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Dezember 11/1999
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BUCH TIPP

Der Bundestag als kunstvolles Gebilde

Fünfzig Jahre nach seiner Konstituierung ist der Deutsche Bundestag als Kernstück freiheitlicher Demokratie inzwischen zu einer selbstverständlichen Einrichtung geworden. Und doch zeigen Umfragen, dass es einen schleichenden Ansehensverlust nicht nur der "Politik als Beruf", sondern auch des Bundestages gibt. Viele Deutsche wissen über Organisation und Arbeitsweise ihres Parlaments kaum Bescheid. Kein Wunder, dass die Volksvertretung des Öfteren zum Abladeplatz billiger Vorurteile wird. Genauere Kenntnis über das Parlament tut Not. Deswegen kommt das Buch von Christian Meier über den Deutschen Bundestag gerade recht. Es ist ein eindringliches Plädoyer für die parlamentarische Demokratie. Deren Sinn wird transparent durch die systematische und historische Klärung von Volksherrschaft, Parlamentarismus, Repräsentation und Parteien. Man erfährt in klarer Sprache, wie die Alltagsarbeit des Parlaments abläuft. Als Arbeitswerkstatt wie als Forum der Nation ist der Deutsche Bundestag, so Meiers Resümee, ein höchst "kunstvolles" Gebilde geworden.

Die parlamentarische Demokratie

Der Münchener Althistoriker hat keine Jubelschrift zum Jubiläum verfasst. Vielmehr ist es ein nüchternes, gleichwohl aber einladendes Buch von einem Bürger für andere Bürger geworden, das notwendiges Orientierungswissen vermittelt. Manches erscheint in der parlamentarischen "Binnensicht" anders als in der von außen, und nicht alle vorgebrachte Kritik ist frei von modischem Zeitgeist. Doch konstruktive Beanstandung hilft weiter, und gerade die in 50 Jahren erworbene Gelassenheit (nicht Gleichgültigkeit!) im Umgang mit Kritik an ihrem Erscheinungsbild zeichnet die parlamentarische Demokratie aus.

Das wird auch deutlich in den Interviews mit 22 Parlamentariern, die Stefan Reker in seinem Band vereinigt. In den Erinnerungen und Reflexionen wird das hohe Arbeitsethos der Abgeordneten als Gestalter unseres Gemeinwesens deutlich, aber auch deren Sorge um das Parlament, seine Arbeitsweise, sein Ansehen. Josef Felder, Richard Stücklen und Annemarie Renger, Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Schäuble und Hans-Ulrich Klose, Antje Vollmer, Rainer Eppelmann oder Markus Meckel - in diesen Namen werden 50 Jahre Parlamentsgeschichte mit ihren Konflikten und Sternstunden lebendig.

Der Deutsche Bundestag

Das Parlament gibt dem Volk in der Politik eine Stimme. Aber das setzt voraus, dass eine wohl informierte Bürgerschaft das Parlament aktiv mitträgt. Dazu gehören Wissen und Wertschätzung. Schließlich ist der Deutschen Bundestag die Einrichtung, die die Bürger als Einzige unmittelbar selbst wählen.

Bernward Baule

Christian Meier, Die parlamentarische Demokratie. München 1999, Hanser Verlag, DM 45,-

Stefan Reker, Der Deutsche Bundestag. Berlin 1999, Quintessenz-Verlag DM 58,-

Mit Petitionen Politik verändern

Artikel 17 unseres Grundgesetzes gibt jedermann das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung zu richten. Dieses Petitionsrecht zählt zu den Grundrechten, die nicht angetastet werden dürfen. In diesem Sammelband klären die Autoren seine rechtlichen Grundlagen von der kommunalen bis zur europäischen Ebene, untersuchen die Handlungsmöglichkeiten, zeigen seine Aktualität und wachsende politische Bedeutung. Aus Erfolg und Versagen der verschiedenen Petitionsinstanzen werden Reformforderungen für das parlamentarische Verfahren abgeleitet.

Mit Petitionen Politik verändern

Das Buch bietet nicht nur für Wissenschaftler interessante Anregungen, sondern auch für Parlamentarier aller Ebenen, Lehrer, Mitarbeiter der politischen Bildung, Vertreter von Bürgerinitiativen und politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger.

Reinhard Bockhofer (Hrsg.), Mit Petitionen Politik verändern. Baden-Baden 1999, Nomos Verlagsgesellschaft, 499 Seiten, DM 148,-

Die langen Schatten der Vergangenheit

Wie wenig die langen Schatten der Vergangenheit die Deutschen haben ruhen lassen, das zeigen die häufigen Bundestagsdebatten zur nationalsozialistischen Vergangenheit. Helmut Dubiel hat die vielen tausend Seiten der Plenarprotokolle gesichtet. Sein Befund dieser "Schlüsseltexte" unserer Demokratie: Anders als Österreich oder die DDR, die sich lästiger Erinnerungsarbeit entzogen, war die Frage nach dem richtigen Umgang mit der schwierigen Vergangenheit zentraler Bestandteil politischer Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik Deutschland. Gerade weil diese nicht nur freiheitlicher Gegenpart zur NS-Diktatur sein wollte, sondern auch die rechtliche Nachfolge des Dritten Reiches angetreten hatte, war sie gezwungen, sich diesem belastenden Erbe zu stellen. Die Bundestagsdebatten zeigten, wie sehr Forderungen nach einem Schlussstrich mit denen nach öffentlicher Schuldanerkenntnis und Bestrafung der Täter kontrastierten. Durch diese konfliktreichen, schwierigen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen gelang es über die Jahrzehnte, eine von anerkannter öffentlicher Erinnerungsarbeit gespeiste demokratische Identität unseres Gemeinwesens zu entwickeln. Der Deutsche Bundestag bildete dabei einen wichtigen Resonanzboden für den oft gegensätzlichen, letztlich aber produktiven politischen Streit.

Niemand ist frei von der Geschichte

Mancher Zeitgenosse wird sich in den von Dubiel erinnerten Debatten wiederfinden. Vor allem aber die jüngeren Leser können durch die Studie ein Stück parlamentarischer Geschichte nachvollziehen und verstehen, warum auch sie für die Vergangenheit politische Haftung tragen.

Helmut Dubiel, Niemand ist frei von der Geschichte. Die nationalsozialistische Herrschaft in den Debatten des Deutschen Bundestages. München 1999, Hanser Verlag, DM 39,80

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9911/9911072a
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