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In einer Diktatur bestimmt der Diktator, was Recht und Gesetz ist. Mit dem Willen der Bürgerinnen und Bürger hat das kaum etwas zu tun. In einer Demokratie werden die Regeln, an die sich alle halten müssen, vom Parlament beschlossen, das den Willen der Bürgerinnen und Bürger repräsentiert. GLASKLAR hat die Entstehung eines Gesetzes verfolgt - von der Idee bis zur Verkündung.
In einer Diktatur bestimmt der Diktator, was Recht und Gesetz ist. Mit dem Willen der Bürgerinnen und Bürger hat das kaum etwas zu tun. In einer Demokratie hingegen müssen Regierung und Fraktionen für jedes Gesetzesvorhaben in einem genau festgelegten Verfahren Mehrheiten im Parlament finden. Der Weg zu einem neuen Gesetz wirkt auf den ersten Blick etwas kompliziert, denn Sorgfalt und ein fairer Interessenausgleich sind ganz wichtig. Deswegen gilt: Demokratie benötigt Zeit.
In einer Demokratie werden die Regeln, an die sich alle halten müssen, vom Parlament beschlossen, das den Willen der Bürgerinnen und Bürger repräsentiert. In Deutschland ist der Bundestag für die Gesetzgebung verantwortlich, er ist die Legislative – das gesetzgebende Staatsorgan auf der Bundesebene.
Natürlich gibt es bereits viele Gesetze, die unser Zusammenleben regeln. Weil sich aber die Gesellschaft stetig verändert und weiterentwickelt, veralten manche im Laufe der Zeit. Oder es stellt sich heraus, dass sie nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Dann werden sie geändert und an die gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst. Manchmal müssen auch ganz neue Gesetze gemacht werden.
Am besten lässt sich an einem Beispiel erklären, wie ein Gesetz entsteht: Im Jahr 2005 gab es die gesetzliche Regelung zum Führerschein mit 17. Als diese Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im August 2005 in Kraft trat, hatte sie eine lange Reise hinter sich.
Die damaligen Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fassen Anfang 2005 den Beschluss zu einer bundesweit einheitlichen Regelung eines Modellversuchs, der in einigen Bundesländern bereits praktiziert wird. Danach dürfen Jugendliche bereits mit 17 Jahren den Führerschein machen. Voraussetzung: Wenn sie sich ans Steuer setzen, muss ein erfahrener Autofahrer dabei sein. Durch eine solche Regelung sollten junge Autofahrer unter Aufsicht Fahrpraxis sammeln.
Die beiden Fraktionen schreiben einen entsprechenden Gesetzentwurf und bringen ihn im April 2005 in den Bundestag ein. Mitglieder des Bundestages können jederzeit eine solche Gesetzesinitiative starten, wenn mindestens fünf Prozent aller Abgeordneten das Vorhaben unterstützen – also in der Anzahl, die auch für die Bildung einer Fraktion nötig ist. Aber auch die Bundesregierung und der Bundesrat, in dem die Vertreter der Bundesländer sitzen, dürfen Gesetze in den Bundestag einbringen. Auf Parlamentsdeutsch heißt dieses Recht „Initiativrecht“.
Die Fraktionen vereinbaren im Ältestenrat, an welchem Tag der Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt wird. In unserem Fall war es der 21. April 2005. Manchmal findet in dieser so genannten ersten Lesung im Plenum des Bundestages bereits eine Aussprache zu dem Entwurf statt. Oft wird er aber ohne Aussprache direkt an den zuständigen Ausschuss – in unserem Beispiel an den Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen – zur Beratung überwiesen.
Die Fachpolitiker im Ausschuss setzen sich intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinander, tauschen Argumente aus und diskutieren Änderungsvorschläge. Sie laden Experten zu Anhörungen ein, um die Wirkung des Gesetzes besser einschätzen zu können. Anschließend stimmen sie über den Entwurf ab. Ein Ausschuss kann aber kein Gesetz beschließen! Er empfiehlt dem Plenum lediglich, den Entwurf anzunehmen oder abzulehnen. Am Ende seiner Beratungen spricht er in seinem Bericht an das Plenum eine Beschlussempfehlung aus. In unserem Fall empfiehlt der Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen, den Gesetzentwurf zum Führerschein mit 17 anzunehmen. Allerdings schlägt er dem Plenum vor, den Entwurf in einer Reihe von Punkten zu ändern.
