Politiker beider Länder konstatierten den großen Reformbedarf sowohl der Renten- als auch der Krankenversicherung. Dieser werde vor allem durch den demografischen Wandel sowie durch die hohe Arbeitslosigkeit in beiden Ländern verursacht. Einigkeit herrschte auch weitgehend darüber, dass trotz der französischen Rentenreform vom August letzten Jahres und der in Deutschland zum 1. Januar in Kraft getretenen Gesundheitsreform weitere Veränderungen unumgänglich sind.
Während die französische Seite die Überlegung äußerte, die Arbeitszeit zu verlängern, wies der Ausschussvorsitzende Klaus Kirschner (SPD) auf die Bemühungen hin, ältere Arbeitnehmer am Erwerbsleben zu beteiligen. Genauso wie die französische Seite strenge sich die Bundesrepublik an, die Sozialversicherung nicht zu einem Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit werden zu lassen. Daher sei es von großer Bedeutung, dass nach der Gesundheitsreform nun die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beiträge senken. Der französische Ausschussvorsitzende Jean-Michel Dubernard erläuterte die französische Diskussionen über eine Gesundheitsreform, die dem Land bevorstehe. Die mit einem "großen Konsens" verabschiedete Reform in der Bundesrepublik zeuge von "großer politischer Reife", so Dubernard. Für Frankreich wäre es schon ein Erfolg, die Beitragssätze der Krankenversicherung zu stabilisieren. Ähnlich wie in der Bundesrepublik werde darüber diskutiert, die Eigenverantwortung zu stärken, Praxisgebühren einzuführen und vor allem die Verschreibung von Arzneimitteln sinnvoller zu gestalten.
Für Jean-Marie Le Guen war die Rentenreform in Frankreich nicht umfassend genug. Spätestens 2008 werde es unumgänglich sein, die Probleme erneut anzugehen. Paris bemühe sich ähnlich wie das Nachbarland darum, die Beschäftigungsfähigkeit der älteren Personen zu erhöhen. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, dass dies nicht zu Lasten derer gehe, die nicht arbeiten könnten.
"Noch dramatischer als in Frankreich"
Andreas Storm (CDU/CSU) sieht die Lage in der Bundesrepublik noch dramatischer als in Frankreich. Dies liege an der niedrigeren Geburtenrate und den höheren lohnbezogenen Sozialabgaben. Daher stünden die deutschen Sozialversicherungssysteme vor einem "Paradigmenwechsel". Die Bundesrepublik stehe vor ähnlichen dramatischen Veränderungen der Altersversorgung sowie des Gesundheitswesens wie in den 50er-Jahren. Yves Bur schlug den Kollegen aus dem Gesundheits- und Sozialausschuss des Bundestages vor, im Kampf gegen den Tabakmissbrauch gemeinsame Sache zu machen. Es mache keinen Sinn, unterschiedliche Preise für eine Packung Zigaretten beizubehalten. Dies führe insbesondere in den Grenzregionen zu großen Problemen. Wolfgang Wodarg von der SPD kann sich vorstellen, im Rahmen der Europäischen Union stärker zusammenzuarbeiten. So könne es gelingen, das Vorgehen bei der Tabaksteuer zu harmonisieren und die Entwicklung einer europäischen Gesundheitskarte voranzutreiben.