Bildwortmarke des Deutschen Bundestages . - Schriftzug und Bundestagsadler
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ  |  Druckversion
 
Startseite > Architektur und Kunst > Bundeshauptstadt Berlin > Berlin-Debatte, Übersicht >
Debatte
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. R. Werner Schuster, SPD Arno Schmidt (Dresden), FDP >>

Bei der abschließenden Abstimmung werde ich -- wie ich es meinen Wählern und Wählerinnen bereits vor Monaten öffentlich angekündigt habe -- für Berlin votieren. Die Gründe hierzu will ich im einzelnen hier nicht darlegen. Ich kann mich da im wesentlichen dem anschließen, was der von mir sehr verehrte Alterspräsident Willy Brandt bereits am 20. Dezember 1990 und heute wieder ausgeführt hat. Nur soviel: Für mich ist Glaubwürdigkeit eine wichtige Sekundärtugend für Politiker.

Nein, ich will einen anderen Gesichtspunkt herausstellen. Mich als nicht mehr ganz jungen Neuling in diesem Bundestag hat die mangelhafte Professionalität bei der Vorbereitung gestört. Wie würden wir als Abgeordnete reagieren, wenn der Vorstand eines Unternehmens aus unseren Wahlkreisen es wagen würde, auf der Basis der uns Abgeordneten zugegangenen Unterlagen eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen? Wir wären zu Recht empört.

Ich habe völliges Verständnis dafür, daß die beiden betroffenen Städte Bonn und Berlin uns mit relativ einseitigen Stellungnahmen -- auch Gutachten genannt -- konfrontieren. Dementsprechend variieren auch die Kostenschätzungen um mehr als den Faktor 2. Ich habe auch Verständnis dafür, daß die betroffenen Personalräte aus der Bonner Region ein flammendes Plädoyer für den Erhalt des Regierungssitzes in Bonn halten. Aber für die »Geschäftsleitung« dieses Großunternehmens Bundestag, Bundesregierung -- und in geringerem Umfang Bundesrat -- ist es doch beschämend, daß erst in allerletzter Minute der Ansatz zu einem systematischen Vergleich von Pro und Contra unternommen wurde, obwohl das zugrunde liegende Problem seit mehr als 12 Monaten -- seit der bewußten Ausklammerung im Einheitsvertrag -- allen damals beteiligten Politikern bekannt war. Hier haben nach meinem Verständnis für verantwortungsvolle Politik vor allem der Ältestenrat als »Geschäftsleitung« des Unternehmens Bundestag und das Bundeskabinett als »Geschäftsleitung« für den gesamten Regierungsapparat versagt. Mit dieser mangelhaften Entscheidungsvorbereitung in eigener Sache bestätigen wir außerdem die Vorurteile unserer WählerInnen von »denen da oben in Bonn«.

Dabei war es wiederum Willy Brandt, der in seiner Rede am 20. Dezember 1990, also vor sechs Monaten, unter anderem den Vorschlag gemacht hat, eine unabhängige Kommission damit zu beauftragen, wie denn eine plausible und funktionierende Kompensation für die beiden Städte aussehen könnte. Mit einer solchen Kommission hätte man auch das Miteinander der beiden Städte leicht organisieren können. Er hatte angeregt, daß der Bundesrechnungshof, der ja bekanntlich in Frankfurt sitzt, den Kostenvergleich überprüfen sollte, und das nicht nur bezogen auf den aktuellen Entscheidungszeitpunkt, sondern über einen, für die betroffenen BürgerInnen viel wichtigeren, längeren Zeitraum. Außerdem hatte er darum gebeten, die Entscheidung nicht ohne Not über das Jahr 1991 hinauszuschieben. Ob er sich damals wirklich die Torschlußpanik der »Organbank« der letzten Wochen -- also zur Jahreshälfte -- vorgestellt hat?

Was machen wir, wenn die heutige Abstimmung so ähnlich ausgeht wie die der Bundes-SPD auf dem Bremer Parteitag? Glaubt irgend jemand von uns ernsthaft, daß dann die Diskussion zu Ende sei? Darum, meine Damen und Herren, wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir heute ein sattes Patt. Das würde uns zwar zweifelsohne heute kritische Anmerkungen in der Öffentlichkeit einbringen, das böte uns aber andererseits die Gelegenheit, unsere Hausaufgaben in den nächsten sechs Monaten systematisch nachzuholen. Wir alle, die Befürworter von Bonn und die von Berlin, hätten dann die Chance, den Menschen in der primär nicht zum Zuge gekommenen Region mit gutem Gewissen in die Augen zu schauen, da wir ihnen dann, ohne in den Geruch des Kungelns kommen zu müssen, realistischere Alternativen anbieten könnten. Wir müßten dann nicht -- wie wohl heute überwiegend -- eine Entscheidung vornehmlich aus dem »Bauch« treffen. Sollten wir diesen Anspruch von Professionalität an uns selbst ohne Not opfern?

Arno Schmidt (Dresden), FDP >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_188
Seitenanfang
Druckversion