> Dossier > Sonderthema 16. Wahlperiode
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Wolfgang Thierse (SPD)
Der Kiez am Wasserturm rund um den Kollwitzplatz in Berlin ist seine Heimat geworden. Seit über 30 Jahren ist er hier zu Hause, er kennt die Kneipen und die Probleme der Bürger. Wolfgang Thierse ist trotz seiner Karriere als Politiker auf dem Boden geblieben. Wie mancher Berliner ist Wolfgang Thierse, Jahrgang 1943, gebürtiger Breslauer. Nach der Vertreibung der Familie wächst er in Thüringen auf. Er kommt, wie mehrere seiner Kollegen im Präsidium, aus einem politischen Elternhaus. Sein Vater, ein Rechtsanwalt, war Kreistagsabgeordneter der Ost-CDU.
Wolfgang Thierse wäre gern Journalist geworden. Doch dieser Beruf bleibt dem Katholiken, der nicht an der Jugendweihe teilgenommen hat, in der DDR verwehrt. So erlernt er zunächst das Schriftsetzerhandwerk, studiert später Germanistik und Kulturwissenschaft. Er verliert eine Stelle im Kulturministerium, weil er sich weigert, Künstler anzuschwärzen und zudem darüber auch noch „unbotmäßige Reden“ führt. Aber er hat Glück und findet an einem Institut für Literaturgeschichte als Mitverfasser eines historischen Wörterbuchs eine „geräumige Nische“.
Anfang Oktober 1989 schließt sich Wolfgang Thierse der Oppositionsgruppe Neues Forum an, im Januar 1990 der Sozialdemokratischen Partei der DDR. Hier wird man schnell auf ihn aufmerksam. Er zieht in die erste frei gewählte Volkskammer ein und steigt zum Partei- und dann auch zum Fraktionsvorsitzenden auf. In der vereinigten SPD hat der glänzende Redner immer Positionen in der engeren Partei- und Fraktionsführung inne, nach Ansicht von Journalisten ist er das – manchmal unbequeme – „Mundwerk der Ostdeutschen“. 1998 wird er als erster Ostdeutscher zum Präsidenten des Bundestages gewählt und 2002 in dem Amt bestätigt. Auch in diesem Amt lässt er sich von seinem „ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit“ leiten. Das bedeutet auch, es nicht immer allen recht zu machen.
Erschienen am 01. Dezember 2005
Mehr zur Person: www.thierse.de