Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 07-08 / 16.02.2004
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Volker Müller

Dieses Jahr soll besser werden

Schlagabtausch im Deutschen Bundestag zum Jahreswirtschaftsbericht
"Das vor uns liegende Jahr wird besser als das hinter uns liegende." Mit diesen Worten hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am 12. Februar die Aussprache im Bundestag über den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung eröffnet. Clements Beitrag war davon geprägt, Optimismus und Reformeifer zu verbreiten, ohne euphorisch zu sein. Für Unionssprecher Friedrich Merz war die Rede daher in erster Linie an Clements eigene Fraktion und Partei gerichtet. Der Minister nutzte die Tarifeinigung in der baden-württembergischen Metallindustrie in der vorangegangenen Nacht dazu, diese als Beweis für die Bereitschaft der IG Metall und der Arbeitnehmer zu mehr Flexibilität darzustellen. Sie sei ein glänzender Einstieg in dieses Jahr des "wirtschaftlichen Wiederaufstiegs für Deutschland".

Clement unterstrich, dass Deutschland die "rote Wachstumslaterne" in Europa los geworden sei. Der eingeschlagene Kurs stimme. Der Umbau der sozialen Sicherungsysteme sei noch in vollem Gange. Nun gehe es darum, psychologisch die Weichen für einen lang anhaltenden Aufschwung zu stellen. "Der Anstieg kommt langsam, aber er kommt", resümierte der Minister. Merz hielt Clement vor, er sei in der Einschätzung der Lage zu optimistisch gewesen. Dies sei "ein Stück Täuschung und auch ein Stück Selbsttäuschung über die Bedingungen für einen möglichen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland". Zwar werde die Bundesrepublik in diesem Jahr voraussichtlich die rote Laterne in Europa abgeben. Sie sei aber weit davon entfernt, auch nur den Durchschnitt der Wachstumsraten der übrigen EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. 27 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte seien für ein 82-Millionen-Einwohner-Volk zu wenig. Es habe zwar 452.000 Unternehmensgründungen im Jahr 2003 gegeben, doch seien davon fast 250.000 staatlich gefördert gewesen, betonte der Unionspolitiker. Im Übrigen bezweifelte er, dass eine Ausbildungsplatzabgabe die Situation auf dem Lehrstellenmarkt verbessern kann.

Der SPD-Abgeordnete Ludwig Stiegler bezifferte dagegen die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Deutschland auf mehr als 38 Millionen, während es zu Zeiten der Regierung Kohl meist nur 37 Millionen oder weniger gewesen seien. 75 Prozent der Insolvenzen seien hausgemacht und damit ein Problem der jeweiligen Unternehmer. Zur Ausbildungsplatzabgabe sagte Stiegler, kein junger Mensch dürfe die Schule ohne Ausbildung verlassen: "Wir dürfen nicht verlorene Jahrgänge und Menschen in Warteschleifen zulassen." Eine generelle Stundenlohnsenkung um 30 Prozent könne nicht das Ziel sein. "Wir wollen ein Hochlohnland bleiben", bekräftigte der Sozialdemokrat. Es könne nicht sein, dass die Manager nach amerikanischen und die Arbeitnehmer nach chinesischen Maßstäben bezahlt werden.

Rainer Brüderle (FDP) vermisste im Jahreswirtschaftsbericht Vorschläge, wie die Ziele der Regierung umgesetzt werden könnten. Ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept sei nicht zu erkennen. Das zu erwartende "Miniwachstum" werde von der Weltkonjunktur geliehen, Grün-Rot gebe sich mit den Brosamen der Weltwirtschaft zufrieden. Die Ausbildungsplatzabgabe bezeichnete der Liberale als die "Praxisgebühr für den Mittelstand". Sie sei teuer, bürokratisch und bringe nichts. Brüderle vermutete, dass die Regierung Schröder/Clement jetzt "Erfüllungsgehilfe sozialdemokratischer Rückwärtsrollen" werde und nannte dazu die Schlagworte Ausbildungsplatzabgabe, Erbschaftsteuererhöhung und Bürgerversicherung.

Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) vertrat demgegenüber die Ansicht, dass solche "heißen Eisen" angefasst werden müssten. Auch drehte er den Spieß gegen die Opposition, als er sagte, es gebe zur Zeit in keinem politischen Sachbereich eine Übereinstimmung zwischen CDU und CSU. Als Beispiele nannte er den Einkommensteuertarif, die Mehrwertsteuererhöhung, den Subventionsabbau und die Gesundheitspolitik. Die wichtigste Herausforderung sei jedoch die ökologische Modernisierung. Sie biete beste Chancen für die deutsche Volkswirtschaft, um Wettbewerbsvorteile zu erringen. Die Ökosteuer habe gezeigt, wie viel man damit bewirken könne.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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