|
 |
Mareike Knoke
Angst vor dem Trojanischen Pferd
Verbindungen zwischen Universitäten und
Fachhochschulen sind noch die Ausnahme
Als die Professoren Dietmar von Hoyningen-Huene und Peter
Hommelhoff bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) um
Fördermittel für ein gemeinsames Doktorandenkolleg
warben, waren gegenseitige Hochachtung und eine lange
persönliche Bekanntschaft im Spiel. Das Werben war
erfolgreich: Von Hoyningen-Huene genießt als engagierter
Rektor der Fachhochschule Mannheim internationales Renommee; Peter
Hommelhoff leitet die Geschicke der altehrwürdigen
Universität Heidelberg und sitzt im Präsidium der
Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Beide kooperieren schon seit
Jahren in Lehre und Forschung in verschiedenen Studiengängen
wie Biotechnologie oder Chemieingenieurwesen innerhalb der
"Hochschulregion Rhein-Neckar".
Indes: Eine reine Liebesheirat ist es nie, wenn so verschiedene
Partner wie eine auf Grundlagenforschung fokussierte
Universität mit einer anwendungsbezogenen und an Auftraggebern
aus der Industrie orientierten Fachhochschule einen Bund fürs
produktive Zusammenleben schließen, etwa bei
Studiengängen mit hohem Praxisanteil oder
Forschungsverbünden. Zahlen darüber gibt es nicht. Die
Hochschulrektorenkonferenz gab vor einiger Zeit eine Erhebung zu
solchen Kooperationen in Auftrag, hat diese jedoch, mangels
Resonanz, erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben.
Netzwerkbauer
Dabei liegen die Vorteile der Zweckgemeinschaft für Dietmar
von Hoyningen-Huene klar auf der Hand: "Die Fachhochschule bringt
das technisch-praktische Know-how und die Kontakte für die
Verwertung der Forschungsergebnisse ein. Die Universität die
wissenschaftliche Expertise und die exzellente Ausstattung für
die Forschung. Und beides zusammen schafft die bestmöglichen
Bedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs."
Fachhochschulen würden sich dabei - schon aufgrund ihrer engen
Zusammenarbeit mit den Unternehmen ihrer Region - als hervorragende
Netzwerkbauer erweisen. Und auch im Zuge des europäischen, so
genannten Bologna-Prozesses mit seinen sukzessive eingeführten
genormten Bachelor- und Masterstudiengängen werde es in
Zukunft immer häufiger zu Kooperationen kommen, glaubt der
Mannheimer Rektor. "Weil die Übergänge zwischen den
Hochschularten dadurch immer durchlässiger werden."
In dem am Mannheimer Zentrum für medizinische Forschung
beheimateten Doktorandenkolleg arbeiten das
Universitätsklinikum Mannheim, das Physikalische Institut der
Universität Heidelberg, das Deutsche Krebsforschungszentrum
und das Europäische Molekularbiologische Laboratorium seit
zwei Jahren eng bei der Ausbildung der Doktoranden zusammen. 19
junge Nachwuchswissenschaftler - fünf Biotechnologen von der
FH und 14 Biologen, Pharmazeuten, Physiker, Biochemiker und
Mediziner von der Universität - diagnostizieren hier Gene, die
für bestimmte Krankheiten verantwortlich sind, und erforschen,
welche Prozesse sich in diesen mutierten Genen abspielen.
"Diskriminiert wird hier keiner. Man hilft sich gegenseitig, zum
Beispiel bei der Literaturrecherche. Da ist die Uni besser
ausgestattet als die FH", sagt FH-Doktorand Simon Grill. Dafür
geben die praxisorientierteren FH-Absolventen ihren manchmal etwas
unerfahrenen Uni-Kollegen Hilfestellung bei der Arbeit im
Labor.
Dennoch: In Deutschland ist das Kolleg ein Novum. "Einen Trend
in diese Richtung kann ich nicht fest-stellen", sagt Heidelbergs
Rektor Peter Hommelhoff - weniger optimistisch als sein FH-Kollege
aus Mannheim. Seine Amtskollegen an anderen Universitäten
hätten "sehr verhalten auf das gemeinsame Graduiertenkolleg"
reagiert. Denn das Thema Promotion ist ein wunder Punkt.
