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INKOGNITO

Bild: Unser Kandidat im Gespräch mit seinem Parteifreund Wolf-Dieter Hasenclever.
Unser Kandidat im Gespräch mit seinem Parteifreund Wolf-Dieter Hasenclever.

Ein bewegtes Leben

In jeder Ausgabe stellen wir jeweils ein Mitglied des Bundestages vor, das in der Geschichte Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt hat. Sein Name wird nicht genannt. Lüften Sie sein Inkognito und gewinnen Sie eine Reise für zwei Personen nach Berlin.

Er war Hitlerjunge, Kommunist, Landarbeiter, Schweißer bei Daimler, Betriebsrat, Mitgründer der Grünen, Bundestagsabgeordneter, schließlich Ehrenhäuptling eines Indianerstammes am Amazonas. Die Stationen seines bewegten Lebens sind gekennzeichnet durch Kampf, Widerspruch, Veränderung und immer durch politisches Handeln für die Mitmenschen.

Unser Kandidat wird 1929 als Sohn eines Deutschen und einer Holländerin in der niederländischen Grenzgemeinde Vaals geboren. Als er acht ist, siedelt die Familie nach Deutschland über, ins Ruhrgebiet. Der Junge begeistert sich für die Nationalsozialisten, trägt das Braunhemd der Hitlerjugend. Doch sein Widerspruchsgeist und sein Gerechtigkeitssinn lassen ihn bald zweifeln. Er wendet sich den Kommunisten zu, tritt 1945 in die KPD ein, die ihm als die einzige glaubwürdige Alternative zum Nationalsozialismus erscheint.

Er arbeitet als Knecht beim Bauern, setzt sich schon in jungen Jahren für seine Kollegen ein und wird als 17-Jähriger ehrenamtlicher Sekretär der Landarbeitergewerkschaft. Auch bei den Kommunisten kommt er voran. Er studiert an der Parteihochschule in Ostberlin, wird zur Schulung von Kadern im Ruhrgebiet eingesetzt. Als das Bundesverfassungsgericht 1956 die KPD verbietet, ist er Mitglied des Parteivorstandes. Er setzt seine politische Arbeit fort, wird deswegen zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Dennoch bleibt er Mitglied der illegalen Partei, die er erst 1969 aus Enttäuschung über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Pragim Jahr zuvor verlässt. Er lebt inzwischen in Stuttgart, wo er das Elektroschweißen erlernte, was ihm 1960 einen der begehrten Arbeitsplätze bei Daimler-Benz eingebracht hat. Als studierter Arbeiter kommt er mit der antiautoritären Studentenbewegung in Berührung. Deren Ideen stehen im Gegensatz zur eher traditionell links ausgerichteten Gewerkschaft. So kommt es Anfang der 70er Jahre zum Konflikt mit der IG Metall, der er 1951 beigetreten war. Der Hochdruckschweißer und gewerkschaftliche Vertrauensmann kandidiert für eine eigene, gewerkschaftskritische Betriebsratsliste. Schauspieler des Stuttgarter Staatstheaters solidarisieren sich, verteilen Flugblätter, was die Oppositionstruppe unter dem Namen „Plakatgruppe“ bundesweit bekannt macht und ihr fast 40 Prozent der Stimmen einbringt. Beim Wahlkampf lernt eine der Schauspielerinnen, Heidemarie Rohwedder, den Anführer der Gruppe näher kennen. Sie heiraten und bekommen 1975 eine Tochter, die sich später im selben Beruf wie ihre Mutter einen großen Namen macht.

Der Vater von inzwischen zwei Töchtern aus insgesamt zwei Ehen beschränkt sich nicht auf seine Betriebsratsarbeit. 1980 gehört er zu den Gründern der Grünen. Drei Jahre später ziehen er und 26 weitere Politikerinnen und Politiker für die junge Partei erstmals in den Bundestag ein. Zwei Jahre später legen fast alle ihr Mandat wieder nieder, die Beschlüsse der Partei zur Rotation erlauben damals nur zwei Jahre Mitgliedschaft im Bundestag. Unser Kandidat geht zurück zu Daimler-Benz, kehrt 1987 in den Bundestag zurück. In der zerrissenen Partei macht er sich nicht nur Freunde, als er zum Beispiel für den Verbleib des vereinigten Deutschlands in der Nato plädiert oder auch schwarz-grüne Bündnisse nicht ausschließt. 1990 wird er nicht wieder aufgestellt. Im November 2001 verlässt er die Partei, nachdem diese dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zugestimmt hat.

Seinen letzten Lebensabschnitt widmet er den Indianern im brasilianischen Regenwald. Drei Monate jährlich hilft er an Ort und Stelle beim Bau von Solar- und Wasserentkeimungsanlagen in den Dörfern, beim Widerstand gegen die Brandrodung. Die Ka'apor-Indianer machen ihn zu ihrem Ehrenhäuptling, die Universität des Bundesstaats Pará verleiht ihm den Ehrendoktortitel. Im Februar 2003 stirbt er in Stuttgart und ist dort auf dem Waldfriedhof begraben.

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Einsendeschluss: 22. März 2006.
Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost. Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach Berlin.

Die Lösung unseres Rätsels in Heft 1/06 lautet: Stefan Heym.
Eine Reise nach Berlin hat Astrid Honikel aus Dortmund gewonnen.


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