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Ines Gollnick
Auftakt für die "Angie-Show"
Union will im Wahlkampf Richtungswechsel
einläuten
Mit der ersten Kanzlerkandidatin in der
Geschichte der Bundesrepublik setzt die Union am 18. September auf
Sieg. Nach sieben Jahren Rot-Grün fordern die Christdemokraten
einen politischen Richtungswechsel im Kanzleramt. In elf von 16
Bundesländern stellt die Union den Ministerpräsidenten,
fünf Länder werden von ihr allein regiert. Und auch im
Bundesrat verfügt das bürgerliche Lager über eine
Mehrheit. Doch allein auf gute Umfragewerte will sich die Partei
nicht verlassen und gibt sich kämpferisch.
Auch in der Politik gilt mittlerweile: "It's
showtime". Wenigstens was die Inszenierung von
Wahlkampfveranstaltungen angeht. Der 19. Parteitag der CDU
Deutschlands in der Dortmunder Westfalenhalle, gleichzeitig Auftakt
der heißen Wahlkampfphase und kein Parteitag im klassischen
Sinne, ist mit Show und Information wirkungsvoll in Szene gesetzt.
9.000 Gäste, darunter etwa 1.000 Delegierte sollen in die
richtige Wahlkampfstimmung versetzt werden. Die "Angie-Show"
für die Kandidatin, die alles andere als ein "Pop-Star" oder
besser "Polit-Star" ist und sein will, bildet den Rahmen für
ein Programm, in dem Angela Merkel den Machtwechsel in Deutschland
beschwört. Deutschland stehe wie 1949 vor einer entscheidenden
Weichenstellung. Damals sei es um den Aufbau des Landes gegangen.
Jetzt gehe es um die Erneuerung.
Nach Songs von "Mayqueen", die mit Musik von
Freddy Mercury und Queen für einen effektvollen Einstieg
sorgen, Artistik mit Künstlern aus dem Europapark Rust und
einer Lasershow, die allerdings irgendwie deplaziert und ohne
jegliche Dramaturgie zu sein scheint - dann steht in der
Parteitagsregie der Einzug der Politikprominenz auf dem Programm.
Angela Merkel vorneweg, Edmund Stoiber mit dem "Fuß auf dem
Gaspedal" dahinter, denn "Angie" bleibt stehen, schüttelt
Hände, begrüßt, gibt sich volksnah und charmant auf
dem Weg zur Bühne. Der alte und neue CDU-Generalsekretär
Volker Kauder - mit fast 98 Prozent der abgegebenen Stimmen
später in seinem Amt bestätigt - eröffnet den
Parteitag, der alle für die letzten drei Wochen mobilisieren
soll. Besonders begrüßt er Altkanzler Helmut Kohl, der
rauschenden Beifall bekommt. Kohl sitzt neben Angela Merkel, die er
einst in sein Kabinett geholt hatte. Kauder unterstreicht das
gemeinsame Ziel der beiden Schwesterparteien, Deutschland wieder
nach vorne zu bringen durch mehr Wachstum und mehr
Arbeitsplätze. Der Baden-Württemberger ist
kämpferisch, greift Schröder an, der keine Perspektive
mehr für dieses Land sei. Deutschland brauche den Wechsel.
Angela Merkel beschreibt er im Kontrast dazu als Mensch mit
Kompass, der Orientierung und Haltung habe. "Du führst die
Union zum Erfolg", ruft er ihr zu, so dass die Menschen wieder zu
neuen Lebenschancen kämen. Kauder nennt die CDU eine
motivierte, kampfbereite Truppe. Es gehe um etwas "Großes,
Entscheidendes" für Deutschland.
