Nach der Aufnahme der zehn neuen EU-Staaten am 1. Mai dieses Jahres wird es nach Auffassung der EU-Kommission nicht zu dem vielfach befürchteten Massenzustrom an billigen Arbeitskräften in die bisherigen EU-Länder kommen. Nur rund ein Prozent der Bevölkerung der zehn neuen Mitgliedstaaten werde sich in den kommenden fünf Jahren auf den Weg in die alte EU machen, heißt es in einer in Brüssel vorgelegten Studie. Das wären etwa 220.000 Menschen, die sich zudem auf 15 Länder verteilen.
Deshalb sei auch nicht mit einer übermäßigen Belastung der Sozialsysteme in den bisherigen Mitgliedstaaten zu rechnen, stellt die Studie fest, die auf einer repräsentativen Umfrage in den Beitrittsländern fußt. Dass es angesichts der angespannten Wirtschaftslage in Westeuropa schwer ist, beruflich Fuß zu fassen, hat sich offenbar herumgesprochen. So könnten die Wanderungswilligen sogar höchst willkommen sein. "Der potentielle Abwanderer ist jung, verfügt über einen Studienabschluss oder studiert noch, ist alleinstehend und hat keine unterhaltsberechtigten Angehörigen", lautet die Profilbeschreibung derjenigen, die sich auf den Weg in den Westen machen könnten. Tendenziell seien immer mehr von ihnen weiblich. Die Herausforderung für die alten Mitgliedstaaten werde deshalb nicht in der Unterstützung zahlreicher arbeitsloser Zuwanderer bestehen. Vielmehr bestehe die Aufgabe darin, für eine große Zahl von Studienplatzbewerbern Platz zu schaffen oder bereits qualifizierte Arbeitskräfte nutzbringend für beide Seiten einzusetzten.
Ängste sind unbegründet
Wie schon bei der Aufnahme von Spanien und Portugal 1986 sieht sich die Kommission durch die Studie erneut bestätigt: "Die Ängste vor einer großen Zuwanderungswelle sind unbegründet", stellte die amtierende EU-Sozialkommissarin Margot Wallström in Brüssel fest. Vielmehr erwarte die alten Mitgliedstaaten ein dringend benötigter Input an hochqualifizierten Arbeitskräften, die aktiv zur Wirtschaftsentwicklung beitragen könnten. Zahlreiche EU-Länder hatten zuletzt gesetzliche Hürden für mögliche Zuwanderer aus den am 1. Mai beitretenden Ländern aufgebaut. Unausgesprochen blieb die Schlussfolgerung, dass sie sich damit selbst schaden könnten.
So seien aus Spanien im Jahr 1970 noch 200.000 Menschen in die damalige Europäische Gemeinschaft abgewandert, stellt die Kommission fest. Nach dem spanischen Beitritt waren es durchschnittlich nur noch zwischen 2.000 und 3.000 pro Jahr. Die von der Kommission für die Erweiterung errechtete Migrationswelle entspricht zudem den innerhalb der EU üblichen Wanderungsbewegungen: Durchschnittlich würden hier jedes Jahr 1,5 Prozent der Bevölkerung in eine andere Region oder ein anderes Land der Union ziehen.