FH-Absolventen, die promovieren wollen, müssen ein
Einser-Examen vorweisen und oft lange suchen, ehe sie einen
Doktorvater an einer Universität finden. Bislang liegt das
Promotionsrecht exklusiv bei den Universitäten, was von den
Fachhochschulen immer wieder kritisiert wird. Zumal von jenen, die
selbst starke Forschungsleistungen vorzuweisen haben. "Einige
Universitäten", erklärt Hommelhoff die Zurückhaltung
seiner Kollegen, "befürchten, die Fachhochschulen könnten
Kooperationen als Trojanische Pferde nutzen, um doch noch das
Promotionsrecht zu erlangen."
Ideologische Gräben
Die ideologischen Gräben zwischen Universitäten und
Fachhochschulen sind vielerorts noch zu tief für enge
Kooperationen. Die Fachhochschulen fühlen sich aufgrund ihrer
überwiegend anwendungsbezogenen Forschung für die
Industrie und ihrer starken Konzentration auf die Lehre häufig
von den Universitäten nicht für voll genommen. Zu
Unrecht: Laut Wissenschaftsrat, haben sich ihre
Drittmitteleinnahmen für die Forschung in den vergangenen zehn
Jahren mehr als verdoppelt. Und viele Fachhochschulen, wie die in
Mannheim, haben sich mit internationalen Studiengängen in den
letzten Jahren zu begehrten Anlaufstellen für Studierende aus
aller Welt entwickelt.
"Kooperationen zwischen FH und benachbarten Unis würden die
Promotionsmöglichkeiten für FH-Absolventen eindeutig
erleichtern", glaubt Nicolai Müller-Bromley, Rechtsgelehrter
an der FH Osnabrück und Präsident des
Hochschullehrerbundes, dem Interessenverband der Fachhochschulen.
Bislang liegt die Zahl der FH-Promovenden im niedrigen einstelligen
Prozentbereich. Ob Kooperationen tatsächlich helfen,
könnte sich bald an Müller-Bromleys eigener Hochschule
zeigen. Im Verbund mit den Unis Osnabrück und Bremen wird hier
ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
finanziertes Forschungsprojekt zur Hebammenausbildung realisiert.
Auch hier bildet die langjährige Bekanntschaft der
Projektleiter die Vertrauensbasis. Allerdings: "Zwei meiner
Projekt-Mitarbeiterinnen würden gerne promovieren", sagt
Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Professorin an der FH und
Verbundsprecherin. "Doch bislang gestalten sich die
Sondierungsgespräche mit den beteiligten Unis noch mühsam
und bürokratisch, weil der Promotionsausschuss des jeweiligen
Uni-Fachbereichs das letzte Wort hat."
Dass die Kooperation zwischen einer FH und einer
Universität die Möglichkeit bietet, Synergien durch
Vernetzungen auf administrativer Ebene optimal zu nutzen, ist
dagegen unstrittig. Die Fachhochschulen Reutlingen, Rottenburg,
Nürtingen und Albstadt-Sigmaringen kooperieren seit wenigen
Monaten mit den räumlich nahen Unis Tübingen und
Hohenheim in der "Hochschulregion Tübingen-Hohenheim". "Hier
lässt sich eine Menge Geld sparen", sagt Reutlingens Prorektor
Michael Dostmann. Die Studentenwerke, die
Studiengebührenverwaltung - all dies will man künftig
gemeinsam managen. Der Studentenausweis soll ab dem nächsten
Wintersemester für alle Einrichtungen gelten: Mensen,
Bibliotheken, Studentenwohnheime. Die ersparten Verwaltungskosten
sollen "gerecht allen Beteiligten zugute kommen", erklärt
Dostmann. "Selbstverständlich", fügt er hinzu, gebe es
auch "Pläne für Kooperationen in der Lehre zwischen
einzelnen Studiengängen". So bietet Reutlingen ein
internationales BWL-Studium als Bachelor- und Masterstudiengang an.
Und einen anwendungsbezogenen Master in Chemie. Beides könnte
durchaus auch für Studenten der Uni Tübingen interessant
sein, die sich entsprechend spezialisieren wollen.
Die Autorin arbeitet als Journalistin in Berlin.
Zurück zur
Übersicht
|