Der Emissionshandel ist ein Geschäft mit Verschmutzungsrechten. Auf den ersten Blick mutet dieses Prinzip wie der mittelalterliche Ablass an: Wer ein "Sünderzertifikat" erwirbt, kann sich vom bösen Tun freikaufen. Abwegig ist dieser Vergleich keineswegs. Indes zielt die heutige Lizenz zum Ausstoß von Kohlendioxid-Tonnen nicht auf die Erlösung vom Fegefeuer im Jenseits, sondern auf die Läuterung der Missetäter im Diesseits. Wer viele Schadstoffe produzieren will, muss für dieses Recht tief in die Tasche greifen, wird mit Geldentzug "bestraft" - und wer wenig Dreck in die Luft schleudert, wird mit einem Bonus "belohnt", der obendrein noch von den Übeltätern zu berappen ist. So sollen Anreize geschaffen werden, in umweltfreundliche Techniken zu investieren und Resourcen wie Kohle, Öl oder Erdgas möglichst sparsam zu verbrauchen: eine Rechnung, die jedenfalls dann aufgeht, wenn die Kosten für die Erneuerung der Produktionsmethoden niedriger sind als die Ausgaben für den Kauf von Zertifikaten.
Stunde Null am 1. Januar 2005
Läuft alles nach Plan, markiert der 1. Januar 2005 mit dem Start des Emissionshandels eine historische Stunde Null. Zu diesem Zeitpunkt verfügen betroffene Kraftwerke und Industrieunternehmen jeweils über eine bestimmte Zahl von ihnen zugeteilten Verschmutzungslizenzen: Diese Dokumente legen fest, wieviel Tonnen Kohlendioxid ein Betrieb in die Umwelt abgeben darf. Emittiert eine Firma fürderhin weniger Schadstoffe dieser Art, so darf sie die "überflüssigen" Zertifikate gewinnbringend an Unternehmen veräußern, die mehr Kohlendioxid ausstoßen als vorgegeben. Geschieht Letzteres ohne zuvor erworbene Lizenz, so werden Strafzahlungen fällig - in den ersten drei Jahren 40 Euro, danach 100 Euro je Tonne. Kauf und Verkauf von Emissionszertifikaten laufen wie an der Börse nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage ab, jede Tonne Kohlendioxid hat also ihren Preis.
Als "Börsenaufsicht" oder als "Zentralbank" soll in der Bundesrepublik die beim Umweltbundesamt angesiedelte Deutsche Emissionshandelsstelle fungieren. Diese Einrichtung soll die Ausgabe der überwiegend kostenlosen Erstlizenzen für die Stunde Null vornehmen und ansonsten den Überblick wahren und alles unter Kontrolle halten: Wo zirkulieren die Zertifikate, wie sehen die Salden der Firmen- und Branchenkonten aus, bei wem werden Bußgelder fällig?
Den Erfindern des Emissionshandels gilt dieses Modell als geniale Methode, um mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu geringen Kosten den Klimaschutz voranzutreiben - Ökonomie und Ökologie sozusagen Hand in Hand. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Idee freilich als Kombination von staatlicher Plan- und sich selbst regulierender Marktwirtschaft. Der Staat - die EU und deren Mitgliedsländer - nämlich legt das Gesamtvolumen der Lizenzen und damit den erlaubten Kohlendioxidausstoß fest. Diese Schadstoffabgabe soll im Interesse der Umwelt stetig sinken, weswegen sich auch die Zahl der Verschmutzungszertifikate mit der Zeit reduziert - die mithin teurer werden. Der marktwirtschaftliche Effekt: Das Recht zur Umweltbelastung durch Kohlendioxid mutiert zum immer knapper werdenden Gut mit steigendem Preis.
Kyoto-Protokoll
Seinen Ursprung hat der Emissionshandel im Kyoto-Protokoll der UNO von 1997 - als eine Strategie unter anderen beim Kampf gegen die Klimazerstörung. Als Klimakiller wurden Kohlendioxid, Methan, FCKW und Lachgas identifiziert. Zu dem künstlich verursachten Treibhauseffekt steuert das Kohlendioxid fast zwei Drittel bei. Diese von Natur aus in der Atmosphäre vorhandene Substanz absorbiert die von der Erde abstrahlende Wärme und hält sie zurück. Die Kohlendioxid-Emissionen durch die heutige Industrie rund um den Globus haben den Anteil des Gases nun derart hochschnellen lassen, dass immer mehr Wärme in den unteren Schichten der Atmosphäre verbleibt - mit der Folge ansteigender Temperaturen, eben der Klimakatastrophe. Von 2008 an können die EU-Staaten auch andere Treibhausgase in den Emissionshandel einbeziehen.
Politisch handelt es sich beim anlaufenden Emissionshandel um die Umsetzung eines eigentlich gar nicht existierenden internationalen Vertrags. Bislang steht das Kyoto-Protokoll schließlich nur auf dem Papier. Das Abkommen tritt erst in Kraft, wenn mindestens 55 Unterzeichnerstaaten, die zusammen für weltweit mindestens 55 Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich sind, diese Übereinkunft ratifiziert haben. Dies haben zwar bereits über 110 Nationen getan, die allerdings im globalen Rahmen nur 44 Prozent dieser Schadstofflasten verursachen. Die USA, die immerhin rund ein Drittel beisteuern, stehen Kyoto ablehnend gegenüber. Auch Russland mit gut 17 Prozent verweigert bisher eine Ratifizierung des Vertrags, und es ist nicht abzusehen, ob Moskau dies noch ins Auge fasst. Die Mitgliedsländer der EU tun nun freiwillig den ersten Schritt, womit sie international ein Zeichen setzen.
Der Emissionshandel als ökologisch korrektes Ablassgeschäft sollte Umweltminister Jürgen Trittin im Übrigen nicht zu waghalsigen historischen Analogien verleiten. Dem grünen Politiker ist jedenfalls nicht anzuraten, als moderner Tetzel über die Lande zu ziehen und Erlösungszertifikate in Sachen Klimagift zu verscherbeln. Tetzel galt im Mittelalter als Prototyp des Ablasshändlers: Er wusste auf besonders raffinierte Weise den Leuten zwecks Sündentilgung das Geld für Ablassbriefe aus der Tasche zu ziehen. Dieses Gebaren ging vielen Zeitgenossen irgendwann über die Hutschnur, und nicht zuletzt deswegen brach ein gewisser Luther die Reformation vom Zaun. Das tat dem Ablasshandel gar nicht gut.