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Eben noch das Abi gefeiert, im nächsten Moment schon auf der Abgeordnetenbank. Geht das überhaupt? Klar, auch wenn es nicht die Regel ist. Die vier jüngsten Abgeordneten der vier Bundestagsfraktionen berichten, was ihnen nach ihrer Wahl in den Bundestag widerfuhr.
Meine erste Wahlperiode im Bundestag war eine Art „Schnuppermitgliedschaft“. Denn ich bin erst am 24. Januar 2005 als Abgeordneter nachgerückt.
Trotz der kurzen Zeit: Ich habe einige wichtige Dinge mitgestalten können. Europa stand schon in den letzten Jahren im Mittelpunkt meiner Arbeit. Als neues Mitglied im Europa-Ausschuss wurde ich von den anderen Abgeordneten schnell und freundlich aufgenommen und konnte gleich bei einem wichtigen Projekt „mitmischen“: der Europäischen Verfassung. Natürlich wird man erstmal erdrückt von vielen Detailfragen und juristischen Fachdiskussionen. Doch mir war immer klar, wie wichtig diese Verfassung für das zusammenwachsende Europa ist, in dem meine Generation ja leben wird. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit der Europäischen Verfassung zugestimmt hat.
Genauso wichtig ist das Begleitgesetz zur Verfassung, mit dem die Rechte von Bundestag und Bundesrat in der europäischen Gesetzgebung gestärkt werden. Damit erhalten die nationalen Parlamente mehr Mitsprache in Brüssel und werden sich in Zukunft häufiger mit europäischen Themen beschäftigen müssen. Europapolitik rückt dadurch hoffentlich stärker in den Blickpunkt und wird für die Menschen durchschaubarer.
Momentan ist der Verfassungsprozess gestoppt. Im Interesse meiner Generation hoffe ich, dass der Ratifizierungsprozess bald weitergeht und Europa noch stärker zusammenwächst. Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen.
Lars Klingbeil, Jahrgang 1978, aus Soltau-Fallingbostel. Für die SPD im Januar nachgerückt. www.lars-klingbeil.de
Im Jahr 2002 habe ich für die Grüne Jugend auf der hessischen Liste zur Bundestagswahl kandidiert. Über meine – etwas überraschende Wahl – habe ich mich natürlich sehr gefreut. Der Bundestag ist der richtige Ort, um für meine Ziele zu kämpfen: Für ein geeintes Europa, das uns ein Leben in Frieden und Wohlstand ermöglicht, in dem Ökonomie und Ökologie im Einklang stehen und das soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen für alle ermöglicht.
Meine Kolleginnen und Kollegen haben mich schnell ernst genommen. Eigentlich hatte ich ein wenig „Küken-Mobbing“ erwartet. Anstrengender war der Arbeitsstil. Endlose Sitzungen und zähe Verhandlungen zehrten an meiner Energie. Doch mit der Zeit lernt man, seine Ziele im Auge zu behalten.
Erfolge haben mir Auftrieb gegeben. Im Streit um höhere Rentenbeiträge habe ich einiges für die jüngere Generation erreicht. In den europäischen Verfassungsprozess habe ich viele Vorschläge eingebracht. Im Haushaltsausschuss ist es mir etwa gelungen, mehr Geld für Bildung und Forschung zu erstreiten und Programme gegen Rechtsextremismus zu fördern.
Auch wenn ich viel arbeite – ich möchte nicht als „Politikschnepfe“ enden. Freunde zu treffen, abends ins Kino und in den Club zu gehen, ist für mich wichtig. Sonst würde ich die Freude an der Arbeit verlieren. Und mir würde die Energie fehlen, andere zu begeistern. Denn unsere Gesellschaft können nur wir alle gemeinsam verändern. Ein Sitz im Bundestag ist dafür keine Voraussetzung. Jeder kann Politik mitgestalten. Legt euch mit Politikerinnen und Politikern an – engagiert euch vor Ort!
