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November 10/1999
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AUSSCHUSS FÜR KULTUR UND MEDIEN

Naumann: Pflege des Kulturgutes ist eine gesamtdeutsche Aufgabe

(ku) Wie heute eine lebendige Vermittlung von deutscher Kultur im östlichen Europa und durch wen sie erfolgen soll, diskutierten am 27. Oktober Sachverständige der Vertriebenen und Wissenschaftlicher aus Deutschland und Polen vor dem Ausschuss für Kultur und Medien. Grundlage der Erörterung war das vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, Dr. Michael Naumann, erarbeitete Konzept der künftigen Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz.

Naumann betonte, die Pflege des deutschen Kulturgutes sei eine gesamtdeutsche Aufgabe und sollte nicht allein von den Vertriebenen und Verbänden gelöst werden. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass die Pflege des Kulturgutes mehr an Institutionen und Universitäten oder Stiftungen gebunden werden sollte als bisher.

Grenzüberschreitende Arbeit

Die Generalsekretärin des Bundes der Vertriebenen, Michaela Hriberski, hielt es für eine "irrige Auffassung", dass die Vertriebenenverbände Kulturarbeit als Vehikel für ihre politische Arbeit bräuchten. Allerdings seien die Verbände Interessenvertreter.

Die Vertriebenen seien der Auffassung, der bisherige Wortlaut im Bundesvertriebenengesetz, der so lange die Kulturförderung geregelt habe, brauche nicht geändert zu werden . Die vom Staatsminister vorgelegte Konzeption zur Neuordnung des Förderungsrechts sei ein "Abbruchunternehmen föderaler Strukturen". Hriberski erinnerte daran, dass die Verbände während der Zeit des kalten Krieges die grenzüberschreitende Arbeit aufrecht erhalten hätten. Jetzt dürfe man ihre Arbeit nicht durch fiskalische Maßnahmen beschneiden.

Integration der Gegensätze

Dr. Peter Becher vom Adalbert-Stifter-Verein sah zwar in der Konzeption richtige Ansätze, jedoch "falsche Lösungen". Er wies darauf hin, statt des Ost-West-Gegensatzes von früher, müsse jetzt die Integration im Vordergrund der kulturellen Arbeit stehen. Daher müsse der Kulturaustausch mit den östlichen Nachbarn verstärkt werden.

Dies könne nicht an den Vertriebenen vorbei geplant werden, die lange Zeit allein kulturelle Pflege betrieben und zwangsläufig die ersten grenzüberschreitenden Kontakte und Aktivitäten in Gang gebracht hätten. Sie müssten mehr als bisher gefördert werden.

Auch Rudi Klarer, Geschäftsführer der Deutschen Jugend in Europa, betonte eine stärkere Gewichtung grenzüberschreitender Aktivitäten.

Jugend kommt nicht vor

Geboten sei eine auf Begegnung setzende Kulturarbeit im richtigen Verhältnis zur kulturellen Breitenarbeit im Land. Der Bund sollte die Förderung aufrecht erhalten, um nicht "das Feld Rechtsradikalen" zu überlassen. Klarer kritisierte, dass in dem Konzeptpapier Jugend nicht vorkomme.

Spannungen abgebaut

Professor Dr. Dieter Kramer vom Museum für Völkerkunde in Frankfurt am Main betonte, sowohl Gesetzeswortlaut als auch die Art der Förderungen könnten entsprechend den veränderten Gegebenheiten geändert werden und erläuterte einen eigenen Vorschlag zur Änderung des Gesetzestextes.

Es gehöre zu den großen Leistungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft, Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, von Aussiedlern und Arbeitsmigranten so integriert zu haben, dass gravierende Spannungen weitgehend vermieden und abgebaut werden konnten. Nachdem in Europa die Grenzen gefallen seien, stelle sich die Frage, was deutschsprachige Kultur und was Kultur aus Deutschland sei. Darauf müsse die Förderpraxis Rücksicht nehmen. Sie sollte sich verstärkt an neuen Kriterien orientieren und von einer multilateralen Kulturstiftung des Bundes und der Länder getragen werden sowie eine gleichberechtigte Mitgliedschaft und Mitarbeit der osteuropäischen Staaten vorsehen.

Kulturelles Gedächtnis erhalten

Die Kooperation mit Institutionen und Einrichtungen in Deutschland hob besonders Professor Dr. Hubert Orlowski von der Universität Posen hervor. Sie habe sich im letzten Jahrzehnt erfreulich entwickelt.

Er setzte sich für die Förderung von Projekten ein, wobei er betonte, es gehe bei der Arbeit um die Erhaltung des kulturellen Gedächtnisses. Zur Organisationsform schlug er vor, einen Wissenschafts- und Kulturrat einzusetzen, der, kompetent und repräsentativ zusammengestellt, in ähnlicher Funktion und mit entsprechend verwandten Kompetenzen ausgestattet werden sollte wie der dem Bundeskanzler zur Seite stehende Wissenschaftsrat.

Kulturstiftung unterstützt

Aus der Praxis der kulturellen Arbeit unterstützte Thaddeus Schäpe, Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Hauses in Gliwice, Polen, die Einrichtung einer Kulturstiftung östliches Europa mit den dazugehörigen Aufgaben. Dies sei sinnvoll und könne in Deutschland zu einem parteiübergreifenden Konsens in der Kulturarbeit führen.

Die in der Konzeption vorgenommene regionale Ausrichtung der Förderung hielt Schäpe für vernünftig. Wichtig sei, das Wissen über die Entwicklung nach 1945 zu vermitteln, wobei er vermute, die Kulturarbeit halte die Erinnerung an die Zeit vorher wach.

Mit neuem Geist füllen

Professor Dr. Karl Schlögel, Historiker an der Universität Frankfurt an der Oder, begrüßte die Initiative des Bundesbeauftragten zur Neuordnung der Förderungskonzeption, weil sie etwas tue, was "schon längst hätte unternommen werden müssen". Er sei aber der Auffassung, der Gesetzeswortlaut habe seinen Sinn nicht verloren, er müsse nur mit neuem Geist gefüllt werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910076a
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