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Abgeordneten durch die Sitzungswoche, schaut sich an, wie ein
Gesetz entsteht und hat junge Menschen getroffen, die im Bundestag
arbeiten. Und was macht eigentlich ein Bundestagspräsident und
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Rund 300 ausländische Journalisten berichten für ihre Heimatmedien aus Berlin. Welche Rolle spielt für ihre Arbeit der Bundestag? Was hat sich dabei seit dem Umzug vom Rhein an die Spree verändert? Und wie erleben sie das deutsche Parlament im Vergleich zu jenem ihres Heimatlandes? BLICKPUNKT BUNDESTAG hat den Spanier José Comas, Jahrgang 1944, gefragt. Er ist Berliner Korrespondent der spanischen Tageszeitung EL PAIS.
Blickpunkt Bundestag: Herr Comas, Sie arbeiten als Korrespondent der angesehenen Zeitung Spaniens, „EL PAIS“, in Berlin. Welche Themen aus Deutschland interessieren denn die Menschen in Spanien überhaupt?
José Comas: Ich selbst fand das große Interesse in Spanien an der vorgezogenen Bundestagswahl, der Regierungsbildung und dem Rücktritt von Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender erstaunlich. Das war für mich eine glänzende Zeit. Ich habe fast jeden Tag eine ganze Seite gefüllt. Sehr großes Interesse gibt es auch für die Sozialreformen, die Agenda 2010, die Steuerreform. Darüber berichtet unser Wirtschaftsressort sehr ausführlich. Das liegt natürlich auch daran, dass Spanien ganz ähnliche Probleme hat.
Blickpunkt: Seit wann kennen Sie Deutschland?
Comas: Eine lange Geschichte. Zu Zeiten der Diktatur gab es in Spanien keine Gelegenheit, ernsthaft journalistisch zu arbeiten. Deshalb bin ich nach meinem Studium in Madrid als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung nach Deutschland gekommen. Ich bin im schönen Konstanz hängen geblieben, habe bei Ralf Dahrendorf zwei Semester Soziologie studiert und dann als Lektor für Spanisch mein Geld verdient.
Blickpunkt: Der Tod Francos 1975 brachte das Ende der Diktatur. War das auch für Sie eine Wende?
Comas: Ja, da habe ich angefangen, wieder zu arbeiten. Neue Zeitungen wurden gegründet, eine bot mir an, als Korrespondent zu arbeiten. Man brauchte Journalisten, die unbelastet waren und sich in Deutschland auskannten. Ich ging 1976 nach Bonn, reiste aber in den folgenden Jahren von dort aus oft nach Polen, um über die Streikbewegung unter Führung der Solidarnosc zu berichten. Meine Artikel kamen gut an und ich bekam das Angebot von EL PAIS. Für die habe ich erst aus Bonn, dann insgesamt neun Jahre aus Mexiko City und Buenos Aires über Lateinamerika berichtet.
Blickpunkt: Den Mauerfall haben Sie dann ja verpasst.
Comas: Am 9. November 1989 habe ich in São Paulo in einer Favela, einem Armenviertel, einen linken Priester interviewt. Als ich in die Stadt zurückkam, berichtete mir ein brasilianischer Kollege, er fliege nach Deutschland. Die Mauer sei weg. Für mich aber lag das total fern. Ich hatte nichts mehr mit Deutschland zu tun. So ist das immer bei mir. Ich kümmere mich immer ganz ausschließlich allein um meinen Arbeitsbereich. Alles andere tritt dahinter zurück.
Blickpunkt: Aber einmal machten Sie doch eine Ausnahme ...
Comas: Das stimmt. Am Tag der Wiedervereinigung, am 3. Oktober 1990, da war ich zufällig auf Urlaub in Madrid. Ich sagte mir: Ich muss nach Berlin, unbedingt. Ich habe meiner Zeitung angeboten, nach Berlin zu fliegen und einen Bericht zu schreiben. Aber die hatten dafür schon andere Korrespondenten bestimmt. Ich bin trotzdem geflogen, aus persönlichem Interesse. Am Ende der Feier bin ich durchs Brandenburger Tor gegangen. Ich wollte das persönlich erleben. Dann habe ich darüber doch noch einen Bericht für meine Zeitung geschrieben. Das hat mich sehr glücklich gemacht.
Blickpunkt: Von 1994 bis 1997 waren Sie wieder in Bonn, dann als Berichterstatter auf dem Balkan. Im Mai 2003 sind Sie zum dritten Mal nach Deutschland gekommen. Was ist in Ihrer täglichen Arbeit heute eigentlich anders als damals am Rhein?
Comas: Vor allem komme ich viel seltener aus meinem Büro raus. Bei meinem ersten Deutschlandaufenthalt habe ich noch viele Stunden im Bundestag verbracht. Ich habe mich mit Abgeordneten unterhalten, habe Papiere bekommen. Auch bei den Untersuchungsausschüssen war ich in Bonn häufig. Aber seitdem ich zurück bin, war ich nicht einmal im Plenum. Ich war zwar oben im Dachgartenrestaurant im Reichstagsgebäude, weil ich den Blick von dort aus so schön finde. Da kann man ja auch das Plenum durch die Scheiben sehen. Ich war auch ein paar Mal im Reichstagsgebäude, weil ich zum Beispiel Frau Merkel und Herrn Gerhardt dort interviewt habe. Im Plenum war ich aber nicht, nicht einmal am Tag, als Angela Merkel gewählt wurde.
Blickpunkt:Welche Rolle spielt der Bundestag denn dann für Ihre Arbeit?
Comas: Ich verfolge alle wichtigen Debatten und ich bedauere nur, dass die Protokolle auf der Website des Parlaments so spät kommen. Ich vermisse auch Parlamentarier wie Franz Josef Strauß und Herbert Wehner. Wenn die im Plenum sprachen, dann war das ein Spektakel.
Blickpunkt: Gehen Sie vielleicht auch deswegen gar nicht mehr hin?
Comas: Nein, am Bundestag liegt das nicht, sondern an den neuen Medien. Ich mache heute einfach Phoenix an, und da laufen die ganzen Debatten. Außerdem gibt es alles im Internet. Bei den Koalitionsverhandlungen ist das ähnlich. In Bonn war ich x-mal in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung, wo sich die Verhandlungskommissionen trafen. Hier war ich nicht einmal in der Parlamentarischen Gesellschaft, dem Ort des Geschehens. Es wird ja alles von n-tv, N 24 oder Phoenix serviert. Das heißt: Ich kann viel schneller arbeiten, wenn ich im Büro bleibe. Ich komme mir langsam vor wie ein Sparkassenangestellter.
Blickpunkt: Wenn Sie den Bundestag mit dem spanischen Parlament vergleichen – was für Unterschiede gibt es da?
Comas: Was ich im Vergleich zu meiner Heimat im Deutschen Bundestag vermisse, das ist eine lebendige Befragung der Regierung. In Spanien, wo sie auch immer mittwochs stattfindet, muss der Ministerpräsident selbst auf die Fragen der Opposition antworten.
Hingegen ist in Spanien die Fraktionsdisziplin viel stärker. Es gibt dort keine Möglichkeit für die Abgeordneten, sich ihr zu entziehen. Dagegen gibt es in Deutschland immer wieder welche, die sich der Regierungslinie widersetzen, wie in den 70er Jahren bei der SPD die so genannte Viererbande. Auch in der rot-grünen Koalition gab es Widerstand gegen die Sozialreformen, was auch für unsere Berichterstattung wichtig war.
Interview: Klaus Lantermann
Erschienen am 7. März 2006