Das schaffte der Portugiese in Rekordzeit. Zwei Wochen früher als erwartet stellte er am 11. August sein "Kabinett" der Öffentlichkeit vor. Damit haben die neuen Kommissare mehr Zeit, sich im Schnellverfahren intensiv auf ihre neuen Ämter vorzubereiten. Denn bereits im September folgt für jede einzelne Kommissarin und jeden Kommissar die schwierige Hürde der intensiven Befragungen durch das Europäische Parlament. Erst wenn daraufhin die Europaabgeordneten der Kommission als Ganzes ihr Vertrauen aussprechen, kann die neue Brüsseler Mannschaft ihre Arbeit am 1. November 2004 aufnehmen.
Spezielle Wünsche der Großen
Bei der Verteilung der Arbeitsbereiche konnte Barroso nur bedingt auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Die fünf zusätzlichen Kommissare machten ebenso eine weitgehende Neuaufteilung der Ressorts notwendig wie die sich abzeichnenden veränderten Zuständigkeiten der EU mit Blick auf die Europäische Verfassung. Um das Puzzle noch zu erschweren, standen immer noch Forderungen von Regierungen nach speziellen Wünschen im Raum, wie die aus Berlin nach einem möglichst durch Verheugen zu besetzendem neuen Amt eines Superkommissars für Wirtschaft und Industriepolitik oder dem französischen Wunsch nach einer Art "Wirtschaftsregierung" für die zwölf Länder des Euroraums.
Erleichtert wurde Barroso die Aufgabe dadurch, dass es den künftigen Brüsseler Spitzenpolitikern nicht an ausreichender Qualifikation und Erfahrung mangelte. Während mit dem Deutschen Günter Verheugen, der Luxemburgerin Viviane Reding und der Schwedin Margot Wallström drei künftige Kommissare schon unter Vorgänger Prodi arbeiteten und im Umgang mit dem fast 15.000 Bedienstete zählenden Beamtenapparat Erfahrung einbringen können, hat mehr als die Hälfte der Neuen bereits in der Heimat hohe Regierungsämter, vom Ministerpräsidenten über Außen- und Finanzminister bis hin zu Verkehrs- und Landwirtschaftsministern, bekleidet.
Einen Erfolg hatte Barroso schon vorab verbuchen können: Seine Forderung, mindestens ein Drittel der Kommissare sollte aus weiblichen Mitgliedern bestehen, konnte er in den Gesprächen mit den Regierungen mit acht Frauen durchsetzen. Auch wenn der neue Kommissionspräsident sich schon vor seiner Wahl durch das Europaparlament klar gegen einen Superkommissar ausgesprochen hatte, so kam er den großen Mitgliedstaaten dennoch etwas entgegen. Die Kommissare aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien wurden jeweils Vizepräsidenten, dazu noch die Schwedin Wallström und der Este Kallas, um deren Zuständigkeiten für die institutionellen Beziehungen sowie die Betrugsbekämpfung Bedeutung zu verleihen.
Darüber aber erhielten drei der Großen nicht gerade herausragende Bereiche. So ging das Transportwesen an den Franzosen Barrot, das für Innen- und Rechtspolitik an den Italiener Buttiglione sowie das für Unternehmen und Industrie an Verheugen. Letzteres war zwar das Wunschressort aus Berliner Sicht, wurde aber derart beschnitten, dass es dem Deutschen nur dadurch schmackhafter gemacht wurde, in dem ihm eine gewisse Koordinierungsfunktion in Wirtschaftsfragen zugebilligt wurde, jedoch ohne jedes Weisungsrecht. Besser schnitt nur der energische Brite Mandelson ab, dem die Außenhandelspolitik zugesprochen wurde, der in der Endrunde der gegenwärtigen Verhandlungen in der Welthandelskonferenz (WTO) noch zusätzliche Bedeutung zukommt.
Wichtige Ressorts für die Kleinen
Dagegen erhielten Vertreter der kleinen Länder besonders wichtige Ressorts, allen voran die Niederländerin Kroes-Smit mit dem Amt der Wettbewerbskommissarin und der bisherige irischen Finanzminister McCreevy mit der Binnenmarktszuständigkeit. Als Kommissarin für den weiterhin stark reformbedürftigen Landwirtschaftssektor hatte sich die bisherige dänische Agrarministerin Fischer Boel empfohlen. Sie hat sich in Kopenhagen als Managerin eines schwierigen Bereichs bewährt und bewiesen, dass sie als frühere Unternehmerin auch über den Tellerrand ihrer unmittelbaren Zuständigkeit blicken kann.
Jetzt kommt es darauf an, welchen Eindruck die neuen Kommissare im Europäischen Parlament hinterlassen. Doch auch dabei kann es zu Fehleinschätzungen kommen. Vor fünf Jahres war der Franzose Pascal Lamy der größte Wackelkandidat, den die Christdemokraten am liebsten ersetzt gesehen hätten. Er entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Kommissare, der sogar die Widerstände seines eigenen Landes gegen die Neuordnung der Welthandelsregeln als auch die der USA gegen die Position Brüssels überwand. Der Erfolg schützte ihn aber nicht davor, wegen seines sozialistischen Stallgeruchs von der konservativen Regierung in Paris nicht wieder für Brüssel vorgeschlagen zu werden.