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Nr. 10 / 01.03.2004
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Dominic Johnson

Afrika rückt ins internationale Blickfeld

Neue Situation beim Krieg gegen den Terror
Es war ein zweifelhaftes Kompliment, das US-Militärstratege Vincent Kern seinem Publikum aus 120 hochrangigen afrikanischen Militärs zollte. "Afrika ist reif für den Terror", sagte der Pentagon-Beamte auf einem Seminar für Führungskräfte beim Washingtoner Afrika-Zentrum für Strategische Studien am 10. Februar 2004. Daher wollten die USA jetzt Afrika helfen. "Wir müssen Afrika aus der Sicherheitsperspektive betrachten", führte Pentagon-Staatssekretär Paul Wolfowitz in seinem Beitrag aus.

Afrika als Front im Krieg gegen den Terror - das ist eine Adelung des Kontinents in einer Zeit, wo die Bedeutung von Staaten und Regionen vor allem militärisch gemessen wird.

Seit die US-Regierung in ihrer neuen Sicherheitsstrategie, die in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 erstellt wurde, schwache und nicht starke Staaten als wichtigste Bedrohung für den Weltfrieden definierte, rückt Afrika ins Blickfeld der internationalen Politik. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte bei seiner ersten Afrikareise im Januar dieses Jahres die sicherheitspolitische Bedeutung des Kontinents und unterstrich dies durch Vereinbarungen mit Kenia in der Geheimdienstkooperation und der Eröffnung eines deutsch-finanzierten und geleiteten Trainingszentrums für afrikanische Eingreiftruppen in Ghana.

Im Mittelpunkt des sicherheitspolitischen Interesses liegt allerdings das Horn von Afrika, wohl die Region mit den instabilsten Gesellschaften, zugleich den meisten Waffen auf dem Kontinent. Zwei Länder gelten als Risikofaktoren für den Westen: Der Sudan, wo seit 1989 ein zeitweise stark von Islamisten beeinflusstes Militärregime herrscht, und Somalia, wo es seit 1991 keinen funktionierenden Zentralstaat mehr gibt.

Der 11. September ist hier nicht das wichtigste Datum. Schon 1993 schlugen somalische Milizen mit islamistischer Unterstützung eine US-Eingreiftruppe in Somalia in die Flucht. 1995 verübten Terroristen in Äthiopien einen erfolglosen Anschlag auf den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. 1998 sprengten radikale Islamisten, die sich in Somalia zusammengetan hatten, die US-Botschaften in Kenia und Tansania in die Luft; 224 Menschen starben. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan im November 2001 warnte die US-Regierung, der flüchtige Al-Qaida-Führer Ussama Bin Laden - der schon einmal im Sudan gelebt hatte - könnte sich in Somalia verstecken, und setzte Planungen für ein Eingreifen in Gang.

Den befürchteten US-Einmarsch in Somalia gab es nicht - stattdessen wurde 2002 der Kleinstaat Dschibuti, strategisch günstig an der Einfahrt zum Roten Meer gelegen, Ausgangspunkt einer multinationalen Militäroperation zur Überwachung der Seewege. 2003 eröffneten die USA in Dschibuti, bereits mit rund 2.500 französischen Soldaten Stützpunkt der größten europäischen Militärkonzentration in Afrika, ihre erste eigene ständige Militärbasis auf dem Kontinent mit 1.800 Mann. Deutschland, das zeitweise die Überwachungsmission kommandierte und Marinesoldaten auch im kenianischen Mombasa stationiert hielt, beteiligt sich daran heute mit einer Fregatte und zwei Bordhubschraubern. "Einsatzgebiet ist das südliche Rote Meer, der Golf von Aden und die Gewässer entlang der Küste Somalias", heißt es in der offiziellen Mitteilung der Bundesregierung dazu - immerhin ein mehrere tausend Kilometer langer Seebereich.

Eine UN-Expertenkommission legte im November 2003 einen vernichtenden Bericht über Somalia als Drehscheibe des unkontrollierten Waffenhandels in der Region und als Rückzugsgebiet für mutmaßliche Terroristen vor. Detailliert wurde aufgeführt, wie sich Urheber von Anschlägen zwischen Somalia und Kenia hin- und herbewegten und wie leicht es ist, Kriegsmaterial zu verschieben.