Das Wichtigste, so die Parteitagsregisseure,
muss natürlich für den Schluss aufgehoben werden, damit
es auch allen in prägender Erinnerung bleibt: die Rede der
Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Doch bis es
soweit ist, will die Dramaturgie einen Beweis
christlich-demokratischer und christlich-sozialer
Führungskompetenz präsentieren. Die Idee: Die zehn
CDU-Ministerpräsidenten sollen in ihren Statements eines klar
machen: wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser. Eine Idee,
die allerdings nur so gut ist, wie die Protagonisten, die sie
umsetzen müssen. Die Performance ist dann auch von sehr
unterschiedlicher Qualität - wenigstens was die rhetorische
Umsetzung angeht. Die eloquentesten "Präsentatoren" sind
Christian Wulff, Roland Koch und Peter Müller. Dieter Althaus
grüßt aus der Mitte Europas, aus Thüringen. Er ruft
dazu auf, wieder Politik auf festem Fundament zu machen, und er
berichtet von "blühenden Landschaften" in Thüringen -
auch als Referenz an Altbundeskanzler Helmut Kohl. Jürgen
Rüttgers, seit zwei Monaten im Amt, verweist in seinem
Statement nochmals auf die "Strategie der Ehrlichkeit". Die
Menschen erstaune am meisten, dass die NRW-Regierung beginne, jetzt
umzusetzen, was sie vor der Wahl angekündigt habe. Er ruft
dazu auf, die Ordnungspolitik zu einer sozialen Ordnungspolitik
weiterzuentwickeln. Summa Summarum machen alle deutlich, was in
ihren Ländern Herausragendes geleistet worden ist. Alle
unterstreichen, dass sie hinter Angela Merkel stehen, eine
Demonstration von Harmonie und Eintracht.
Dann überbringt der CSU-Vorsitzende die
"herzlichen Grüße der bayerischen Schwesterpartei". Er
bedankt sich zum Auftakt seiner Rede vor dem Hintergrund der
Hochwasserkatastrophe in Bayern für die Unterstützung
insbesondere der Länder aus dem Osten und zahlreicher
ostdeutscher Landkreise. Der Wahlkampf erfahrene bayerische
Ministerpräsident Stoiber verbreitet Siegesgewissheit. "CDU
und CSU wollen und werden es gemeinsam schaffen. Angela Merkel wird
unser gesamtes Vaterland wieder nach oben führen." Die
Menschen vertrauten ihr. Sie hätten es satt, mit billigen
Versprechen belogen zu werden. Stoiber unterstreicht, dass neues
Vertrauen in Staat und Politik geschaffen werden müsse. Man
könne Schröder nicht mehr glauben. Er verweist darauf,
dass die Linken auf Rot-Rot-Grün setzen würden und warnt
vor den Populisten von ganz links. Ein Wechsel sei
überfällig. Mit dieser Regierung habe Deutschland keine
Zukunft. Stoiber gibt ein klares Signal: "Angela Merkel wird die
erste Kanzlerin in Deutschland."
Und dann kommt "Angie". Die
Schröder-Herausforderin tut das, was sie gerne tut: die
Menschen in den Mittelpunkt ihrer Rede stellen. Sie spricht von
"entscheidender Weichenstellung" und "Erneuerung des Landes" und
ergänzt: "Die Menschen können viel mehr, als
Rot-Grün ihnen zutraut. Wecken wir ihre Kräfte!" Merkel
bilanziert die Arbeitslosenzahlen, die Pleiten und die Zahl der
Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen. Wer diese Bilanz
ziehe, rede das Land nicht schlecht, sondern sei realistisch,
verwahrt sie sich gegen "Schönredner", zu denen sie auch
Schröder rechnet. Merkel schmeichelt dem Wähler nicht,
sie will sie mitnehmen und motivieren. und vor allem solle Politik
anfangen, Bürger und Bürgerinnen wieder Ernst zu nehmen.
Es solle vor der Wahl gesagt werden, was nach der Wahl gemacht
werde. Nur so könne zerstörtes Vertrauen wieder gewonnen
werden. Vehement verurteilt sie ein "Weiter so!" Vehement
unterstreicht sie: "Wir wollen es grundlegend anders machen, damit
es grundlegend besser wird!" Bereitschaft wünscht sie sich,
Widerstand auszuhalten, wenn es um Auseinandersetzungen geht.
