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Frauke Hamann
Lug und Trug mit hehren Worten
Die Briefe Martin Heideggers und Ernst Blochs an
ihre Ehefrauen
Im März 1933 fasst Ernst Bloch seine
Glücksvorstellung in Worte und schreibt seiner Frau Karola:
"Es muss uns doch werden, nicht als spießiges Glück,
sondern als Lebensquell und Operationsbasis des Lebens. Aber die
Unterbrechung war, nach allem was ich höre, richtig." Hier
klingt beides an - der Wunsch nach Intensität und Nähe
ebenso wie nach Erproben und Offenheit. Davon handeln die
jüngst erschienenen Briefeditionen der beiden Philosophen
Ernst Bloch und Martin Heidegger an ihre Ehefrauen Karola und
Elfride, die zum Vergleich dieser ungleichen Korrespondenz geradezu
herausfordern.
Das Konvolut, das Gertrud Heidegger 1977 von
ihrer Großmutter erhält, umfasst mehr als 1000 Karten und
Briefe Martin Heideggers (1889-1977) an seine Frau Elfride
(1893-1992). Die Enkelin ermöglicht nun Einblicke in die Ehe
der Großeltern; ihre zeitlich weit gespannte Briefauswahl
erläutert sie durch einordnende Kommentare. "Mein liebes
Seelchen" - die bevorzugte Anrede Heideggers gibt der Edition den
Titel. Die Briefe enthalten Seitenhiebe auf Husserl, berichten vom
Berufungsgeschehen an verschiedenen Universitäten, bieten eine
kurze Sentenz zur Davoser Disputation 1929 mit Ernst Cassirer, auch
beklagt Heidegger die "Verseuchung" des geistigen Lebens,
angesichts derer "man schon geistiger Antisemit werden
möchte".
Doch im Zentrum der Auswahl steht die
Zwiesprache mit der Ehefrau. Alles soll "schlicht u. klar und rein
zwischen uns sein", schreibt Heidegger. "Der furchtbaren Einsamkeit
wissenschaftlichen Forschens, die nur der Mann aushält",
stellt er die "auflockernde und strahlende Freudebereitung, die oft
so unbemerkt da ist, die stille Hingabe" der Frau gegenüber.
Vom Studium rät er Elfride ab. Es hindere daran, ihr "die
frauliche Ganzheit zu geben die Du im Lebenszusamhang mit mir und
den Kindern haben kannst".
1933 treten Elfride und Martin Heidegger in
die NSDAP ein. Dass ihre Großmutter von ihrer antisemitischen
Einstellung bis ans Lebensende "nicht wesentlich abgerückt"
sei, weiß die Enkelin. Eine extrem nationalistische Frau also,
eine - mit gutem Grund - extrem eifersüchtige Ehefrau. Aber
auch eine praktische Person, die zwei Söhne großzog, die
berühmte Hütte in Todtnauberg errichten ließ und das
Freiburger Haus zum Familienmittelpunkt machte. Elfride Heidegger
flankiert die Karriere ihres Mannes, gewährleistet
Familienleben, er nennt es "Deine lautlose Liebe".
Meine Natur ist vielspältiger als
Deine." Heidegger nimmt sich zahlreiche Seitensprünge heraus,
seine Untreue belastet die 1917 geschlossene Ehe. Es ist
ärgerlich und merkwürdig intransparent, wie die Enkelin
und Herausgeberin mit dieser Tatsache umgeht. Für das Jahr
1925 enthält der Band vier Briefe Martin Heideggers an
Elfride. "M. lb. S." - mit diesem Anrede-Kürzel beginnt der
Geburtstagsbrief des Marburger Philosophieprofessors an seine Frau
im Juni 1925, in dem viel von Dankarbeit, Verzichten und Warten die
Rede ist.
Im Februar 1925 hatte Heidegger Hannah Arendt
kennen gelernt. Mehr als 30 Briefe an die junge Geliebte sind aus
diesem Jahr veröffentlicht - nichts davon steht in den
Anmerkungen Gertrud Heideggers. Später heißt es gleichsam
summarisch: "Elfride hat den begründeten Verdacht, dass Martin
immer wieder Beziehungen zu anderen Frauen unterhält." Nun
wird klar, warum in den Briefen so oft von Schuld, von Versagen und
"frühem Leid, das Dir von mir kam", die Rede ist. Heidegger
hintergeht seine Frau und verletzt sie, doch reklamiert er für
sich die Zerrissenheit des schöpferischen Menschen:
"Der Flügelschlag des Eros berührt
mich jedes Mal, wenn ich im Denken einen wesentlichen Schritt tue
und mich ins Unbegangene wage. Dem rein zu entsprechen und doch das
Unsere zu bewahren, das ist es, woran ich zu leicht versage u. dann
entweder in die bloße Sinnlichkeit abgleite oder versuche,
durch bloßes Arbeiten Unerzwingbares zu erzwingen."
Seine Briefe an Elfride zeigen, dass
vornehmlich der Mann mit der Liebe experimentiert. Der Frau bleibt
im besten Fall die Teilhabe, der Abglanz seines Ruhms und der
Umgang mit Verschweigen und Heuchelei. Das Buch enthält einen
einzigen Brief von Elfride Heidegger; sie klagt über den
"unmenschlichen Missbrauch" ihres Vertrauens und fragt: "Hast Du
einmal darüber nachgedacht, was leere Worte sind - hohle
Worte?" Wie viele angefangene Briefe hat sie auch diesen nicht
abgeschickt.
