Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 15-16 / 05.04.2004
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Bermadette Schweda

Ausbildungsplatzumlage kommt

Regierung und Opposition werfen sich gegenseitig Versagen vor
"Wer nicht genug ausbildet, soll zahlen" - so lautet im Kern die Botschaft des rot-grünen Gesetzenwurfes, den der Bundestag am 1. April in der ersten Lesung beraten hat. Die Union und die Liberalen sprachen sich vehement gegen die Einführung der auch in den Reihen der Koalition umstrittenen Ausbildungsplatzumlage aus und kritisierten das Vorhaben als ein "bürokratisches Monster", das zur Vernichtung von Ausbildungsplätzen führen werde, statt Perspektiven für die junge Generation zu schaffen. Redner von SPD und den Grünen verteidigten hingegen das Projekt, mit dem sie die Lücke auf dem Lehrstellenmarkt schließen wollen. Unterstützung fanden die Pläne der Regierung auch bei den PDS-Abgeordneten.

In der zeitweise sehr emotional geführten Debatte forderte die Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) die Wirtschaft auf, ihrer Pflicht zur Ausbildung nachzukommen. Andernfalls verspiele sie nicht nur die Zukunftschancen der jungen Menschen, sondern auch ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit. Die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen sei "keine Wohltätigkeitsveranstaltung", sondern Pflicht, betonte auch der SPD-Bildungsexperte Jörg Tauss.

In den Augen der Bildungsministerin ist die Situation auf dem Lehrstellenmarkt besorgniserregend. Die Zahl der Lehrstellen und abgeschlossenen Ausbildungsplatzverträge sinke seit Jahren kontinuierlich, so Bulmahn. Inzwischen werde jede neunte Lehrstelle aus Steuergeldern gefördert. Dies sei eine "schleichende Verstaatlichung der Ausbildung". Das geplante Gesetz sehe daher einen Vorrang für die betriebliche Ausbildung vor, "gerade, weil wir keine Verstaatlichung wollen". Zugleich kritisierte die Ministerin die Opposition, keine konkreten Vorschläge auf den Tisch zu legen. Immer nur "nein" zu sagen sei eine "billige Politik". Die Regierung verfolge mit ihren Plänen hingegen das Ziel, dass "kein junger Mensch von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit geschickt" werde.

Zuvor warf der Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz der Regierung vor, mit der Umlage auf eine dauerhafte Verstaatlichung der beruflichen Bildung hinzusteuern. Damit werde das duale Ausbildungssystem endgültig "zu Grabe getragen" und die Zahl der Lehrstellen weiter sinken, so Merz. Für die Ausbildungsplatzmisere machte er die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Koalition verantwortlich. Er wies dabei auf die "Insolvenzwelle" der vergangenen Jahre hin. Dies sei eine wesentliche Ursache für den Lehrstellenmangel und nicht die Unternehmer, denen es an Patriotismus fehlt. Merz äußerte zudem verfassungsrechtliche Bedenken, ob das Gesetz überhaupt zulässig sei.

Die Grünen-Wirtschaftsexpertin Thea Dückert warf der Union ihrerseits "einen kollektiven Gedächtnisschund" vor. Die Zahl der Ausbildungsplätze gehe bereits seit 1992 zurück, weil sich die großen Betriebe aus der Verantwortung zurückzögen. Es wäre zwar besser, wenn die Wirtschaft von sich aus handeln würde. Bis jetzt hätte sie jedoch nur leere Versprechungen geliefert. Dückert wies zugleich den Vorwurf der Opposition zurück, die Umlage sei eine "Strafsteuer". Es werde nicht abkassiert: "Das Geld der Wirtschaft wird in der Wirtschaft bleiben."

Für die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper ist das geplante Gesetz "eine Katastrophe", die den Mittelstand in den Ruin treiben und die Ausbildungsplätze vernichten werde. Zudem müsse für die Umlage eine Mammutbehörde mit zusätzlichen 110 Beamten geschaffen werden. Das sei ein fragwürdiger Beitrag zur Innovationsoffensive der Regierung. "Mit der Zwangsabgabe ist keinem geholfen, aber allen geschadet", kritisierte auch die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche. Ebenso wies den Vorwurf Bulmahns zurück, die Opposition hätte keine konkreten Lösungen angeboten. Die Vorschläge lägen der Regierung vor.

Das Gesetzentwurf sieht vor, dass bis Ende September 15 Prozent mehr freie Ausbildungsstellen als lehrstellensuchende Bewerber zur Verfügung stehen müssen. Andernfalls sollen Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten mit einer Ausbildungsquote von unter sieben Prozent in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Mit dem Geld sollen zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden und Betriebe unterstützt werden, die mehr ausbilden als gesetzlich vorgeschrieben.

Debattendokumentation auf den Seiten 17 - 20, weiterer Bericht auf Seite 14


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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