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Chronik

Bild: Blick in den Plenarsaal
Bei der Abstimmung zur Vertrauensfrage am 1. Juli.

Auf dem Weg zu Neuwahlen – Auflösung des Bundestages

Sonntag, 22. Mai 2005

Nach Bekanntwerden der Niederlage der SPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gibt Bundeskanzler Gerhard Schröder am Abend im Kanzleramt eine Erklärung ab. Darin heißt es: „Für die [...] Fortführung der Reformen halte ich eine klare Unterstützung durch eine Mehrheit der Deutschen gerade jetzt für erforderlich. Deshalb betrachte ich es [...] als meine Pflicht und Verantwortung, darauf hinzuwirken, dass der Herr Bundespräsident von den Möglichkeiten des Grundgesetzes Gebrauch machen kann, um [...] Neuwahlen zum Deutschen Bundestag herbeizuführen.“

Donnerstag, 9. Juni 2005

Nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten teilt der Bundeskanzler mit, er werde im Deutschen Bundestag den Antrag nach Artikel 68 des Grundgesetzes stellen.

Donnerstag, 16. Juni 2005

Der Bundeskanzler informiert offiziell den Ältestenrat des Deutschen Bundestages über seine Absicht, die Vertrauensfrage zu stellen. Das Gremium verständigt sich darüber, die Entscheidung über diesen Antrag für den 1. Juli auf die Tagesordnung zu nehmen.

Montag, 27. Juni 2005

Der Antrag des Bundeskanzlers geht fristgerecht beim Bundestag ein. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse lässt aus dem Wortlaut eine Drucksache erstellen und an die Abgeordneten verteilen. Dort steht: „Gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Freitag, den 1. Juli 2005, hierzu eine Erklärung abzugeben.“

Mittwoch, 29. Juni 2005

Im Rahmen einer Ministerrunde bespricht der Bundeskanzler mit den Mitgliedern seines Bundeskabinetts seine Überlegungen angesichts der Abstimmung über die Vertrauensfrage.

Freitag, 1. Juli 2005

  • 8.00 Uhr: Der Bundeskanzler informiert die SPD-Fraktion in einer Sondersitzung über die Beweggründe seiner Entscheidung.
  • 9.15 Uhr: Der Bundeskanzler informiert auch die Abgeordneten der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
  • 10.01 Uhr: Der Bundestagspräsident eröffnet die 185. Sitzung des Deutschen Bundestages in der 15. Wahlperiode, ruft den einzigen Tagesordnungspunkt auf: „Beratung des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes“. Er gibt das Wort dem Bundeskanzler. Dieser schildert, warum er sich nicht mehr auf das stetige Vertrauen der Mehrheit verlassen kann.
  • 10.32 Uhr: Nach der Erklärung folgt eine Debatte, in der unter anderem die Fraktionschefs von CDU/CSU und SPD, Angela Merkel und Franz Müntefering, der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) das Wort ergreifen.
  • 11.40 Uhr: Der Abgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) gibt im Anschluss eine Erklärung zur Abstimmung ab, andere Abgeordnete geben Erklärungen schriftlich zu Protokoll.
  • 11.47 Uhr: Die namentliche Abstimmung ist eröffnet. Die Abgeordneten werfen ihre namentlich gekennzeichneten Stimmkarten in die Urnen. Rote für „Nein“, blaue für „Ja“, weiße für „Enthaltung“. So kann das Ergebnis schnell ermittelt werden.
  • 12.11 Uhr: Der Bundestagspräsident teilt mit, dass 151 Abgeordnete mit Ja, 296 mit Nein und 148 mit Enthaltung gestimmt haben. Damit hat der Bundeskanzler die erforderliche Mehrheit von mindestens 301 Ja-Stimmen verfehlt.
  • 13.30 Uhr: Der Bundeskanzler fährt zum Bundespräsidenten und schlägt diesem entsprechend der Verfassung offiziell vor, den Bundestag aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen. Für diese Entscheidung hat das Staatsoberhaupt nun 21 Tage Zeit.

Mittwoch, 13. Juli 2005

Der Regierungssprecher teilt mit, dass der Kanzler dem Bundespräsidenten auf dessen Wunsch hin ein Dossier mit weiteren Informationen über die verfassungsrechtliche Einschätzung und eine Dokumentation zur Durchsetzbarkeit der Regierungspolitik zugesandt hat. Zuvor hat der Bundespräsident auch mit Partei- und Fraktionsvertretern gesprochen.

Donnerstag, 21. Juli 2005

Der Bundespräsident entscheidet, den Bundestag aufzulösen. Die Entscheidung gibt er in einer Fernsehansprache um 20.15 Uhr bekannt. Die Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) und Jelena Hoffmann (SPD) reichen einige Tage später gegen die Entscheidung Klage beim Bundesverfassungsgericht ein.

Dienstag, 9. August 2005

Mündliche Verhandlung vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe im Organstreitverfahren der Bundestagsabgeordneten Hoffmann und Schulz gegen den Bundespräsidenten. Streitgegenstand ist die Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten und die Anordnung der Bundestagswahl am 18. September 2005.

Donnerstag, 25. August 2005

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts weist die Organklage der Bundestagsabgeordneten Jelena Hoffmann und Werner Schulz zurück. Die Entscheidung des Bundespräsidenten ist nach Auffassung des Gerichts mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein dem Zweck des Artikels 68 des Grundgesetzes widersprechender Gebrauch der Vertrauensfrage durch den Kanzler lasse sich nicht feststellen, heißt es in der Begründung. Am 18. September findet die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag statt.


Foto: studio kohlmeier
Erschienen am 27. August 2005


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