Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 04 / 24.01.2005
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Martin Agüera

MEADS vor der Entwicklungsphase

Raketenabwehrsystem mittlerer Reichweite

Das Bundesverteidigungsministerium hofft nach derzeitigen Erkenntnissen, die Vorlage für das trinationale Raketenabwehrsystem mittlerer Reichweite, MEADS, im Februar vom Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages gebilligt zu bekommen. Die Leitung des Ministeriums traf Mitte Januar die Entscheidung, die Vorlage nun in den kommenden Tagen zeitgerecht zunächst dem Finanzministerium und dann dem Haushaltsauschuss zukommen zu lassen. Üblicherweise braucht dieser haushaltsrechtliche Abstimmungsprozess vier bis sechs Wochen. Wie aus dem Verteidigungsministerium verlautete, wäre eine Beschlussfassung über die knapp eine Milliarde Euro umfassende Entwicklungsphase im Februar aus mehreren Gründen sinnvoll.

Zum einen wäre damit die Einhaltung der sechsmonatigen Frist gewahrt, die Deutschland im September von den USA und Italien zur parlamentarischen Befassung ermöglicht wurde. Damals beschlossen Washington und Rom zwar, direkt in die anstehende Entwicklungsphase einzusteigen. Deutschland wurde auf Grund des Haushaltsrechts einen späterer Beitritt zugesagt. Diese Frist endet im März. Zum anderen wäre eine Beschlussfassung gegen Mitte oder Ende Februar aus politischer Sicht äußerst günstig. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einem Besuchsprogramm für das Treffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush am 23. Februar in Mainz. Es ist der erste Besuch Bushs seit den politischen Zerwürfnissen ausgelöst durch den Irak-Krieg.

Auf beiden Seiten des Atlantiks wurde erklärt, eine politische Annäherung werde wieder angestrebt. Die Streitigkeiten, die für eine nie da gewesene Verstimmung in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gesorgt hatten, sollen durch das Treffen endgültig beigelegt werden. Die Symboltracht des MEADS-Programms ist deshalb nicht zu unterschätzen. Als eines der wenigen großen gemeinsamen Rüstungsprogramme mit den USA käme die Billigung der knapp fünf Jahre langen Entwicklungsphase genau recht, um eine erneute Annäherung in den transatlantischen Beziehungen einzuläuten, sagen Branchenexperten. Die Regierung könnte MEADS Präsident Bush sozusagen als Geschenk auf dem "Gastteller" präsentieren, schrieb jüngst der Branchendienst "Griephan Briefe".

Wie aus dem Verteidigungsministerium und dem Bundestag zu vernehmen war, hatte eine jüngst veröffentlichte Studie der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) nicht die positive Grundhaltung der Parlamentarier zum Raketenabwehrsystem MEADS beeinflusst. Kurz vor Weihnachten hatte die HSFK ihre 79-seitige Analyse zum MEADS-Programm der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin hatte der Autor, Bernd Kubbig, die Beschlusslage als unzureichend für eine derzeitigen Eintritt in die Entwicklungsphase des Programms bezeichnet. Die Bundestagsabgeordneten sollten sich laut Kubbig nicht zu einer Entscheidung drängen lassen und mehr Zeit für die Befassung mit dem Thema veranschlagen. Das Verteidigungsministerium bezeichnete diese Aussagen als ein "Nachtreten" Kubbigs.

Der Friedensforscher aus Frankfurt hatte im Laufe des vergangenen Jahres seine Position zu MEADS einer Berichterstattergruppe unter Vorsitz des Abgeordneten Hans-Peter Bartels (SPD) vorgetragen, die sich über ein Jahr mit der Thematik einer bodengebundenen Luftverteidigung auseinandergesetzt hatte. "Dort hat Kubbig seine Argumentation nicht durchbringen können und die Abgeordneten haben durch ihren Abschlussbericht ihre Auffassung der Lage abgegeben. Alles was jetzt folgt, ist der Versuch einer Beeinflussung der Abgeordneten", hieß es aus dem Ministerium.

Kubbig hatte den Abgeordneten vorgeworfen, eine vom Verteidigungsministerium gefertigte Vorlage nahezu identisch als parlamentarischen Abschlussbericht übernommen zu haben. Des weiteren stellte Kubbig die These auf, die Beschaffungskosten des Programms könnten deutlich höher ausfallen als bisher angenommen. Man dürfe "ruhig mit dem drei- oder vierfachen" der heute drei Milliarden Euro geschätzten Kosten rechnen, betonte Kubbig vor Journalisten. Eine Aussage, die Offizielle des Verteidigungsministeriums entzürnte. Derzeit seien solche Aussagen durch die noch nicht begonnene Entwicklung von MEADS nicht legitim. "Um zu wissen, was das Programm endgültig kostet, müssen wir es überhaupt erst entwickeln", so der Kommentar aus dem Verteidigungsministerium. Alle bisher vorliegenden Zahlen seien ordnungsgemäß den Abgeordneten der Berichterstattergruppe vorgelegt und erklärt worden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.