steuern hinzu, die
bei jedem anderen Geschäftsfeld auch anfallen würden: Die
Körperschafts- oder Einkommenssteuer für die
Brauerei-Betriebe beziehungsweise ihre Angestellten. Ebenso die
Getränkesteuer und die Mehrwertsteuer.
Lukrativer Weinanbau
Der Suchtstoff Alkohol befindet sich aber
nicht nur im Kölsch, Pils oder Alt. Auch der Genuss eines
Rieslings oder Spätburgunders kann zu Abhängigkeit oder
Suchtverhalten führen. Im Jahr 2003 setzten die deutschen
Winzergenossenschaften insgesamt 750 Millionen Euro um. Die Zahl
der Beschäftigen in diesem Bereich ist nur schwer zu
beziffern, da die saisonbedingt eingestellten Helfer in den
Statistiken nicht auftauchen. Der Fiskus nähert sich dem
Rebensaft allerdings nur auf Umwegen. Eine allgemeine Weinsteuer
gibt es nicht. Das mag vielleicht auch an den Erfahrungen von 1926
liegen, als Winzer in Bernkastel-Kues das Finanzamt stürmten
und damit die Reichsweinsteuer zu Fall brachten. Offiziell wird der
Verzicht auf eine Weinsteuer auch damit begründet, dass Winzer
angewandte Landschaftspflege betrieben und daher für die
Allgemeinheit besondere Dienste leisten würden, für die
sie nicht noch als Dank zusätzlich besteuert werden
sollten.
Allerdings sehen das offenbar in der
Europäischen Kommission nicht alle so. Im November vergangenen
Jahres berichtete das Magazin "Wein Plus": "In der EU gibt es
Überlegungen, eine Weinsteuer zu erheben. So eine Steuer
würde aber nach Ansicht der einheimischen Winzer einen
erheblichen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Nicht-EU-Erzeugern
bedeuten." In einigen Bundesländern leben ganze Regionen vom
Weinanbau. Die Einführung einer allgemeinen Weinsteuer
dürfte also auch einiges an unangenehmen politischen
Gerbstoffen beinhalten. Das heißt aber nicht, dass der Fiskus
gänzlich seine Finger vom Wein lässt. Vom Korn und
Likör übrigens auch nicht. Er konzentriert sich dabei
sowohl auf Hoch- als auch auf Niedrigprozentiges. So brachte die
Branntweinsteuer 2003 2204,4 Millionen Euro ein, bei der
Schaumweinsteuer waren es 432,3 Millionen.
Den Löwenanteil an den Verbrauchssteuern
macht aber immer noch die Tabaksteuer aus. Das Statistische
Bundesamt hat ermittelt, dass im Jahr 2003 14.093,9 Millionen Euro
in die Staatskasse flossen. Nach Angaben der Gewerkschaft
Nahrungsmittel, Genuss, Gaststätten (NGG) betrug der Umsatz
der Tabakindustrie (einschließlich der Tabaksteuer, aber ohne
Umsatzsteuer) im selben Zeitraum 22,1 Milliarden Euro. 11.677
Menschen seien in der Branche direkt angestellt, so die Wiesbadener
Statistiker. Der Verband der Cigarettenhersteller (VDC) gibt an,
dass insgesamt 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland am blauen
Dunst hingen. Im Gegensatz zur Alkoholindustrie behauptet der VDC
nicht, dass nur der Missbrauch seiner Produkte schädlich ist:
"Es gibt keine ungefährliche Zigarette." Angesichts von
Millionen von Schadensersatzklagen in den USA ist diese Einsicht
wohl nicht nur gesundheitspolitisch motiviert, sondern wohl auch
juristisch sehr weitsichtig. Der VDC setzt außerdem auf seine
aktive Rolle als Arbeitgeber. Nicht nur in Deutschland. In einer
Pressemitteilung propagiert er das Rauchen als praktizierte
Entwicklungshilfe: "Tabak wird weltweit in rund 90 Ländern der
Erde angebaut und schafft dort Arbeit und Einkommen für sehr
viele Kleinbauern und ihre Familien. Die meisten Länder sind
Entwicklungsländer."
Gleichzeitig betonen die Tabakhersteller,
dass sie sich ihrer sozialen Verantwortung stellen und verweisen
auf die zahlreichen Werbebeschränkungen, wie zum Beispiel das
Verbot der Tabakwerbung in Jugendzeitschriften oder in
Sportstätten. Ob diese Einschränkungen aber immer auch
tatsächlich freiwillig vollzogen wurden, oder ob die
Produzenten damit nicht eher härteren gesetzlichen Regeln
zuvorkommen wollten, sei dahin gestellt. Seit Dezember 2004 gilt
die neue Stufe der Tabaksteuererhöhung. Das verteuert die
einzelne Zigarette um durchschnittlich 1,2 Prozent. Der Verband der
Zigarettenindustrie läuft Sturm dagegen, da im September 2005
die Steuer noch einmal um denselben Betrag steigen wird. Er
befürchtet Umsatzeinbußen von 800 bis 900 Millionen Euro,
weil die Verkäufe deutlich zurückgingen beziehungsweise
weil mehr aus dem Ausland eingeschmuggelt werde. Selbst der
Finanzminister hat zwischenzeitlich schon mit einer Aussetzung der
dritten Stufe der Tabakerhöhung geliebäugelt, weil er
feststellen musste, dass die Verbraucher kurzfristig weniger
geraucht haben. Welch ein Dilemma?
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