Verbraucherschutz. Scharf kritisiert haben Vertreter der deutschen Ernährungs- und Süßwarenindustrie sowie der Werbewirtschaft bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft am 9. Februar von der EU-Kommission vorgelegte Verordnungsentwürfe. Es geht dabei um nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Rats-Dok. Nr. 11646/03) und um den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (Rats-Dok. Nr. 14842/03). Mit der erstgenannten Verordnung sollen allgemeine Grundsätze für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln in der EU festgelegt sowie der Verbraucher vor irreführender Werbung geschützt werden.
So sollen nichtüberprüfbare Angaben zum allgemeinen Wohlbefinden künftig verboten sein. Um irreführende Nährwertangaben zu verhindern, werden zudem genaue Bedingungen für die Verwendung von Begriffen wie "fettreduziert", "zuckerarm" und so weiter festgelegt. Auf unumstrittenen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende gesundheitsbezogene Angaben sollen in eine "Positivliste" aufgenommen und Werbebotschaften mit spezifischen Gesundheitsversprechen durch die EU-Kommission ausdrücklich genehmigt werden. Die zweite Verordnung sieht unter anderem EU-einheitliche Regelungen zum freiwilligen Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu Lebensmitteln vor.
Paradigmenwechsel
Für die Vertreter des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie verstößt die geplante Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben gegen Gemeinschaftsrecht, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in Rechte der werbenden Firmen beinhalte und darüber hinaus in unzulässiger Weise die Informationsrechte der Verbraucher beschränke.
Der ZAW monierte zudem, es müssten auch bislang uneingeschränkt erlaubte gesundheitsbezogene Aussagen künftig einem überaus bürokratischen Zulassungsverfahren unterworfen werden. Der damit verbundene Aufwand überfordere insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen. Nach Ansicht des BDSI stellen die Verordnungsvorschläge einen Paradigmenwechsel von einer nachträglichen staatlichen Kontrolle nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben hin zu einer Kombination weitgehender Verbote sowie der Verpflichtung dar, gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich erst mit einem aufwändigen Verfahren genehmigen zu lassen.
Der Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie trat dafür ein, die geplante Einführung von so genannten Nährwertprofilen, die Lebensmittel in positiver Weise aufweisen müssten, um künftig noch nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen tragen zu dürfen, ersatzlos zu streichen, da deren Nutzen ernährungswissenschaftlich nicht hinreichend abgesichert sei.
Angela Bardenhewer-Rating, Mitglied im Kabinett von EU-Kommissar Byrne, verteidigte dagegen die vorliegenden Verordnungsvorschläge und mahnte statt der nur in Deutschland vorherrschenden Pauschalab-lehnung konstruktive Änderungsanträge an, für die die EU-Kommission offen sei. Es gehe nicht darum, bestimmte Produkte vollkommen zu verbieten. Produkte mit hohem Fett-, Salz- oder Zuckergehalt sollten lediglich nicht mit angeblich gesundheitsförderlichen Botschaften beworben werden können. Zudem wies sie darauf hin, dass von dem mehrere Monate in Anspruch nehmenden Zulassungsverfahren nur ein geringer Prozentsatz der Werbeangaben betroffen sei. Dabei handele es sich um krankheitsreduzierende Angaben, die früher vollkommen verboten gewesen seien.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte die Absicht der EU-Kommission, die Regelungen für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel zu harmonisieren. Entgegen der Kritik der Werbe- und Süßwarenindustrie solle die Bundesregierung bei den Verhandlungen im Rat und im Europäischen Parlament an den vorgesehenen Nährstoffprofilen festhalten und auf die Nichtzulässigkeit von speziellen, nur auf Kinder ausgerichteten Angaben hinwirken.
Nach Ansicht von Professor Joerg M. Diehl (Universität Gießen) können nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben das Ess- und Trinkverhalten nur wenig beeinflussen. Trotz des eingeschränkten Wirkungspotenzials hielt er jedoch die Verordnungsentwürfe für sinnvoll, um mögliche Irreführungen der Verbraucher künftig zu verhindern. Professor Günther Wolfram (Technische Universität München) wies darauf hin, dass eine zusätzliche Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen zu unerwünschten Nebenwirkungen führen könne. pot