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Debatte
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Wortlaut der Reden

Dr. Burkhard Hirsch, FDP Ortwin Lowack, fraktionslos >>

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, daß wir das dafür passende Symbol wählen. Und das ist Berlin.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Der Kollege Conradi hat ja schon die Antwort auf die Fragen gegeben, die Herr Verheugen nachgereicht hat, nämlich daß Berlin nicht nur eine Anknüpfung an die Vergangenheit ist und sein kann, sondern daß Berlin bedeutet, daß wir uns bei Bejahung der Kontinuität der deutschen Geschichte gleichzeitig zu einem neuen Anfang bekennen. Wir können nicht sagen, in der Bundesrepublik hat die Wiedervereinigung nichts bewirkt. Wir machen so weiter, als ob nur ein paar Quadratkilometer Land und ein paar Millionen arme Verwandte dazugekommen sind, und sonst hat sich nichts verändert. Das ist nicht so.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Wer dem anhängt, wer diesen Glauben verbreitet, der täuscht sich, täuscht sein Publikum und verkennt die politische Aufgabe, die wir vor uns haben.

Es kommt darauf an, die vielen falschen Argumente wegzubekommen. Ich habe mich gewundert, mit welcher Intensität wirtschaftliche Gedanken in den Vordergrund gestellt worden sind. Jede politische Frage hat gravierende wirtschaftliche Konsequenzen, Konsequenzen für Bonn, Konsequenzen für Berlin. Jede andere politische Frage, die wir zu entscheiden haben, hat wirtschaftliche Konsequenzen. Dadurch wird sie aber nicht zu einer wirtschaftlichen Frage, sondern sie muß weiter unter politischen Gesichtspunkten entschieden werden. Wir müssen uns darum bemühen die wirtschaftlichen Folgen tragbar zu machen.

Es denkt auch niemand daran, aus Bonn eine Wüste werden zu lassen. Die Aufgabenteilung ist als Notwendigkeit von allen akzeptiert. Aber wer sich allein auf die wirtschaftlichen Folgen beruft, verweigert im Grunde genommen die politische Antwort auf die eigentliche Hauptstadtfrage.

Es gibt auch Argumente, die einfach ärgerlich sind. Wenn der Bonner Oberbürgermeister, der dauernd davon geredet hat, Bonn übe nur provisorisch eine Hauptstadtfunktion aus -- Herr Pflüger hat das nachgeholt --, das nun zu einem symbolischen Bekenntnis, zu einer Art Nullbuchung umdeutet, die nicht kassenwirksam werden darf,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

dann verkennt er, daß er damit nicht nur die politische Glaubwürdigkeit von Aussagen in Frage stellt, sondern daß er und wir alle natürlich dazu beigetragen haben, Wünsche, Hoffnungen, ein bestimmtes Bild unseres Staates zu erhalten. Ist das nicht mehr wahr? Wie viele Menschen enttäuschen wir in ihrem ernsthaften Glauben an politische Grundaussagen, wenn wir achselzuckend erklären, wir hätten nie geglaubt, beim Wort genommen zu werden? Das kann nicht wahr sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Es gibt auch andere Argumente, die politisch und historisch offenkundig falsch sind. Die Entscheidung, den Parlamentssitz nach Berlin zu verlegen, ist keine Entscheidung für einen Zentralismus. Die alte Reichsverfassung war ein Ausbund an Föderalismus, wie ihn heute niemand mehr wagen würde.

Berlin hat die kulturelle Identität der Städte Hamburg, München, Düsseldorf, Köln, Stuttgart in keiner Weise beeinträchtigt. Wie hätten sie denn unmittelbar nach dem Zusammenbruch mit eigener kultureller Identität ihre Aufgaben wahrnehmen können?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)172

Wahr ist doch aber auch, daß in den 40 Jahren der Bonner Republik die Länder in zunehmendem Maße beklagt haben, in ihren Funktionen eingeschränkt zu werden, weil die Ursache unitarischer Entwicklungen nicht in der Größe der Hauptstadt, sondern in der Tatsache liegt, daß in einem Parteienstaat, in dem wir leben, die Parteien in Bund und Ländern dieselben sind. Darum ist ein Zug zu einer einheitlichen politischen Willensbildung durch Bund und Länder festzustellen. Wir dürfen die eigentlich politisch Verantwortlichen doch nicht durch ein solches Argument aus der Verantwortung entlassen und darauf verzichten, in unserer Verfassung föderale Argumente fest zu verankern.

Nein, die Frage, vor der wir stehen, ist die der historischen Identität und der Wahrheit, nach der wir selbst angetreten sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Es ist nicht die Stadt Bonn oder die Stadt Berlin allein, die demokratische Strukturen nach 1945 aufgebaut hat. Es ist die Bevölkerung in allen Städten und in allen Dörfern unseres Landes gemeinsam gewesen.

Zur Identität Bonns, die Herr Verheugen beschworen hat, gehört in der Bundesrepublik auch das Bewußtsein, daß Bonn ein Provisorium ist. Kern des Selbstverständnisses unseres Staates und vieler Menschen, die sich an ihn gebunden fühlen, war und ist die historische Kontinuität, war und ist der Wunsch, daß dieses Deutschland wieder zu einer staatlichen demokratischen Selbständigkeit gelangt, die von den Machthabern des Dritten Reiches zerschlagen worden war.

Meine Damen und Herren, die Entscheidung, die wir zu treffen haben, sollen und wollen wir nicht auf dem Rücken der Bürger und der Bevölkerung in Bonn treffen. Wir sind ihnen gegenüber und für ihre wirtschaftliche Zukunft verantwortlich. Das ist der Dank, den wir Bonn schulden, nicht aber die Aufgabe des historischen und politischen Zusammenhangs, in dem unser Staat entstanden ist.

Darum sollte das Parlament dorthin zurückkehren, wo es hingehört: in die Hauptstadt Berlin.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ortwin Lowack.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_038
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