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01.12.2000
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Erklärung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zum Welttag der Behinderten

Der Welttag der Behinderten am 3. Dezember sollte Anlass sein, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir - die Gesellschaft und die Politik -behinderten Menschen gegenübertreten.

Dabei geht es nicht nur um den Stand sozialpolitischer Maßnahmen für Behinderte und um die Schritte zur Gleichstellung von Behinderten, wenngleich sich hieran sehr wohl ablesen lässt, wie weit Fürsorge und Versorgung von behinderten Menschen vorangekommen sind.

Ebenso wichtig ist zu fragen, ob schon genug getan wird, damit Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, und ob Hindernisse beseitigt werden, die ihrer Chancengleichheit entgegenstehen.

Behinderte Menschen müssen damit leben, dass sie Barrieren überwinden. Es ist die Aufgabe für uns alle, Barrieren im Denken und Verhalten gegenüber Behinderten zu überwinden.

"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", heißt es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Als der Deutsche Bundestag vor sechs Jahren mit diesem Satz die Verfassung ergänzte, hat er für Politik und Gesellschaft den Auftrag unterstrichen, die Integration von Menschen mit Behinderungen im täglichen Leben, insbesondere im Beruf, voranzubringen. Ein wichtiger Schritt hierbei war das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter. Es hat den Weg frei gemacht für eine aktive Eingliederung vieler tausend Behinderter in Arbeit und Beruf.

Wenn dem Parlament das angekündigte Neunte Buch des Sozialgesetzbuches vorliegt, muss ein wesentliches Kriterium in der Beratung sein, das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in die Wirklichkeit umzusetzen, so wie es das Grundgesetz verlangt. Ein Anliegen des Gesetzesvorhabens ist soziale Gerechtigkeit. Alle sollen teilhaben können am gesellschaftlichen Leben.

Zu den Voraussetzungen für die Integration von Menschen mit Behinderungen in Beruf und Gesellschaft gehört auch die Teilnahme an den Diskussions- und Entscheidungsprozessen, wenn es um die Belange von Behinderten geht.

Die Gründung des Deutschen Behindertenrats vor einem Jahr war dazu ein wichtiger Schritt, weil hier nicht nur ein kraftvoller Vertreter der Interessen behinderter Menschen ein verändertes Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, sondern der Politik auch ein kompetenter Gesprächspartner zur Verfügung steht.

Ich begrüße dies und appelliere an die behinderten Menschen, sich aktiv am ge-sellschaftlichen und politischen Leben zu beteiligen. Wenn behinderte Men-schen sich zu Wort melden, wo es um Details des neuen Sozialgesetzbuches geht, wenn ihre Erfahrungen eingebunden werden bei der Umsetzung der Gesetzesregelungen, dann ist das ein ebenso erfreulicher Schritt zur Überwindung von Barrieren wie das bürgerschaftliche Engagement, das viele von ihnen zeigen, wenn es um Hilfe für Andere geht.

Quelle: http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2000/pz_001201
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