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Jutta Witte
Unabhängig von Raum und Zeit
E-Learning hat auch an deutschen
Universitäten Zukunft
Auch an deutschen Hochschulen ist E-Learning,
das Lernen mit Hilfe moderner Computertechnik, bald nicht mehr aus
dem Studienalltag wegzudenken - egal, um welche Fachrichtung es
geht, von den Sportwissenschaften bis zur Medizin. Mehr als 100
Projekte hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung
zwischen 2000 und 2004 gefördert. Der Etat des Programms "Neue
Medien in der Bildung" belief sich auf rund 185 Millionen Euro.
Hinzu kam 2002 ein weiterer Fördertopf für den Aufbau von
"Notebook-Universitäten" in Höhe von rund 25 Millionen
Euro. Geflossen ist das Geld vornehmlich in die Entwicklung von
E-Learning-Inhalten. Ein Folgeprogramm "E-Learning-Dienste für
die Wissenschaft" soll den Hochschulen nun helfen das Geschaffene
zu konsolidieren und die Universitäten beim Aufbau einer
nachhaltigen Infrastruktur für die virtuelle Lehre zu
unterstützen.
Kurslaufzeit: durchgehend; freie Plätze:
unbegrenzt; Kursanmeldung: 00.00 bis 23.59 Uhr. Was ein wenig
futuristisch anmutet, gehört für Eric Hilgendorf fast
schon zum Berufsalltag. Hilgendorf ist Juraprofessor an der
Julius-Maximilian-Universität in Würzburg. Mit seinen
fünf Online-Kursen zum Thema Strafrecht erreicht er derzeit
6.000 von 20.000 Jurastudenten in Bayern. "Wir sind jetzt am
Limit", sagt der Professor mit Blick auf die Kapazitäten.
Hilgendorf hat den Stoff seiner Standardvorlesung in Lerneinheiten
unterteilt. Die Veranstaltung ist Teil der Virtuellen Hochschule
Bayern (VHB), ein Verbund aus mehreren Universitäten, der vor
fünfeinhalb Jahren gegründet wurde, rund 170
Veranstaltungen online anbietet und es derzeit rund 21.000
Studierenden ermöglicht, ihr klassisches Präsenzstudium
durch E-Learning-Veranstaltungen zu ergänzen. Hilgendorfs
Studenten steht - zu Hause, in der Mensa, im Zug oder wo auch immer
- ein Lernteil und ein Testteil zur Verfügung. Sie können
Übungsklausuren einschicken, die in Würzburg korrigiert
werden, sie kommunizieren mit ihrem Professor via E-Mail oder
Videokonferenz, und sie können sich ihre Arbeitszeit
völlig selbstständig einteilen. Für die
persönliche Betreuung stehen Mitarbeiter zur Verfügung,
die an die jeweiligen Universitäten reisen. Am Ende steht die
Examensklausur in Würzburg. "Es handelt sich um eine
eigenständige neue Lehrform", betont der Strafrechtler, "die
mehr und anderes bietet als bloß digitalisierte Bücher
und Skripte".
Beinahe vollständig virtualisierte
Veranstaltungen sind jedoch eher noch die Ausnahme in der deutschen
E-Learning-Landschaft. Der größte Teil des Angebots liegt
im Bereich der veranstaltungsbegleitenden Materialien. 85 Prozent
der Studierenden griff im Jahr 2003 auf solche Materialien
zurück, besagt eine repräsentative Online-Erhebung des
Hochschul-Informationssystems (HIS) in Hannover, die Ende 2004 mit
rund 4.000 Studierenden durchgeführt wurde. Drei Jahre zuvor
waren es nur 34 Prozent gewesen. 23 Prozent der Befragten nutzten
interaktive Selbstlernangebote. Immerhin 90 Prozent der befragten
Studis verfügten über einen eigenen Internetzugang, davon
54 Prozent sogar über einen Breitbandanschluss. Der
Bekanntheitsgrad rein virtueller Veranstaltungen, war zwischen 2000
und 2003 aber lediglich von neun auf zwölf Prozent
gestiegen.
Rationalisierungspotenzial
E-Learning als "selbstzweckhaftes
Experimentierfeld" sei weitgehend passé, resümieren die
Autoren, als Instrument einer zukunftsorientierten
Hochschulentwicklung dagegen "brandaktuell". Zehn Millionen Euro
hat etwa der Stadtstaat Hamburg zwischen 2002 und 2006 in die
E-Learning-Förderung gesteckt. Nach der Contententwicklung
ginge es nun darum, einen ganzheitlichen Ansatz hin zu einer neuen
Hochschulkultur rund um den E-Campus zu entwickeln, berichtet
Ulrich Schmid, Geschäftsführer des Multimedia Kontor
Hamburg, das die Virtualisierung der Lehre in der Hansestadt
leitet. Schmid sieht den Mehrwert des E-Learning nicht nur in der
multimedialen Verbesserung der Präsenzlehre, sondern
langfristig auch Rationalisierungspotentiale, wenn es darum geht,
künftig erwartete Heerscharen von Studenten durch die Uni zu
schleusen. Das wirtschaftliche Potential für den
Regellehrbetrieb sei zwar noch nicht näher beleuchtet worden.
"Die Basiskompetenzfächer sind gar nicht anders zu
bewältigen", prognostiziert der Experte jedoch.
Dank des Aufschwungs der vergangenen Jahre
hat Deutschland nach Einschätzung des HIS-Experten Klaus
Wannemacher mit seinem E-Learning-Angebot international inzwischen
einen ganz guten Stand. "Die Zukunft jedoch gehört dem so
genannten Blendid-Learning, also einer Mischung aus virtuellem und
klassischem Studium", sagt der Fachmann. Auf dieses Konzept setzt
auch die Technische Universität Darmstadt (TUD). Zu den
Ansprüchen einer universitären Erstausbildung gehöre
schließlich auch das "Hineinwachsen in eine Profession",
betont die Geschäftsführerin des E-Learning-Centers an
der TUD, Susanne Offenbartl. "Das kann man nicht online abbilden."
So heißt das E-Learning-Leitbild an der TUD Dual-Mode - eine
systematische Verschränkung von Präsenz-und Online-Lehre.
64 Projekte gibt es bereits. Bis 2010, hat sich die TUD unter
anderem vorgenommen, sollen 17.000 Studierende die
unterschiedlichen Lernplattformen nutzen, und die Zahl der
gleichzeitig ablaufenden
E-Learning-Veranstaltungen soll von heute 50
auf rund 2.000 anwachsen.
Professoren, die persönliche Vorbilder
"als Mensch und Fachmann" für die Studierenden sind, und den
Erwerb von sozialen Kompetenzen, die nur ein Präsenzstudium
ermöglicht, will auch Eric Hilgendorf erhalten. Und der
Strafrechtler sieht weitere Probleme des Computerstudiums:
Automatisierte Lernprogramme könnten zu oberflächlichem,
rein faktenorientiertem Lernen führen, viele Rechtsfragen
seien derzeit noch ungeklärt und E-Learning sei nicht gleich
E-Learning, weil viele Angebote noch nicht zertifiziert seien.
Dennoch ist der Jurist überzeugt: "Der Computer wird ein
ebenso selbstverständlicher Teil der Lehre sein, wie es Buch
und Papier heute sind."
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