Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 52-53 / 20.12.2004
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Eckhard Stengel

"Wesergate" bleibt mysteriös

Wer hat warum das Bremer CDU-Haus verwanzt?

Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!" Bei einem Prozess am Bremer Amtsgericht konnten sich Ankläger und Richter kürzlich an die Titelmelodie der "Sesamstraße" erinnert fühlen. Weil ein Kronzeuge überraschend die Aussage verweigerte, hatten die Juristen keine Chance, ihm die entscheidenden Fragen zu stellen: Wer hat wie und warum die Bremer CDU-Zentrale verwanzt?

Ein Funkamateur hatte im Sommer 2003 die Stimmen des CDU-Landesvorsitzenden Bernd Neumann (MdB) und des damaligen Fraktionschefs Jens Eckhoff (heute Bau- und Umweltsenator) empfangen. Als er die Partei alarmierte, fanden sich Abhörwanzen in den Büros beider Politiker. Sofort begann das große Rätselraten: Wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, die beiden Minisender in Steckdosenleisten einzubauen?

Drei Monate später präsentierte die Staatsanwaltschaft überraschend die ersten Tatverdächtigen - wenn auch kein Motiv: Zwei Bremer Privatdetektive, die Ende 2000 in Eckhoffs Auftrag die Partei- und Fraktionsräume im CDU-Haus vorsorglich auf Abhöranlagen untersuchen sollten, taten dabei angeblich das Gegenteil: Sie sollen die Büros überhaupt erst verwanzt haben. Das jedenfalls behauptete ein weiterer Privatdetektiv, ein Ex-Stasi-Abhörexperte aus Berlin. Er will im Auftrag der beiden Bremer die Beschaffung und den Einbau der Wanzen übernommen haben.

Der Berliner erhielt mittlerweile einen Strafbefehl über zehn Monate Haft auf Bewährung und 3.000 Euro Geldbuße. Seine beiden Bremer Kollegen, übrigens alte Geschäftsfreunde von Eckhoff, wurden dagegen vor Gericht gestellt. Im Ermittlungsverfahren hatten sie die Vorwürfe des Berliners zurückgewiesen. Im Prozess verweigerten sie die Aussage. Diesem Beispiel folgte völlig überraschend auch der Berliner, als er im Amtsgericht vernommen werden sollte. Da nunmehr der einzige Belastungszeuge ausgefallen war, sah nicht nur das Gericht, sondern auch der Staatsanwalt keine andere Möglichkeit mehr als einen Freispruch nach dem Grundsatz "Im Zweifel für die Angeklagten". Zwar wurden noch schnell die Akten über die polizeiliche Vernehmung des Berliners verlesen, aber angesichts mancher Ungereimtheiten wollten die Richter eine Verurteilung nicht allein auf diese Protokolle stützen. Auch Sachbeweise standen kaum zur Verfügung: Die CDU hatte nach dem Abhöralarm nicht sofort die Polizei, sondern einen weiteren Privatdetektiv und einen Elektriker gerufen, der beim Wanzen-Ausbau versehentlich Spuren vernichtete.

Nach dem Freispruch bleibt weiterhin offen, ob die Bremer Detektive wirklich den Anstoß zum Lauschangriff gaben und ob sie ihrerseits einen Auftraggeber hatten. Auch die Motive liegen noch immer völlig im Dunkeln. Eine kleine Chance, die "Wesergate"-Affäre aufzuklären, besteht allerdings doch noch: Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen überraschend Berufung gegen den Freispruch eingelegt. Sie will in der nächsten Instanz klären lassen, ob der Kronzeuge tatsächlich komplett die Aussage verweigern durfte.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.