In Reaktion darauf setzte UN-Generalsekretär Kofi Annan im Januar eine neue Kommission ein, um den Waffenschmuggel rund um Somalia zu überwachen. Keine leichte Aufgabe: Seit Jahrzehnten vagabundieren am Horn und insgesamt in Ostafrika gigantische Mengen an Rüstungsmaterial herum. In den 70er und 80er Jahren hatten sich Äthiopien und Somalia abwechselnd und gegeneinander von den USA und der Sowjetunion aufrüsten lassen, und seit die beiden Regierungen 1991 und 1992 von Rebellen gestürzt wurden, bedienen diese Arsenale einen unerschöpflichen Markt: Die Kriege zwischen somalischen Warlords; der verheerende Grenzkrieg zwischen Eritrea und Äthiopien, die 2002 vorläufig per Waffenstillstand eingefrorene, aber nicht beendete Rebellion des Südsudan gegen Sudans Zentralregierung; die 2003 deutlich erstarkte Terrorkampagne von Rebellen im Norden Ugandas gegen die Zivilbevölkerung; die ausufernde Kriminalität in Kenia zusammen mit den immer mörderischeren Viehraubzügen nomadisierender Völker in Kenia und Uganda - ganz zu schweigen von den viel blutigeren Konflikten in Ruanda, Burundi und Kongo, die ohne Waffenschmuggel vom Horn von Afrika, Munitionsnachschub aus ostafrikanischen Fabriken und Rohstoffschmuggel wohl etwas weniger mörderisch ausgefallen wären, und Rebellionen im Westen des Sudan, wo sich die Konflikte des Landes mit Problemen im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik bündeln.

Internationale Befriedungsversuche für all dies waren immer kurzatmig und punktuell. Es gibt eine UN-Blauhelm-Mission an der äthiopisch-eritreischen Grenze, aber den politischen Zwist über den Grenzverlauf kann sie nicht schlichten. Es gibt von den USA ermutigte Friedensgespräche zwischen Sudans Regierung und Südsudans Rebellen, aber eine Frist zum Friedensschluss nach der anderen verstreicht, und der eskalierende Krieg im Westsudan überschattet bereits den Frieden im Süden. In Somalia hinterließ die internationale Militärintervention, die USA und UNO Ende 1992 mit Pauken und Trompeten als Ouvertüre einer "neuen Weltordnung" starteten und 1995 kleinlaut beendeten, nicht das geringste positive Ergebnis.

Seit Jahren verhandeln Somalias Warlords in kenianischen Hotels über eine neue Friedensordnung, was zumindest den Teilnehmern angenehme Lebensverhältnisse auf unbestimmte Zeit sichert. Ihre neueste Vereinbarung vom 29. Januar 2004, als die Kriegsherren eine neue Prozedur zur Einrichtung eines somalischen Übergangsparlaments ohne Zeitplan festlegten, wurde von der UNO als Durchbruch gefeiert - und eine Woche später war sie wieder hinfällig, als 18 der 40 Unterzeichner verkündeten, sie hätten das von ihnen unterschriebene Dokument jetzt gelesen, und da stünde etwas anderes drin, als man ihnen zum Zeitpunkt ihrer Unterschrift gesagt hatte. Eine weitere Dimension der somalischen Krise wird überhaupt nicht international verhandelt: der Norden Somalias bildet seit über zehn Jahren als Republik Somaliland einen eigenen Staat, den jedoch niemand auf der Welt anerkennt, obwohl er der einzige funktionierende Staat auf somalischem Territorium ist.

Wenn schon die offizielle Politik am Horn von Afrika das Verständnisvermögen der internationalen Gemeinschaft überfordert, verwundert es nicht, dass die sozialen Probleme der Region völlig unbeachtet vor sich hinschmoren. Aus Äthiopien und Somalia wird ein sprunghafter Anstieg des Drogenanbaus gemeldet. Grund: der Verfall der Kaffeepreise in Äthiopien und der Würgegriff der Warlords in Somalia. Zwölf Millionen Menschen in der Region gelten akut von Hunger bedroht. Mit radikalem Islam oder Bin Laden hat dies nichts zu tun, aber es ist der Grund für die Instabilität, die die Militärs von USA und EU aus Dschibuti heraus im Namen der internationalen Terrorbekämpfung einzudämmen versuchen. Wenn die Probleme falsch analysiert werden, kann auch das Eingreifen keine langfristige Besserung bewirken. Das zeigte sich im Dezember, als 49 US-Marines in die ostkenianische Provinzhauptstadt Garissa einzogen, wo die Mehrheit der Bevölkerung aus Somalis besteht, und als vertrauensbildende Maßnahme kostenlose medizinische Versorgung anboten. Die Clanführer der Stadt lehnten ab: Medizinische check-ups mit vorgehaltenem Gewehr seien erniedrigend; die Anwesenheit der US-Soldaten könnte die Bevölkerung zur Zielscheibe bewaffneter Islamisten machen; für das Gesundheitswesen sei die eigene Regierung zuständig und keine fremde Armee. "Reif für den Terror" - in der Diagnose sind sich US-Amerikaner und Afrikaner einig. Aber was die Kur angeht, finden sie nicht zueinander.

Dominic Johnson ist Afrika-Spezialist der Berliner Tageszeitung taz.


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