Thierse: Der Deutsche Bundestag trauert um einen großen Demokraten
Berlin: (hib/MIK) "Der Deutsche Bundestag trauert um einen großen Demokraten, einen herausragenden Parlamentarier und einen unverwechselbaren Menschen." Dies betonte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am Mittwochmittag beim Trauerstaatsakt zum Gedenken an den ehemaligen Bundestagspräsidenten Richard Stücklen. Der Verstorbene habe zu jenen Besten aus allen politischen Parteien gehört, die die Demokratie aufgebaut und gefestigt hätten.
Richard Stücklen sei ein überzeugter Demokrat gewesen, nicht zuletzt deshalb, weil er das Ende der Weimarer Republik und den NS-Unrechtsstaat bewusst miterlebt habe, sagte Thierse weiter. Als jüngster Abgeordneter sei er 1949 in den Bundestag gekommen und sei ihm bis Ende 1990 treu geblieben. 1957 sei er unter Konrad Adenauer Minister für Post- und Fernmeldewesen geworden. In dieser Zeit habe er die Handwerksverordnung, die Postleitzahl sowie den Telefon-Selbstwählbetrieb eingeführt. "Was uns heute so selbstverständlich geworden ist, waren damals wegweisende technische und organisatorische Innovation", betonte der Bundestagspräsident. In den Jahren als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU sei er stets ein wichtiger Mittler zwischen den Parteien gewesen. Seine "großen Fähigkeiten als Konsensfinder" seien ihm im Präsidium des Bundestages zugute gekommen, dem er von 1976 bis 1990 angehört habe; zwischen 1979 und 1983 sei er Präsident gewesen. Thierse würdigte Stücklen als einen heimatverbundenen Europäer, einen bodenständigen Franken mit Sinn für ferne Länder und ihre Probleme. Aber sein wichtigstes politisches Anliegen sei stets die Einheit Deutschlands geblieben. Deshalb habe er es auch als Krönung seiner politischen Laufbahn empfunden, 1990 Abgeordneter des ersten deutschen gesamtdeutschen Parlaments zu sein.
"Richard Stücklen hat Geschichte mitgeschrieben. Er gehörte zu den Großen unserer Nachkriegsgeschichte. Er hat an entscheidender Stelle die Aufbaujahre im Grundgesetz, sozialer Marktwirtschaft und Westbindung mitgeprägt", betonte der ehemalige Finanzminister Theo Waigel beim Staatsakt. Als Bundestagspräsident habe er das Grundgesetz nicht unter dem Arm getragen, er hatte es im Kopf. Die Geschäftsordnung habe nicht aufgeschlagen vor ihm gelegen, sondern er habe sie immer instinktsicher angewandt. Nicht nur die Bundespolitik, sondern im gleichen Maße die deutsche Parteiengeschichte trage seine Handschrift. Im Rückblick betrachtet sei er ein Glücksfall für die CSU gewesen. "Er war machtbewusst, durchsetzungsfähig und doch auf Ausgleich und Kompromiss bedacht", sagte Waigel. Als langjähriges Mitglied des Landesvorstandes seiner Partei habe er maßgeblich dazu beigetragen, die CSU zu jener erfolgreichen Volkspartei zu entwickeln, die sie bis heute geblieben sei. Mit Richard Stücklen ist einer der letzten Persönlichkeiten der ersten Stunde von uns gegangen, ein aufrechter Patriot, ein überzeugter Demokrat, ein echter Mittelständler und ein christlich-sozialer Politiker, der sich für seine bayrische Heimat und sein deutsches Vaterland bleibende Verdienste erworben hat", betonte Waigel.