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Juni 01/1998
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SPD wirft Seehofer Betrug an Kranken vor

(ge) Mit dem Hinweis darauf, Kranke würden finanziell immer stärker für ihre Leiden und Krankheiten zur Kasse gebeten, ohne daß es in einem plausiblen medizinischen Zusammenhang steht, hat die SPD-Fraktion dem Bundesgesundheitsminister "Betrug an den Kranken" vorgeworfen.
In einer Aktuellen Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu Äußerungen des Gesundheitsministers zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Deutschen Ärztetag in Köln, erklärte der SPD-Abgeordnete Klaus Kirschner am 28. Mai im Bundestag, der Minister wolle keine effiziente Versorgungsstruktur, sondern verteile Geldgeschenke zu Lasten der Beitragszahler und Patienten und betreibe damit die "Amerikanisierung unseres Gesundheitswesens". Für Seehofer stünden weder Gesundheitsziele im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik noch nehme er die im Gesetz vorgeschrieben Verpflichtung zur Beitragsstabilität ernst. Er "buhle" um die Stimmen der Ärzte für die Bundestagwahl und betreibe dafür den "Ausverkauf der sozialen Krankenversicherung".
Wolfgang Lohmann von CDU/CSU verteidigte die Aussagen Seehofers und erklärte, nichts davon sei wirklich neu. Er habe lediglich festgehalten, die Gesundheitspolitik müsse in Zukunft mehr an dem medizinischen Bedarf ausgerichtet und weniger unter rein fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Zudem sei festgehalten worden, daß die Budgets abgeschaffen worden seien und damit die Kollektivhaftung der gesamten Ärzteschaft überwunden wurde. Der SPD warf Lohmann vor, mit der Aktuellen Stunde lediglich eine "Neidkampagne" loszutreten.
Schützenhilfe für den Minister gab auch der F.D.P.-Abgeordnete Dr. Dieter Thomae. Er betonte, eine Budgetierung, wie die Opposition sie vorschlage, sei für das deutsche Gesundheitswesen kein geeignetes Mittel. Wolle man Budgets einführen, müsse man Altersgrenzen fixieren. Geäußert habe sich Seehofer bei dem Ärztetag auch zur Finanzierung. Die Koalition und besonders die F.D.P. habe damit die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags, um die Beiträge stabil zu halten, in die Diskussion gestellt: Wenn Zuwächse entstünden, solle dies zu Lasten der Arbeitnehmer gehen.
Im Namen der Bündnisgrünen erklärte Monika Knoche, man würde der Koalition im Prinzip gerne zustimmen, wenn diese sagt, das Gesundheitswesen solle in Zukunft mehr am medizinischen Bedarf orientiert sein. Aber dann müsse die Koalition sofort alles revidieren, was sie an Gesetzen erlassen habe. So sei nicht zu rechtfertigen, daß 20 Prozent der Arzneimittel, die medizinisch indiziert sind, von den Patientien selber bezahlt werden müßten, und daß der Zahnersatz für Menschen, die nach 1978 geboren sind, künftig eigenfinanziert werden müsse. Die Beitragssatzstabilität von Union und Liberalen fuße einzig und allein darauf, den Kranken "das Geld aus der Tasche zu ziehen".
Dr. Ruth Fuchs von der PDS führte aus, die "zunehmende Eigenverantwortung der Versicherten" sei das Zauberwort, mit dem die Menschen an die Privatisierung des Gesundheitsrisikos gewöhnt und "schließlich übertölpelt werden sollen". Erneut werde das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge gefordert und die "Ausdünnung des Leistungskatalogs betrieben", während es zunehmend Behandlungen geben soll, die mit dem Patienten privat abgerechnet werden könne. Seehofer habe auf dem Ärztetag wachsende Arzthonorare und den Ausbau der Kostenerstattung versprochen, und dafür sogar den "heiligen Grundsatz" der Beitragsstabilität zur Disposition gestellt.
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hielt den Vorwürfen entgegen, der Ärztetag der letzten Woche habe gezeigt, daß die SPD mit ihren gesundheitspolitischen Vorstellungen bei Schwestern, Pflegern und Ärzten keinen Rückhalt habe. Nach den Vorstellungen der Opposition müßte die gesundheitliche Versorgung zurückgefahren werden, da die Einnahmen der Krankenkassen schrumpfen. Die Koalition stelle aber den medizinischen Versorgungsbedarf der Bevölkerung in den Mittelpunkt und beantworte die Frage, wie dieser medizinische Versorgungsbedarf bei stabilen Beitragssätzen gedeckt werden könne. Für die kranken Menschen sei nicht die Betrachtung der Kassenlage in buchhalterischer Manier entscheidend. Vielmehr sei ihnen wichtig, daß sie für ihre Krankheit Hilfe, Linderung, Heilung und menschlichen Zuspruch erhielten.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801034a
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