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Oktober 09/2000
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streitgespräch

Streitgespräch über die Ökosteuer

Benzinverbrauch durch hohe Preise drosseln?

Die hohen Öl- und Spritpreise haben Europa erschüttert. Auch in Deutschland sorgte das Thema wochenlang für Schlagzeilen. Politik und Stammtische erregten sich. Im Mittelpunkt dabei die Ökosteuer, die das Benzin noch einmal verteuert. Wie abhängig sind wir vom Öl? Was kann, was sollte der Staat angesichts der Benzin- und Ölpreisentwicklung tun? Darüber führte Blickpunkt Bundestag ein Streitgespräch mit den verkehrspolitischen Sprechern der Unionsfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen, Dirk Fischer und Albert Schmidt.

Blickpunkt Bundestag: Gegenwärtig sinken die Spritpreise wieder. War die ganze Aufregung ein Sturm im Wasserglas?

Fischer: Keineswegs. Denn es geht ja in dieser Diskussion weniger um die hohen Förderpreise, die natürlich auch ärgerlich sind, sondern um den politisch beeinflussten Teil, also den Steueranteil am Benzin, der inzwischen bei über 70 Prozent liegt. Der Staat ist der Hauptverantwortliche für den Endpreis. Und darüber herrschen zu Recht Ärger und Verbitterung.

Schmidt: Was wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, ist der Vorschein dessen, was auf uns zukommt: ein knapper werdender Rohstoff, der sehr teuer werden wird. Die Konsequenz daraus kann nach unserer Auffassung nicht sein, durch Steuerverzicht den Preisanstieg abzumildern. Vielmehr müssen wir die Anstrengungen vervielfachen, Energie einzusparen und alternative Energien zu fördern. Nur mit einer langfristigen und berechenbaren Strategie können wir dieser Herausforderung begegnen. Kurzatmiges Reagieren bringt gar nichts.

 

Gesprächspartner Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, und ...
Gesprächspartner Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, und ...

Sind die Energiepreise, Herr Fischer, überhaupt unzumutbar hoch? Muss man den Bürgern nicht reinen Wein einschenken und ihnen sagen, dass ein knappes Gut nach den Gesetzen der Marktwirtschaft ein teures Gut ist?

Fischer: Der Gedanke, dass man die fossilen Energieträger und Rohstoffe auch durch eine Steuer- und Preispolitik schützen muss, ist keine Frage.

Schmidt: Wie schön, dass wir uns darin einig sind!

Fischer: Nur: Wir haben immer vor nationalen Alleingängen gewarnt und für europäisch abgestimmte Lösungen plädiert. Darüber hinaus muss eine Ökosteuer, die Überzeugungskraft beim Bürger haben will, auch eine überzeugende ökologische Lenkungswirkung haben. Dies ist aber gerade bei der von der rotgrünen Koalition eingeführten Ökosteuer nicht der Fall.

Schmidt: Von einem deutschen Alleingang kann doch gar nicht die Rede sein. Wir waren eines der letzten Länder in Europa, die so etwas wie eine Energiebesteuerung eingeführt haben. Der nationale Alleingang ist gar nicht das Problem. Im Gegenteil: Je früher unsere Volkswirtschaft die Energiespartechnik und die alternativen Antriebstechnologien puscht, desto früher haben wir international auch einen Marktvorteil. Und das Geld dafür bleibt innerhalb der nationalen Volkswirtschaft und fließt nicht ab an Erdöl produzierende Länder.

 

Wäre es politisch klug, hohe Energiepreise als Chance zu sehen für das Umsteigen auf alternative Energien?

Fischer: Hohe Energiepreise als solche können kein Ziel sein. Richtig aber ist, über das Steuersystem ökologische Lenkungswirkungen zu erzielen. Das hat schon der frühere Verkehrsminister Matthias Wissmann gemacht, als er bei der Kfz-Steuer nicht abgasgereinigte Fahrzeuge steuerlich höher belastete als Kat-Fahrzeuge. Umweltfreundliches Verhalten muss belohnt werden. Bei der heutigen Ökosteuer kann man dagegen wenig Sinnhaftes finden.

 

Wäre die Ökosteuer für den Bürger einleuchtender, wenn die daraus erzielten Einnahmen nicht in die Rentenversicherung, sondern in die Förderung alternativer Energien und Verkehrsmittel gesteckt würden?

Schmidt: Vielleicht. Aber das wäre doch nichts anderes als eine Steuererhöhung für einen guten Zweck. Wir aber wollen die Aufkommensneutralität, also Verbraucher wie Unternehmen nicht höher belasten als bisher. Das Prinzip, Energie schrittweise maßvoll zu verteuern und zugleich die Arbeitskosten ebenso schrittweise zu senken, ist nach wie vor richtig. Ich gebe allerdings zu, dass man nach 2003 sehr sorgfältig überlegen sollte, ob man nicht auch Einnahmen aus Energiesteuern wieder reinvestiert in die Förderung zukunftsträchtiger Energiesysteme.

