"AIDS in Afrika" - im Fokus der politischen Experten. Hier die Statements der entwicklungspolitischen Sprecher der vier Bundestagsfraktionen:
SPD
Die UN-AIDS-Konferenz in Bangkok hat das Scheitern der nicht abgestimmten und unzulänglichen Hilfeleistungen und das Ignorieren des schnellen Verbreitungsgrades von HIV/AIDS angeprangert. Reichen die Beweise, der hilflose Aufschrei von weltweit mehr als 38 Millionen HIV-Infizierten denn nicht aus? Die Steigerungsraten sind alarmierend: 2003 infizierten sich weitere 4,8 Millionen Menschen - davon die Hälfte zwischen 15 und 24 Jahren alt. HIV/AIDS ist damit zur größten Bedrohung menschlicher Entwicklung und zum größten Unsicherheitsfaktor weltweit geworden. Wir brauchen endlich die Mehrheiten für die Erkenntnis, dass ohne eine weltweite Allianz gegen Armut und Hunger in der Welt, Sicherheit, Frieden und Wohlstand keinen Bestand haben werden. Es grenzt an unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Betroffenen durch Prävention, Aufklärung, Behandlung und Betreuung zu unterstützen. Das Wichtigste ist, dass die Welt nicht weiter die Augen verschließt, sondern bezahlbare anti-retrovirale Medikamente flächendeckend zur Verfügung gestellt werden, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frauen anerkannt wird und dass Männer den Griff zum Kondom nicht als überflüssig, sondern als verantwortungsvoll begreifen. Karin Kortmann, SPD-Bundestagsfraktion
CDU/CSU
Die rasante Ausbreitung von HIV/AIDS in Afrika hat eine radikale Veränderung afrikanischer Gesellschaften zur Folge. Knapp acht Prozent der Erwachsenengeneration in Sub-Sahara-Afrika ist mit dem Virus infiziert. Schätzungen gehen bereits von zwölf Millionen AIDSwaisen aus. Ganz abgesehen von dem damit verbundenen unermesslichen menschlichen Leid, wird HIV/AIDS die soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung Afrikas massiv beeinträchtigen. Mit dem frühzeitigen Ableben eines immer größer werdenden Anteils der Erwachsenengeneration wackeln die Fundamente afrikanischer Gesellschaften: Wissen, Expertise und Tradition gehen verloren; Ausbildungssysteme und traditionelle soziale Sicherungssysteme zerbrechen. Damit einher geht auch der Verlust von Staatlichkeit. Afrika wird daher durch HIV/AIDS noch anfälliger und instabiler werden. Unter diesen Voraussetzungen muss unsere Politik gegenüber Afrika neu überdacht werden. Die Weltgemeinschaft steht nicht nur in der Verantwortung, zielorientierte Hilfe zu leisten, sondern diese auch international besser zu koordinieren.
Christian Ruck, CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen
AIDS ist wieder auf dem Vormarsch. Die internationale Gemeinschaft hat im Kampf gegen diese Pandemie versagt und dies jüngst auf der Konferenz in Bangkok auch zugegeben. Nun müssen dem Schuldbekenntnis Taten folgen: deutlich mehr Mittel für Aufklärung, Prävention und Behandlung sowie für die Entwicklung von Impfstoffen! Gefordert sind auch die Pharmaunternehmen. Sie müssen mehr tun, um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten zu öffnen. Notwendig ist auch die Entwicklung von AIDS-Medikamenten zur Behandlung von Kindern. In Südafrika ist AIDS zum Glück kein Tabu-Thema mehr. Aber in vielen anderen stark betroffenen Ländern gibt es noch immer Scham-Barrieren, die eine effektive Prävention verhindern. Hier sind besonders die Religionsgemeinschaften gefordert, sich der Herausforderung zu stellen.
Thilo Hoppe, Bundestagsfraktion von Bündnis 90/
Die Grünen
FDP
HIV/AIDS ist die größte Gefahr für die Menschen im 21. Jahrhundert. Selbst der US-Außenminister Powell nannte HIV/AIDS gefährlicher noch als den internationalen Terror. HIV/AIDS ist ein wesentlicher Armutsfaktor. Ohne den Sieg über HIV/AIDS kann keines der Millenniumsziele erreicht werden. 38 Millionen Menschen weltweit sind mit dem HI-Virus infiziert; im vergangenen Jahr gab es eine dramatische Zunahme von fünf Millionen Neuinfektionen. Wenn wir im Kampf gegen diese Krankheit unsere Verantwortung wahrnehmen wollen, müssen wir die Mittel für den Kampf gegen HIV/AIDS von derzeit 300 Millionen Euro jährlich um 100 Millionen Euro aufstocken. Von dieser Aufstockung muss ein wesentlicher Beitrag dem "Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria" zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen uns wesentlich stärker als bisher in bilateralen Projekten zur Behandlung von HIV-/AIDS-Kranken engagieren und auch ein stärkerer Ausbau von Projekten im Private Public Partnership (PPP) ist notwendig. Vor allem weil PPP-Projekte sich nicht nur als nachhaltig und erfolgreich erwiesen haben, sondern durch die Kooperation mit der Wirtschaft auch Steuergelder eingespart werden können.
Ulrich Heinrich, FDP-Bundestagsfraktion