Konrad Adenauer habe die Einbindung in die westliche
Wertegemeinschaft durchgesetzt, Helmut Kohl habe den politischen
Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands und zur Einheit Europas
geebnet - gegen den Widerstand der Koalition
Schröder-Lafontaine. Merkel will Sehnsüchte wecken,
Sehnsucht nach einer Aufbaustimmung und wählt zum Vergleich
ein Zitat von Antoine de Saint-Exupery: "Wenn Du Schiffe bauen
willst, dann fange nicht an, Holz zu sammeln und Bretter zu
schneiden, sondern wecke in den Menschen die Sehnsucht nach dem
großen, weiten Meer." Damit will sie deutlich machen, wie
wichtig es ist, zu wissen, wohin man will. Merkel spricht von einem
"Land voller Chancen". Sie spricht von einem Land, "das alle
Anstrengungen unternimmt, um jedem den Zugang zur Ausbildung und zu
Arbeitsplätzen zu verschaffen. Ein Land, in dem der Versuch
mehr zählt, als das Scheitern." Keiner dürfe in einem
solchen Land verloren gehen.
Erneut verteidigt Merkel ihr Konzept, die
Mehrwertsteuer zu erhöhen, um die Arbeitskosten zu senken. Sie
verspricht den Abbau von Bürokratie, die Vorfahrt für
Arbeit und den stärkeren Einsatz für eine bessere
Familienpolitik. Sie mahnt die Sanierung der Haushalte an,
plädiert für die neuesten Technologien, um auch für
die Sicherheit präventiv handeln zu können. Vor allem ist
es ihr wichtig, den Opferschutz vor den Täterschutz zu
stellen. Deutschland sei ein tolerantes Land, aber es müssten
Regeln akzeptiert werden, "Ehrenmorde geächtet" und die
Gleichheit von Mann und Frau akzeptiert werden. Merkel
unterstreicht die Bedeutung des Religionsunterrichts und seinen
Stellenwert für ein festes Wertefundament. Der Weltjugendtag
habe vor Augen geführt, wie wichtig jungen Menschen
"religiöse Haltepunkte" seien. Die Kanzlerkandidatin spricht
erneut das Ziel einer privilegierten Partnerschaft mit der
Türkei an. Eine Vollmitgliedschaft wäre eine
Überforderung der EU.
Als Merkel auf ihr Kompetenzteam zu sprechen
kommt, brandet beim Namen Paul Kirchhof starker Applaus auf. Ein
Vorkämpfer für ein vereinfachtes Steuerrecht sei er, so
Merkel. Für ihn sei ein Steuerkonzept ein
Gesellschaftskonzept. An der Diskussion um seine Berufung
könne man erkennen, dass das Land eine neue Mentalität
brauche. Sie stellt ihn erneut als Mann der Flexibilität vor,
der nochmals den Beruf wechselt, sollte es zum Regierungswechsel
kommen. Dies sei der Geist der zweiten
Gründerjahre.
Angela Merkel kommt zum Ende ihrer Rede. Die
Union wolle "dem Bürger mit Respekt und Demut begegnen" und
"Deutschland wirklich dienen". Für eine Frau, die sich schwer
tut mit emotionaler Extrovertiertheit, hat die erste weibliche
Kanzlerkandidatin Angela Merkel eine verhältnismäßig
leidenschaftliche Rede gehalten. Selbst als sie und "die Ihren" auf
der Bühne mit anhaltendem Beifall gefeiert werden, bleibt sie
irgendwie zurückhaltend und bescheiden - wohl auch, um sich
selbst treu zu bleiben.
Hymne und "Angie-Song" bilden den
musikalischen Kehraus eines Parteitags, der wie andere
Wahlkampfveranstaltungen der Union die Botschaft hatte: Es bleibt
nur ein "Weiter-So" oder es kommt endlich eine andere politische
Richtung. Was ist in großen Lettern in Dortmund über der
Bühne zu lesen: "Entscheidung für
Deutschland."
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