 

... Dirk Fischer, CDU/CSU.
... Dirk Fischer, CDU/CSU.

Würde dann auch die Union eine Ökosteuer akzeptieren?

Fischer: Wenn überhaupt muss es ein überzeugendes Konzept der ökologischen Lenkung in Europa geben. Das heißt, man muss anknüpfen am Verbrauch von Rohstoffen oder dem Ausstoß von Emissionen.

Schmidt: Genau das tun wir doch!

Fischer: Nein. Bei Ihrer Ökosteuer ist nichts stimmig. Sie lenkt nicht und ist in sich widersprüchlich. Zudem gibt es eine Gerechtigkeitslücke, da die Kompensation nur diejenigen bekommen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sind. Mit der Entfernungspauschale setzen Sie die Benachteiligung großer Gruppen unserer Bevölkerung fort.

 

Sollte der Staat überhaupt bei steigenden Preisen einschreiten? Ist der Markt nicht das beste Regulativ?

Schmidt: Ich finde, man sollte nicht immer gleich nach dem Staat rufen. Es sei denn, dass wirklich sozial Schwache von Preiserhöhungen unzumutbar betroffen sind. Diese Gefahr besteht momentan beim Heizöl. Deshalb sind hier Ausgleichsmaßnahmen für Geringverdienende sinnvoll.

Fischer: Das ist absurd. Das berührt gerade mal fünf Prozent der Leute, die betroffen sind. Solche Ausgleichsmaßnahmen sind doch nur ein Reparaturbetrieb für eine falsch angelegte Politik.

Wie können wir uns unabhängiger vom Öl machen?

Schmidt: Es gibt im Wesentlichen drei Wege, die wir beschreiten müssen. Erstens müssen wir im Verkehrsbereich die umweltfreundlichen Systeme, also Schiene und öffentlichen Nahverkehr, stärken und durch Halbierung des Ökosteuersatzes preislich attraktiver machen als den motorisierten Straßenverkehr. Das tun wir. Zweitens für eine beschleunigte Markteinführung von Sparautos sorgen, die nicht mehr als vier Liter verbrauchen. Wir Grüne wollen dies mit einer Umsteigeprämie für diejenigen fördern, die ihr Uraltauto verschrotten, um auf ein Sparmodell umzusteigen. Am wichtigsten ist, drittens, vom Öl unabhängige Antriebssysteme zu forcieren. Dazu bieten sich Pflanzenöle an und – vor allem – die Solar-Wasserstoff-Energie, Stichwort: Brennstoffzelle.

 

Einverstanden, Herr Fischer?

Fischer: Ja, zumindest in der Theorie. Aber wir orientieren uns an den Ergebnissen der Politik und nicht an den wohl klingenden Reden. In der Praxis hält sich die rotgrüne Koalition nicht an ihre eigenen Ziele. Zum Beispiel beim Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr. Da brummt man der Bahn und den Bussen über 600 Ökosteuer-Millionen drauf mit der Folge, dass die Nahverkehrstarife steigen. Das macht doch keinen Sinn.

 

Warum ist es um ein Tempolimit auf Autobahnen so still geworden? Auch das würde Treibstoff sparen?

Schmidt: Natürlich kann man mit einem solchen Instrument nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch einen geringeren Treibstoffverbrauch erreichen. Nicht nur, weil unser Koalitionspartner SPD dagegen ist: Ich finde den "weichen" Weg besser, nämlich die Belohnung des Treibstoff sparenden Fahrens. Dann hat es jeder selbst in der Hand, bzw. im Fuß, wie viel Benzin er sparen will. Bei defensivem Fahren kann man bekanntlich leicht 20 Prozent Treibstoff sparen.

Fischer: Wir sind gegen undifferenzierte allgemeine Tempolimits. Offenbar ist auch bei SPD und Grünen inzwischen eine gewisse Vernunft eingekehrt.

 

Was ist Ihre Prognose: Mit welchem Verbrauch und welchen Benzinpreisen werden wir in zehn Jahren zu rechnen haben?

Fischer: Ganz klar: Der Benzinverbrauch beim Auto wird deutlich sinken. Ich hoffe, dass der Staat den geringeren Verbrauch nicht durch hohe Energiesteuern wieder "auffüllt".

Schmidt: In zehn Jahren wird der Treibstoffpreis sicher um 50 Prozent höher liegen als heute. Zugleich aber wird der Verbrauch dramatisch nach unten gehen. Und: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in zehn Jahren ein Viertel der neu zugelassenen Fahrzeuge bereits mit Solarwasserstoff fahren.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0009/0009072
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