Experten lehnen "antifaschistische Klausel" im Grundgesetz überwiegend ab
Berlin: (hib/HAU) Auf überwiegende Ablehnung der Sachverständigen ist ein Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zur Änderung des Grundgesetzes ( 14/5127) gestoßen. Dies wurde deutlich bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag. Der Gesetzentwurf sieht vor, Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes als Konkretisierung des Friedensgebots des Grundgesetzes um eine gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes gerichtete so genannte "antifaschistische Klausel" zu ergänzen. Dahin gehende Handlungen würden dadurch explizit als verfassungswidrig gelten.
Zuspruch erfuhr der Entwurf durch Professor Martin Kutscha von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin. Die Ergänzung des Grundgesetzes in diesem Sinne wäre ein wichtiger Schritt im Rahmen der rechtlichen Auseinandersetzung mit den aktuellen neonazistischen Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erleichtere das Einschreiten des Staates gegen nationalsozialistische oder neonazistische Bestrebungen. Ähnlich wie seine anwesenden Kollegen sah er die Klausel in Artikel 26 allerdings falsch positioniert. Auch Professor Ulrich Battis von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin bewertete die Aufnahme eines ausdrücklichen Nazismus-Verbotes in das Grundgesetz als "prinzipiell positiv". Fragwürdig sei lediglich die vorgeschlagene Formulierung des "nationalsozialistischen Gedankenguts" im Entwurf. Seiner Meinung nach sollten "Aktivitäten, die geeignet und dazu gedacht sind, die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft zu verherrlichen oder zu verharmlosen", verboten werden.
Professor Christoph Degenhardt von der Universität Leipzig empfand ebenfalls die Formulierung "Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes" als "in erheblichem Maße konkretisierungsbedürftig". Außerdem sehe er es zur Beurteilung der vorgeschlagenen Verfassungsänderung als förderlich an, wenn die zu ihrer Umsetzung notwendigen Ergänzungen des Strafgesetzbuches in das Gesetzgebungsverfahren mit eingebracht würden. Aus inhaltlichen und verfassungssystematischen Gründen abzulehnen ist die Änderung nach Meinung von Professor Christoph Gusy von der Universität Bielefeld. Nach Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes gelte demnach auf der Ebene politischer Diskussion: Die Freiheit der Kommunikation ist der Regelfall, ihre Einschränkung die begründungsbedürftige Ausnahme. Diese sei erst erreicht, wenn nach Artikel 18 vom "Kampf" gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gesprochen werden könne. Hierzu genüge nicht eine politische Ablehnung, vielmehr bedürfe es einer aggressiven kämpferischen Haltung, welche sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten äußert.
Professor Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehnte den Entwurf ab. Das Grundgesetz, so der Experte, wende sich gegen jede Form von Gewaltherrschaft, gleichgültig welchen Zielen sie sich verpflichtet sieht und ob sie "rechts" oder "links" angesiedelt ist. Im Übrigen warnte er vor einer "Überfrachtung" des Grundgesetzes. Er empfahl eine einfachgesetzliche Regelung im Rahmen des Strafgesetzbuches. Dem schloss sich sein Kollege Professor Torsten Stein von der Universität des Saarlandes an. Er hält den Gesetzentwurf für "überflüssig". Auch Professor Heinrich Amadeus Wolff von der Universität München sprach sich gegen den Entwurf und für eine einfachgesetzliche Regelung aus.