Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 35-36 / 23.08.2004
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Erik Spemann

Zweite Chance für Hohlmeier?

Bayerns Opposition denkt an Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Zunächst war es nur um Machenschaften innerhalb der traditionell zerstrittenen Münchner CSU gegangen. Deren - inzwischen bisherige - Bezirksvorsitzende Monika Hohlmeier, Bayerns Kultusministerin und Tochter des früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, war vor einem Jahr angetreten, um die Querelen zu beenden und für einen Neuanfang zu sorgen. Statt dessen eskalierte die Angelegenheit zu einer ausgewachsenen Affäre, die die bisherige Spitzenpolitikerin der CSU bereits ihr Parteiamt gekostet hat und nach Forderung der Opposition auch noch ihren Rücktritt als Ministerin zur Folge haben soll. Kommt es nicht dazu bis Ende September, wollen SPD und Grüne mit einem Untersuchungsausschuss nachhelfen.

Die seit Wochen die Schlagzeilen beherrschende Geschichte ist äußerst komplex. Ausgangspunkt war ein Coup von Jungpolitikern bei Vorstandswahlen im Münchner CSU-Ortsverband Perlach, die trickreich den Chef der Münchner Rathaus-CSU, Hans Podiuk, als CSU-Kreischef stürzten. Dabei kam es zu heimlichen Neuaufnahmen gekaufter Parteimitglieder, und selbst vor gefälschten Anträgen wurde nicht Halt gemacht. Das Münchner Amtsgericht verurteilte inzwischen fünf der Beteiligten zu Geldstrafen und bezeichnete einen CSU-Landtagsabgeordneten als "Drahtzieher" der Aktion.

Hohlmeier, die das innerparteiliche Chaos beseitigen sollte, stand plötzlich mitten drin, als sie von zwei der Verurteilten beschuldigt wurde, den Sturz von CSU-Kreischef Podiuk gebilligt zu haben. Nach einer Aussage soll sie sogar von den satzungswidrigen Mitgliederkäufen gewusst haben. Die Ministerin wies diese Vorwürfe zwar entrüstet zurück, doch innerhalb der CSU wurde die Kritik an ihrer zögerlichen Aufarbeitung der Münchner Affäre immer massiver. Im Juli musste sie als Bezirksvorsitzende zurücktreten. Als ihr Nachfolger soll im September Otmar Bernhard, Fraktionsvize der Landtags-CSU, gewählt werden.

Doch Hohlmeier sorgte für neue Schlagzeilen, als ihr Vorstandsmitglieder der Münchner CSU vorwarfen, sie habe ihnen bei einer turbulenten Sitzung mit der Enthüllung von angeblich kompromittierendem Material gedroht. Ein Sitzungsteilnehmer berichtete, dass sie bei der Auseinandersetzung einen grünen Klarsicht-Schnellhefter mit mindestens 20 Seiten auf den Tisch gelegt und dazu sinngemäß gesagt habe: "So, gegen jeden von euch hab ich was." Vehement bestritt Hohlmeier aber, dass sie die Vorstandskollegen mit einem Dossier erpressen wollte, und erklärte: "Ich habe noch nie jemandem bedroht in meinem Leben."

Die Opposition verlangte Hohlmeiers Rücktritt als Ministerin, innerhalb der CSU zeigte man sich bestürzt. Der ehemalige CSU-Staatssekretär Erich Riedl sprach von einer "lebensbedrohlichen Situation" der Münchner CSU.

In dem unfreiwilligen politischem Sommertheater rechneten selbst Kabinettskollegen und große Teile der CSU-Landtagsfraktion mit dem Sturz der Kultusministerin und machten sich bereits Gedanken über die Nachfolge. Da erklärte sich Hohlmeier schließlich zu einer Entschuldigung bei den Vorstandskollegen bereit, die sich von ihr erpresst gefühlt hatten. Stoiber hatte sie heftig dazu drängen müssen, wurde bekannt.

Doch es gab keine Verschnaufpause für die Strauß-Tochter, weil gleichzeitig bekannt wurde, dass sie Beamte ihres Ministeriums für Parteizwecke eingespannt hatte. Die Opposition wollte das genauer wissen und schickte der Ministerin einen umfangreichen Fragenkatalog zu einer möglichen Verquickung zwischen Staatsaufgaben und Parteiinteressen zu. In einer 37-seitigen Antwort räumte Hohlmeier ein, dass einzelne Beamte sie auch bei parteipolitischen Aufgaben unterstützt hätten. Es habe sich aber um "erlaubte Nebentätigkeit" und "ehrenamtliches Engagement" gehandelt, und dem bayerischen Staat sei dadurch kein Schaden entstanden. Weiter kündigte die Ministerin an, dass sie die Zahl der "prophylaktisch erteilten und nicht ausgeübten" Nebentätigkeitsgenehmigungen für Beamte ihres Hauses erheblich einschränken werde. Es hieß daraufhin, Stoiber habe seiner strauchelnden Ministerin eine zweite Chance gegeben. Doch Recherchen des "Münchner Merkur" führten jetzt zu einem neuen Fragenkomplex. Danach wurden Zuschüsse des Kultusminsteriums für die Erweiterung eines privaten Sehbehindertenzentrums in Unterschleißheim bei München, wo Hohlmeiers Ehemann zum stellvertretenden Direktor ernannt worden war, annährend verdoppelt, nachdem es zu einer Kostensteigerung von 1,7 auf 8,5 Millionen Euro gekommen war. Dem Ministerium zufolge ist alles korrekt abgewickelt worden.

Doch damit geben sich SPD und Grüne nicht zufrieden und arbeiten weiter auf den Sturz der Ministerin hin. SPD-Fraktionschef Franz Maget meinte, Hohlmeier habe auf ihrem Konto eine "ganze Reihe schwerer Fehler und Versäumnisse angehäuft", von der Mitverantwortung von kriminellen Machenschaften in der Münchner CSU bis zur versuchten Erpressung. Die massive Förderung des Sehbehindertenzentrums werfe weitere Fragen auf.

So bleibt das politische Schicksal von Kultusministerin Hohlmeier vorerst ungewiss. CSU-Chef Stoiber jedenfalls drängt auf Bereinigung. Auf seinen Druck hin erklärte in der vergangenen Woche der Vorstand der Münchner CSU seinen Rücktritt. Ein Sonderparteitag am 17. September soll einen Neuanfang bringen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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