Anna Lührmann, Jahrgang 1983, aus Hofheim. Im Jahr 2002 für Bündnis 90/Die Grünen jüngste Abgeordnete aller Zeiten. www.anna-luehrmann.de
Glasklar ist: Als neu gewählter Abgeordneter veränderst du nicht gleich die Welt. Schließlich haben die Kolleginnen und Kollegen nicht unbedingt darauf gewartet, dass jetzt Jens Spahn kommt und die Dinge regelt.
Somit hatte ich mir zu Beginn vorgenommen, viel zu lernen und zu erfahren über die Arbeitsweise des Bundestages. Ich habe mich intensiv eingearbeitet in meine Schwerpunkte Gesundheit und soziale Sicherung und Verteidigung – denn nur, wer weiß, wovon er redet, wird ernst genommen, das gilt auch in der Politik. Und nur so konnte ich dann die Richtung der Fraktion in vielen Anträgen und Anfragen erst mal im Kleinen mitbestimmen, unter anderem bei der Drogenpolitik oder dem demographischen Wandel.
Als direkt gewählter Abgeordneter habe ich mir zudem fest vorgenommen, meinen Wahlkreis und seine Bürgerinnen und Bürger mit ganzer Kraft in Berlin zu vertreten. Und da kann man auch als Oppositionspolitiker manchen Erfolg für die Menschen verbuchen. Aus vielen Bürgersprechstunden, Gesprächen mit Bürgermeistern oder Unternehmern erbeben sich unterschiedlichste Themen: Ortsumgehungsstraßen, Ärger mit dem Sozialamt, verweigerte Baugenehmigungen oder auch eine Familienzusammenführung über die Botschaft in Ghana.
Ein grundsätzliches Anliegen war und ist es mir, jungen Menschen zu zeigen, dass man sich erfolgreich einmischen kann, selbst im Deutschen Bundestag. Deswegen habe ich so viele Klassen, Jugendgruppen und Diskussionsrunden von und mit Jugendlichen wie möglich besucht. Denn: Politik hat viele Zuschauer, aber zu wenig Mitspieler.
Jens Spahn, Jahrgang 1980, aus Ahaus. Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. www.jens-spahn.de
Als roter Faden zieht sich ein Grundgedanke durch meine erste Wahlperiode: Wie kann ich durch meine Arbeit der Generationengerechtigkeit mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung verschaffen?
Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich mich vorwiegend im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung engagiert. Hier dreht sich alles um die sozialen Sicherungssysteme (Rente, Gesundheit und Pflege). Die FDP-Bundestagsfraktion hat im Laufe der Legislaturperiode klare Konzepte erarbeitet, in denen auf die gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Generationen geachtet wurde. In der Regel wurden unsere Vorschläge durch die Mehrheit der rot-grünen Koalition abgelehnt.
Des Weiteren schloss ich mich mit einer Reihe von jungen Abgeordneten aus allen vier Fraktionen zusammen. Wir überlegten, wie wir gemeinsam das Thema „Generationengerechtigkeit“ stärker voranbringen könnten. Die stärkste Belastung für künftige Generationen ist die immer rasanter ansteigende Staatsverschuldung, die in Zukunft durch höhere Steuern und Abgaben zu begleichen ist. Dazu erarbeiteten wir eine Gesetzesinitiative, die Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Grundgesetz verankern sollte. Leider konnten wir diesen fraktionsübergreifenden Grundgesetzänderungsantrag nicht mehr in den Bundestag einbringen, da die Ankündigung der Neuwahlen dazwischen kam. Allerdings bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im kommenden Bundestag diese Initiative neu beleben und dann mit großem Engagement vorantreiben werden.
Daniel Bahr, Jahrgang 1976, aus Münster. Der FDP-Politiker ist der Älteste unter den Jüngsten. www.daniel-bahr.de