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Carmen Molitor
"Wer vieles bringt, wird manchem etwas
bringen"
Ein Blick in den Blätterwald an
Universitäten
An kostenlosem Lesefutter herrscht in Universitäten und
Fachhochschulen kein Mangel: Lifestyle-Magazine buhlen mit den
PR-Journalen der Hochschulen um die Aufmerksamkeit in Foyers,
Fluren und Mensen. Auch die Studierenden werden gerne zu
Zeitungsmachern - und melden sich in den politischen Blättern
der Fachschaften oder journalistisch ambitionierten Projekten zu
Wort.
Sie müssen eine Leserschaft bedienen, die vom Erstsemester
in Germanistik bis zum Professor der Astrophysik, vom
Lehramtskandidaten bis zur Alumni, vom Wirtschaftsboss bis zur
technischen Angestellten reicht. Sie sollen Stimme ihres Herrn und
trotzdem ein lesbares journalistisches Produkt sein. Sie bekommen
wenig Geld und kaum Personal. Man kann nicht behaupten, dass es in
Deutschland eine leichte Aufgabe ist, ein Hochschulmagazin zu
machen.
Rund 175 Universitäten und Fachhochschulen geben
hierzulande eigene Hochschulmagazine heraus, schätzt
Medienwissenschaftler Matthias Kohring vom Institut für
Kommunikationswissenschaften der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster. Zwischen 1999 und 2000
hatte Kohring in Jena die erste empirische Untersuchung von
deutschsprachigen Hochschulmagazinen geleitet und mit Studierenden
die Redakteure, Leser und Nichtleser von 24 deutschen, drei
schweizerischen und einer österreichischen Hochschulzeitung
befragt. Bei der Auswertung kam ihm ein Zitat aus Goethes Faust in
den Sinn:
"Viele Hochschulmagazine sollen alle Zielgruppen gleichzeitig
bedienen. Das ist ein Spagat, der nicht hinzukriegen ist", fasst
Kohring zusammen. Bringen sollen die PR-Magazine viel. Ihre
wichtigste Mission: Das Image der Hochschule zu prägen und
wichtiger Vermittler zur Öffentlichkeit sein. Viele scheitern
aber trotz engagierter Redakteure in den Pressestellen
zwangsläufig an diesem Anspruch, sagt Kohring. "Es mag
Ausnahmen geben, aber den meisten Universitäten fehlt ein
kommunikatives Gesamtkonzept, in das die Journale eingebettet
sind." Seine Untersuchung ergab, dass die Leser die Hefte
häufig zu einseitig und "selbst für PR-Publikationen zu
unkritisch" fänden.
Auf die Suche nach den positiven Ausnahmen hat sich die
Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gemacht. Sie kürte gemeinsam
mit der Wochenzeitung "Die Zeit" und der Robert Bosch Stiftung im
November 2005 erstmals das "beste deutsche Hochschulmagazin".
Über 100 Bewerbungen waren eingegangen, manche davon fand die
Jury originell, andere bewerteten sie als "bessere
Vereinsmagazine". "Viele Magazine machen es dem Publikum schwer zu
glauben, dass in den Hochschulen interessante, kreative Menschen
spannenden Dinge treiben, neue Denkansätze und wichtige
Grundlagen des gesellschaftlichen Fortschritts entwickeln, wenn die
Texte sperrig, die Themen trocken und die Seiten Bleiwüsten
sind", kritisierte die HRK-Generalsekretärin Dr. Christiane
Ebel-Gabriel bei der Preisverleihung in Bremen. Die Jury habe mit
Erstaunen festgestellt, "dass es auch vielen großen
Einrichtungen, die ansonsten großen Wert auf ihr Profil und
ihr Renommee legen, nicht gelingt, entsprechende Publikationen zu
entwickeln". Die HRK wolle mit dem alle zwei Jahre ausgelobten
Preis "Bestes deutsches Hochschulmagazin" zeigen, dass es auch
anders geht und einen allmählichen Aufwärtstrend der
Blätter unterstützen.
Anders geht es zum Beispiel an der Technischen Universität
Berlin, der Gewinnerin von 2005. Hier macht das Presse- und
Informationsreferat vier Zeitungen und Zeitschriften für
unterschiedliche Zielgruppen. "TU intern" wendet sich an
Mitarbeiter, Hochschullehrer und Studierende, "Par TU" an die
Alumni und "Forschung akTUell" an wissenschaftliche Interessierte.
