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Von der Regierung in die Opposition
Mehr als 3,8 Millionen Wählerstimmen für Bündnis 90/Die Grünen – daraus wurde eine Fraktion mit 51 Frauen und Männern. Die gaben sich zu Beginn der Wahlperiode eine Geschäftsordnung, mit der sie ihre Strukturen und Arbeitsabläufe organisieren.
Danach gliedert sich die Fraktion in vier Organe: Die Fraktionsversammlung aller Abgeordneten, der Fraktionsvorstand, der Geschäftsführende Vorstand und die Arbeitskreise – und alle vier sind miteinander verzahnt. So gehören (neben der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt aus dem Kreis der Fraktion) die Koordinatorinnen und Koordinatoren der fünf Arbeitskreise (zugleich Stellvertretende Fraktionsvorsitzende) dem Vorstand an. Die eigentlichen Vorstandsgeschäfte führen die beiden Vorsitzenden Renate Künast und Fritz Kuhn sowie der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck und die beiden Parlamentarischen Geschäftsführerinnen Undine Kurth und Irmingard Schewe-Gerigk. Die inhaltliche Arbeit wird vor allem in den fünf Arbeitskreisen geleistet. Sie können bei Bedarf auch Arbeitsgruppen einsetzen, die ihnen ad hoc oder ständig zu speziellen Themen zuarbeiten. Die Arbeitskreise, in denen jeweils mehrere Themenfelder zusammengefasst sind, treffen sich in jeder Sitzungswoche, um die politische Arbeit zwischen den einzelnen Abgeordneten und den Fachreferaten der Fraktion abzustimmen. Hier entstehen die Formulierungsvorschläge, die die Fraktionsversammlung dann als Anfragen, Anträge oder Gesetzentwürfe beschließt. Auch Positionspapiere der Fraktion zu wichtigen Themen werden hier erarbeitet.
„Wir verstehen uns als Ideenwerkstatt“
Interview mit dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Volker Beck
Blickpunkt Bundestag: Wie muss eine Fraktion aufgestellt sein, um optimal arbeiten zu können?
Volker Beck: Das kommt ganz darauf an, ob sie Regierungs- oder Oppositionsfraktion ist. Wir als Oppositionsfraktion wollen jedenfalls innovativ, kreativ und konzeptionell immer vorneweg sein – und als flinke Opposition schnell die Finger in die Wunden legen, die Widersprüche der Koalition hervorheben und von Zeit zu Zeit auch die Koalition auseinander treiben.
Blickpunkt: Was sehen Sie als Ihr Hauptanliegen für diese Wahlperiode an?
Beck: Wir verstehen uns als Ideenwerkstatt, die immer wieder deutlich macht, dass das, was die große Koalition so treibt, nicht ausreicht, um unser Land voranzubringen, etwa bei der Kinderpolitik oder bei der Beschäftigung im Niedriglohnbereich oder bei der ökologischen Innovation unter der Überschrift „weg vom Öl“. Nicht nur konzeptionell, auch personell sind wir dafür durch exzellente Experten hervorragend aufgestellt. Wir sind sozusagen ein Talentschuppen, der überzeugend die Lösungen für die Herausforderungen in Wirtschafts- und Sozialsystemen im Zeichen der Globalisierung und des demografischen Wandels darlegen kann.
Blickpunkt: Stecken Sie als Fraktion mit dem Zwang zu ständigen Entscheidungen nicht in einem ständigen Spannungsverhältnis zu einer betont basisdemokratisch organisierten Partei?
Beck: Das ist ein produktives Spannungsverhältnis. Wir als Fraktion sehen unsere Aufgabe darin, die Diskussion in der Partei immer wieder zu befruchten, indem wir die Diskussionsentwürfe in der Partei auf ihre Realitätstauglichkeit prüfen. Zwischen Fraktion und Partei gibt es kein Verhältnis, wo der eine etwa vorneweg wäre und der andere hintendran. Das ist ein ständiger wechselseitiger Prozess, in dem wir versuchen, die Konzepte der Partei bis in viele kleine Details fortzuschreiben und dann möglicherweise auftauchende Widersprüche zu spiegeln und aufzulösen.
Erschienen am 8. Februar 2006