Der Bericht des Ausschusses wird an alle Abgeordneten verteilt, bevor es am 17. Juni 2005 in die zweite Lesung im Plenum geht. Befürworter und Gegner können jetzt noch einmal ihre Argumente ins Feld führen, am Ende wird per Handzeichen über den Entwurf abgestimmt. Unmittelbar an die zweite Lesung schließt sich meistens die dritte Lesung und Schlussabstimmung an. Unser Gesetzentwurf schafft es spielend: Er wird mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen, die FDP-Fraktion enthält sich.
Wer aber glaubt, jetzt könne das Gesetz endlich in Kraft treten, der hat die Rechnung ohne den Bundesrat gemacht. In Deutschland sind die 16 Bundesländer durch den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt. Jeder Entwurf wandert nach der Annahme im Bundestag zur Beratung dorthin. Was den Gesetzentwurf zum Führerschein mit 17 angeht, könnte der Bundesrat ihn sogar per Veto verhindern. Zustimmungsgesetze heißen die Gesetzesvorlagen, die nicht zum Gesetz werden können, wenn der Bundesrat seine Zustimmung verweigert. In den Fällen, in denen keine Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, kann er immerhin Einspruch gegen eine Gesetzesvorlage erheben. Solche Gesetze werden daher Einspruchsgesetze genannt. Unser Gesetzentwurf stößt nicht auf Ablehnung: Der Bundesrat lässt ihn am 8. Juli 2005 anstandslos passieren.
Der Gesetzentwurf zum „Begleiteten Fahren mit 17“ wird vom zuständigen Bundesminister und vom Bundeskanzler gegengezeichnet, vom Bundespräsidenten unterzeichnet und am 17. August 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es ist geschafft: Der Führerschein mit 17 ist amtlich, aus dem Entwurf ist geltendes Recht geworden.
Für manche Gesetzentwürfe verläuft die Reise nicht so glatt und ohne Umwege. Denn der Bundesrat kann seine Zustimmung zu einem Gesetz verweigern oder Einspruch erheben. Bevor ein Gesetzentwurf am Votum des Bundesrates scheitert, wird allerdings in der Regel der Vermittlungsausschuss angerufen. Hat der Bundesrat bei einem Einspruchsgesetz Einwände, so muss er sogar den Vermittlungsausschuss anrufen. Bei einem Zustimmungsgesetz haben Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag je einmal die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der Vermittlungsausschuss besteht aus 16 Mitgliedern des Bundestages, gemäß dem Kräfteverhältnis der Fraktionen, und 16 Mitgliedern des Bundesrates (für jedes Bundesland ein Verteter). Gemeinsam versuchen sie, den betreffenden Gesetzentwurf so umzuarbeiten, dass sowohl Bundestag als auch Bundesrat der geänderten Fassung zustimmen können.
Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses wird wieder in den Bundestag eingebracht, der über die geänderte Fassung abstimmt. Wenn der Bundestag den Vorschlag annimmt, ist wieder der Bundesrat am Zug. Er kann dem Vorschlag entweder ebenfalls zustimmen. Dann wird das Gesetz erlassen. Er kann ihn aber auch ablehnen. Im Falle eines Zustimmungsgesetzes ist das Gesetzesvorhaben damit endgültig gescheitert, sofern alle Möglichkeiten der beteiligten Organe, den Vermittlungsausschuss anzurufen, ausgeschöpft wurden.
Handelt es sich dagegen um ein Einspruchsgesetz, kann der Bundestag in einer weiteren Abstimmung das Votum des Bundesrates überstimmen. Wenn die Länderkammer mit einfacher Mehrheit Einspruch erhoben hat, kann die Mehr heit der Abgeordneten des Bundestages diesen Einspruch abweisen. Hat der Bundesrat mit zwei Drittel Mehrheit Einspruch erhoben, ist ein ebenso großer Stimmanteil im Bundestag nötig, um das Gesetz durchzusetzen. Überstimmt der Bundestag den Bundesrat, tritt das Gesetz trotz des Einspruchs in Kraft.
Die Stationen eines Gesetzentwurfs im Internet:
www.bundestag.de/bic/gesgeb