Extremes Selbstbewusstsein
Die Zerreissproben dieser langen Ehe lassen
eine Enthüllung ahnen, die der Band beiläufig bietet: Der
1920 geborene Sohn Hermann Heidegger, so dieser im Nachwort,
entstammt Elfrides Verbindung mit einem Jugendfreund. Elfride
Heidegger unterliegt im Kampf um die Treue und Offenheit ihres
Mannes, das zeigen Heideggers Briefe gerade in dem, worüber
sie schweigen. Oder, in Heideggers eigener bezeichnender Diktion:
"Vertrauen ist die Stärke im Bejahen des Verhüllten u.
dessen, was wir in seiner Verborgenheit unbesprochen
lassen."
In ihrer Selbstüberzeugtheit standen
sich die beiden Philosophen in nichts nach - wenngleich Martin
Heidegger und Ernst Bloch bis auf die nahezu gleiche Lebensspanne
wenig gemein hatten. Die Briefe von Ernst Bloch (1885-1977) an
seine spätere Frau Karola Piotrkowska (1905-1994) setzen kurz
nach ihrer Bekanntschaft ein. Beide sind gebunden, als sie sich
1927 kennen- und lieben lernen.
Er nennt es "den tiefsten Augenblick meines
Lebens". Bloch hat zwei Ehen hinter sich, er will oft reisen,
keineswegs ein Heim gründen und gewiss andere Frauen haben.
"Bist Du mir treu?", fragt er die "unverlierbare" Karola. Das
Abenteuer der Treue, das er ihr verspricht, lässt an Gottfried
Benns praktischen Rat denken, gute Regie sei besser als Treue.
Jedenfalls stürzt sich Bloch ins Berliner Leben, trifft
Benjamin, Kracauer, Lukacs und Brecht, wovon er seiner Frau eifrig
Mitteilung macht. Der deutlich ältere Mann freut sich an der
Architekturstudentin, begleitet ihre Aktivitäten in Wien mit
Ratschlägen und Ermutigungen aus der Ferne. Trifft ein Paket
von ihr ein, "grunzt, tanzt und singt" er voller Freude.
Auch wenn Bloch seine Frau wegen ihres
Eintritts in die KPD neckt - gemeinsame politische Ideale
grundieren die wahrlich unruhige Beziehung. "Ich bin Dir
verschmolzen, und wir ehren zugleich unsere Sphäre, die keine
private ist. Wie Du es einmal gesagt hast: Wir werben immer
umeinander." Bloch insistiert auf seiner Unabhängigkeit - "die
Heimat kommt aus uns, nicht aus der Wohnung" - auch nachdem Karola
und er 1934 geheiratet haben. Sein Ton ist freimütig,
fordernd, manchmal närrisch verliebt, dabei bleiben eigene
Leistungen und Möglichkeiten stets im Blick.
Wie sehr der Philosoph von der eigenen
Bedeutung durchdrungen ist, zeigt seine Reaktion auf Viktor
Klemperers Erfolg: Bloch beklagt die "geradezu widerlichen
Schattenseiten des Ruhms" und setzt ihnen mit großer
Denkergeste entgegen: "Ich bin mit liebenswürdiger Achtung in
kleinem Kreise zufrieden, im still-stolzen Bewusstsein meiner
Arbeit und ihres Rangs. Seit meinem fünfzehnten,
spätestens siebzehnten Jahr war es mir
selbstverständlich, in der Reihe der philosophischen
Schöpfer zu stehen. Da pflückt man andere
Früchte."
Dieser Ausgabe von Briefen von Ernst an
Karola Bloch haftet etwas Fragmentarisches an, was an der
Zeitspanne liegt (sie reicht bis 1936, dann sind aus dem Jahr 1941
zwei und aus dem Jahr 1949 ein Brief abgedruckt). Es ist bislang
unklar, ob das seinerzeit von der DDR zurückgegebene Konvolut
den vollständigen Bestand umfasst. Karola Bloch selbst bleibt
stumm, ihre Briefe scheinen nicht erhalten. Die Herausgeberin
behauptet, Karola Bloch habe "die dunkleren Momente des Lebens mit
ihrem Mann niemals verleugnet, sondern mit Edelmut,
Souveränität und in Anlehnung an die überwiegend
positiven Bilder" auf sich beruhen gelassen.
Beide Briefeditionen, Heidegger und Bloch,
lassen sich komplementär lesen. Sie zeigen manches Kleine von
großen Denkern - wie selbstverständlich ihr
Betrügen, wie sprachmächtig ihr Lügen war, wie sie
vorrangig um ihr Werk und ihre Wirkung kreisen und ihrer Frauen
doch bedurften, um beides zu schaffen. Ein Unterschied hingegen ist
markant: Bei Heidegger wirkt wie Heuchelei, was bei Bloch als
ernsthafter Versuch gelten kann, den utopischen Überschuss in
der Beziehung zur Lebensgefährtin auszuloten, ihn nicht
bloß neu zu denken sondern zu leben. Ein Experiment
allerdings, das ein für beide Ehepartner gleichermaßen
befriedigendes Ergebnis von Beginn an wenig wahrscheinlich
machte.
Martin Heidegger
"Mein liebes Seelchen!" Briefe Martin
Heideggers an seine Frau Elfride 1915-1970.
Hrsg. und kommentiert von Gertrud
Heidegger.
Deutsche Verlags-Anstalt, München
2005; 416 S., 22,90 Euro
Ernst Bloch
Das Abenteuer der Treue.
Briefe an Karola 1928-1949.
Hrsg. von Anna Czajka.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2005; 267
S., 19,80 Euro
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