Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 04 / 24.01.2005
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Martin Peter

"Wir werden arm sein, aber glücklich"

Fusion Berlin-Brandenburg auf das Jahr 2013 verschoben

Nun hat sich auch der Berliner Senat damit abgefunden, dass in diesem Jahrzehnt nichts mehr aus dem gemeinsamen Bundesland Berlin-Brandenburg wird. "Wenn der Partner nicht kommen mag, sieht es am Traualtar ein bisschen traurig aus", stellt Berliner Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung von Berliner Senat und brandenburgischer Landesregierung unter Vorsitz von Ministerpräsident Matthias Platzeck (ebenfalls SPD) fest. Immerhin hat Platzeck, gegenwärtig auch Präsident des Bundesrates, einen Wunsch: "Ich möchte den dritten Teil meines Lebens sehr gern in einem gemeinsamen Bundesland verbringen." Platzeck ist 51, Wowereit 50 Jahre alt.

Ursprünglich war nach der geplatzten Volksabstimmung im Jahr 1996 (die Berliner stimmten mit 53,4 Prozent für eine Fusion, die Brandenburger aber nur mit 36 Prozent) das Jahr 2006 für eine erneute Abstimmung vorgesehen worden. Hätten dann auch die Brandenburger einem Zusammenschluss der beiden Länder zugestimmt, hätte dieser 2009 Rechtskraft erlangt - mit der Landeshauptstadt Potsdam und einem Ministerpräsidenten und aus Berlin wäre dann eine Stadt mit einem Oberbürgermeister an der Spitze geworden.

Nun haben die beiden Landesregierungen einen neuen Termin ins Auge gefasst, nämlich das Jahr 2013. Danach könnte die notwendige Volksabstimmung im Jahr 2010 erfolgen. Zeitgleich mit der Bundestagswahl. Das hätte den Vorteil, dass die Bürger nicht zweimal zur Wahlurne gerufen würden, was stets einer gewissen Wahlmüdigkeit Vorschub leistet. Drei Jahre später könnte dann das neue Bundesland mit dem Namen Berlin-Brandenburg Rechtskraft erlangen.

Ob Klaus Wowereit Interesse an dem Amt des ersten Ministerpräsidenten von Berlin-Brandenburg hat, ist noch völlig offen. Im kommenden Jahr muss er sich zunächst den Berlinern zur Wiederwahl als Regierender Bürgermeister stellen. Matthias Platzeck muss erst 2009 wieder die Brandenburger um ihre Stimme bitten.

Platzeck hat dem Senat von Berlin noch einmal erläutert, warum man in Brandenburg von dem Zeitplan 2006/2009 abgerückt ist: Alle Umfragen haben ergeben, dass die von den Politikern aller demokratischen Parteien für notwendig erachtete Fusion gegenwärtig in Brandenburg keine Mehrheit findet. Deshalb wäre ein erneutes Nein im Jahr 2006 ziemlich sicher gewesen. Und dieses Nein wäre dann auch das endgültige Nein für einen Zusammenschluss gewesen. Das haben inzwischen auch die Berliner Politiker eingesehen, auch wenn Wowereit von einem Zusammenschluss zum jetzigen Zeitpunkt schwärmt: "Wir werden arm sein, aber glücklich." Ministerpräsident Platzeck hat noch einmal deutlich gemacht, dass man nicht ohne Vorbedingungen an den "Traualtar" treten wird. Vor allem muss Berlin bis dahin seine Schulden im Griff haben, die sich - trotz eisernen Sparens - inzwischen auf 60 Milliarden Euro belaufen. Für das selbst hoch verschuldete Brandenburg einfach zu viel. Berlins Regierender Bürgermeister hingegen hofft auf das Bundesverfassungsgericht, das allerdings wohl erst Ende 2005 über die Klage Berlins entscheiden wird, nach der der Bund verpflichtet werden soll, der Bundeshauptstadt auf mehrere Jahre verteilt 35 Milliarden Euro ihrer Schulden zu übernehmen.

Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht der Berliner Klage gegen den Bund nicht stattgibt? Die Antwort vermag gegenwärtig niemand aus dem rot-roten Senat zu geben. Dann allerdings wird Berlin so sparen müssen, dass es wirklich quietscht, ja weh tut. Das hatte Klaus Wowereit bereits 2002 den Berliner prophezeit. Die Brandenburger wollen, was verständlich ist, für die hohen Schulden Berlins nach einer Fusion nicht haften. Auch wenn die Fusion auf 2013 verschoben worden ist, soll das für die Zusammenarbeit der beiden Länder nicht gleichbedeutend mit Stillstand sein. So werden die bereits bestehenden mehr als 20 Staatsverträge zur Verschmelzung von gemeinsamen Einrichtungen nicht die einzigen bleiben. So werden im Vorgriff auf die Länderfusion die Landesversicherungsanstalten, die Luftfahrtämter und die Statistikämter zusammengeführt. Polizeibeamte des gehobenen Dienstes werden künftig in Oranienburg ausgebildet, die des mittleren Dienstes in Berlin. Um die Schulen beider Länder zu beraten, soll eine gemeinsame "Qualitätsagentur" gebildet werden.

Wichtige Zusammenschlüsse wie die Vereinigung von Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk (ORB) zum Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) sind bereits erfolgt. Auch hat man längst eine gemeinsame Trägergesellschaft für den Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) gegründet, der noch vor der nunmehr ins Auge gefassten Länderfusion in Betrieb genommen werden soll, nämlich 2010 oder 2011.

Vorerst freilich muss Brandenburg, das aus dem "Speckgürtel" um die Bundeshauptstadt erheblichen Nutzen zieht, an Berlin zahlen - bis 2008 insgesamt 38 Millionen Euro für die Tatsache, dass mehr Schüler aus Brandenburg in Berlin zur Schule gehen als umgekehrt. Und ob Ministerpräsident Platzeck seinen Ruhestand im gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg verbringen kann, hängt von der künftigen Entwicklung beider Länder ab. Immerhin wird Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bald schon einmal nach Brandenburg reisen. Genauer gesagt, in die Uckermark. Denn er dortige Landrat hat ihn eingeladen und Wowereit hat dankend angenommen...


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.