Zudem produziert die TU eine Beilage für die breite
Öffentlichkeit, die dem Berliner Tagesspiegel zweimal im Jahr
beiliegt. Die HRK-Preis-Jury zeigte sich beeindruckt vom
durchdachten Konzept und der journalistischen Qualität, mit
der die Universität ihre Themen darstellt. Die Chefredakteurin
der vier Blätter, Referatsleiterin Kristina R. Zerges,
erklärt sich den Erfolg durch den klaren Zuschnitt und die
konsequente journalistische Machart. Letzteres durchzusetzen sei im
Hochschulbetrieb kein reines Honigschlecken. "Wir sagen den
Professoren: ,Sie sind die Experten in ihrem Bereich, wir die im
Journalismus'", erklärt Zerges. "Man muss Vertrauen aufbauen.
Und das ist uns gelungen."
Vernachlässigte Klientel
Eine wichtige Gruppe wird laut Medienwissenschaftler Kohring in
den meisten Hochschulmagazinen vernachlässigt: die
Studierenden. Um die bemühen sich andere publizistische
Angebote. Das Spektrum reicht von den überregionalen
Lifestyle-Campusmagazinen wie "Unicum" und "Audimax", über
politische sehr eindeutig positionierte Fachschaftsblätter bis
hin zu journalistisch ambitionierten lokalen Zeitungsprojekten von
Studierendengruppen.
Seit 2004 gibt es auch in dieser Kategorie einen Wettbewerb:
Jährlich wird die beste Studentenzeitung mit dem "MLP Campus
Presse Award" gekürt. Eine hochrangige Jury, in der unter
anderem brand-eins-Chefredakteurin Gabriele Fischer und der
Hamburger Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg sitzen,
beurteilt Textqualität, die Verwendung journalistischer
Darstellungsformen, redaktionelle Struktur, Layout und Nutzwert der
Blätter. Berlin machte auch hier das Rennen: Die
Studentenzeitung "UnAufgefordert" der Humboldt-Universität
siegte 2004 gegen 56 Mitbewerber vor "InDOpendent" aus Dortmund und
dem Rostocker "heuler".
Die Heidelberger Studentenzeitung "ruprecht", für die
Politikstudent Reinhard Lask seit drei Jahren als ehrenamtlicher
Redakteur arbeitet, schaffte es unter die ersten zehn. "Unser
Hauptaugenmerk gilt der lokalen Hochschulpolitik", erzählt der
31-Jährige. Weil dieses Thema von anderen Medien kaum
aufgegriffen wurde, entstand 1987 das Projekt, für das sich
bis heute Heidelberger Universitätsstudierende aller
Fächer ohne Bezahlung engagieren. "Wir wollen ein Medium ohne
ideologischen Hintergrund machen, das versucht, neutral zu
berichten", sagt Lask. "Es geht uns einfach um guten Journalismus."
Das 16-seitige Heft finanziert sich aus Werbung und wird von
fünf Redakteuren mit einem Kreis von organisatorischen Helfern
und über 50 freien Mitarbeitern hergestellt. Einen
Chefredakteur gibt es nicht. Der "ruprecht" berichtet neben
universitätspolitischen Themen über studentische
Aktivitäten und städtische Ereignisse. Wichtigstes Thema
2005: Die Pläne, das Heidelberger Volkswirtschaftsseminar nach
Mannheim zu verlegen und die studentischen Proteste dagegen.
Ebenfalls als Zeitung "Von Studenten für Studenten" ist
1983 das Monatsmagazin "Unicum" in Bochum gestartet. Manfred
Balderschus hatte das Blatt mit Kommilitonen entworfen und
zunächst nur in NRW, dann bundesweit verlegt. Heute sieht man
dem Hochglanzblatt seine Sponti-Wurzeln nicht mehr an. Das
werbefinanzierte Monatsmagazin beschäftigt 40 feste und mehr
als 100 freie Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben mit 450.000
Lesern das meistgelesene Studentenmagazin Deutschlands. "Unicum"
bedient seine Leserschaft vorwiegend mit Unterhaltung,
Servicetipps, viel Werbung und Karrieretipps. Politik spielt kaum
eine Rolle. Darüber kann man auf jedem Campus sicher woanders
etwas lesen.
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