Für rund 51 Prozent der Wähler stand nach einer Infratest-dimap-Analyse die Kommunalpolitik im Zentrum der Entscheidung. Lediglich für ein Drittel der nordrhein-westfälischen Wähler war die Bundespolitik - vor allem die umstrittene Hartz IV Gesetzgebung - ausschlaggebend. Die Landespolitik war sogar nur für 15 Prozent bestimmend. Nach Auffassung des Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen waren die NRW-Kommunalwahlen zudem eine "extreme Persönlichkeitswahl". Damit wird jeder Versuch, den Urnengang an Rhein und Weser als Probelauf für die Landtagswahl im Mai 2005 zu deuten, zu einem höchst riskanten Wagnis.
Mit einiger Sicherheit lässt sich also allenfalls sagen, dass die Chancen der Union unter bestimmten Voraussetzungen für eine Machtübernahme zusammen mit der FPD bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr weiterhin gut sind. Gleichzeitig kommen Beobachter zu dem Schluss, dass Rot-Grün an Rhein und Ruhr noch nicht aus dem Rennen ist. Nach Auffassung von Wahlforschern nutzt ein gutes Kommunalwahlergebnis allenfalls dazu, die eigenen Mitglieder für weitere anstehende Wahlen zu motivieren.
Vielleicht war das der Grund, warum sich am Wahlabend Vertreter aller Parteien das Ergebnis schön redeten, auch, wenn sie nach Lage der Fakten keinen Grund dazu hatten. Der CDU-Partei- und Fraktionschef Jürgen Rüttgers betonte, seine Partei sei weiterhin "stärkste politische Kraft" und habe die "strategische Mehrheit" im Land verteidigt. Im Mai 2005 sei "Schluss mit Steinbrück und Rot-Grün". SPD-Parteischaf und Landesarbeitsminister Harald Schartau sah die politische Trendwende eingeleitet. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück räumte immerhin ein, dass das Ergebnis nicht ganz so sei, wie er es sich gewünscht hätte. Für die Grünen, die hinzugewonnen hatten - wenn auch viel weniger als erwartet -, sprach Landeschef Frithjof Schmidt von einem "Superergebnis". Und FDP-Landeschef Andreas Pinkwart sah eine schwarz-gelbe Koalition als Ergebnis der Wahlen im kommenden Mai ein gutes Stück näher gerückt.
Erst die vom statistischen Wahlamt veröffentlichten Zahlen rückten die Euphorie der vielen Sieger wieder zurecht. Danach hat die CDU trotz deutlicher Verluste erneut ihre Position als stärkste Kraft im Land verteidigt. Allerdings sank ihr Stimmenanteil von 50,3 Prozent im Jahr 1999 auf jetzt 43,4 Prozent. Damit musste sie die vor fünf Jahren in einem sensationellen Wahlerfolg erzielte knappe absolute Mehrheit wieder abgeben. In Stimmen ausgedrückt, wählten 502.000 weniger Bürger die Union. Die Sozialdemokraten verloren gegenüber der vergangenen Kommunalwahl noch einmal 2,2 Prozentpunkte und rutschten von 33,9 auf 31,7 Prozent. Das ist ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung des Bundeslandes 1946. 162.000 Wähler versagten ihr die Stimme. Das bedeutet, dass beide große Volksparteien beim Urnengang verloren haben.
Die kleinen Parteien legten hingegen verhältnismäßig deutlich zu. Die Grünen verbesserten sich von
7,3 auf 10,3 Prozent. In absoluten Zahlen gerechnet macht das ein Plus von 226.000 Stimmen. Die FDP kletterte von 4,3 auf 6,8 Prozent, das sind 185.000 zusätzliche Stimmen. Rechtsradikale Parteien spielten bis auf einige wenige Ausnahmen keine Rolle. Die PDS blieb landesweit unter der Zwei-Prozent-Marke.
Nur in sechs Großstädten gelang es den Amtsinhabern und erneuten Oberbürgermeisterkandidaten, bereits im ersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit bei der Direktwahl zu holen. Das waren die Sozialdemokraten Jürgen Linden in Aachen, Bärbel Dieckmann in Bonn und Klaus-Heinrich Wehling in Oberhausen. Für die CDU schafften es Joachim Erwin in Düsseldorf, Franz Haug in Solingen und Thomas Hunsteger-Petermann in Hamm.
Insgesamt stehen am 10. Oktober mehr als 90 Stichwahlen an. In 15 Großstädten und fünf Kreisen müssen die Kandidaten in die zweite Runde. Spannend wird es in einigen Ruhrgebietsstädten, wo die SPD insgesamt bei der letzten Kommunalwahl verlorenes Terrain wieder gut gemacht hat. In Gelsenkirchen muss sich der CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke, der 1999 überraschend OB wurde, diesmal seinem SPD-Konkurrenten Frank Baranowski stellen. Er hat dabei nur eine hauchdünne Mehrheit von 1,2 Prozentpunkten. Auch in Hagen liegt der SPD-Kandidat nur knapp zurück. Umgekehrt will die CDU der SPD das OB-Amt in Duisburg abnehmen.
In Köln, der mit gut einer Million Einwohnern größten Stadt Nordrhein-Westfalens, hat die CDU einen massiven Einbruch erlitten. Sie verlor 12,5 Prozent und sank damit von 45,2 im Jahr 1999 auf jetzt 32,7 Prozent. Die Grünen steigerten sich nur leicht von 15,7 auf 16,6 Prozent. Offenbar haben die Wähler der Grünen das Zusammengehen mit der skandalumwitterten CDU abgestraft. Damit haben beide Parteien keine ausreichende Mehrheit für eine Fortsetzung ihrer Koalition. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) stand selber nicht zur Wahl, da er den Posten nach dem frühen Tod von Harry Blum übernahm und bis 2009 im Amt ist. Das schwarz-grüne Experiment unter seiner Führung ist damit aber zu Ende. Die SPD konnte nach Steueraffären mit einer jungen Mannschaft das Ergebnis leicht von 30,3 auf 31 Prozent erhöhen. Die FDP steigerte sich von 4,1 auf 7,4 Prozent. Erschreckenderweise schaffte die als rechtsextrem eingestufte Gruppierung "Pro Köln" aus dem Stand 4,7 Prozent.
Die Wahlbeteiligung betrug 54,5 Prozent und war damit 0,5 Prozent geringer als bei den letzten Kommunalwahlen. Wahlberechtigt waren damit 13.946.398 Menschen, von denen lediglich 7.596.062 zur Wahl gingen. Die meisten Wahlberechtigten, nämlich 62,4 Prozent, fanden im Kreis Coesfeld im Münsterland den Weg zu den Wahlurnen. Die geringste Wahlbeteiligung gab es in Mönchengladbach mit 45,2 Prozent.