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März 2/2003
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Geschichte

Ein Glücksfall der internationalen Beziehungen

Nicht jedes Vertragsjubiläum wird mit staatlichem Zeremoniell gewürdigt. Wenn deshalb Politiker aus Frankreich und Deutschland gemeinsam des vierzigsten „Geburtstages“ des Élysée-Vertrages gedenken, deutet schon dies auf die herausragende Stellung des Staatsabkommens hin. Es verweist auch auf ein Freundschaftsverhältnis, das im Élysée-Vertrag seinen Ausdruck fand und inzwischen zur Selbstverständlichkeit im Miteinander beider Länder geworden ist. 1963, im Jahr der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages, war all dies weder selbstverständlich noch normal.

Wenn der Élysée-Vertrag für uns heute als „Jahrhundertvertrag“ gilt, so wird dabei fast vergessen, dass er anfangs noch nicht einmal als Vertrag, sondern lediglich als Sitzungsniederschrift geplant war. Und manch bedeutender Zeitgenosse traute ihm damals keine hohe Lebensdauer zu. Das Abkommen, so war zu hören, gleiche Rosen, die nur einen Sommer blühen. Was also machte den Élysée-Vertrag damals so umstritten und lässt ihn heute so bedeutsam erscheinen?

Grundlagen der europäischen Einigung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewegte führende Politiker Frankreichs und der Bundesrepublik eine einfache, aber keineswegs simple Frage: Wie können zwei Völker in Europa freundschaftlich zueinander finden, die Jahrzehnte durch Krieg, Rivalität und Misstrauen verbunden waren – deren Verhältnis sogar unter dem schlimmen Begriff der „Erbfeindschaft“ firmierte? Die Antwort auf diese Frage drängte schon deshalb, weil die Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit eine machtpolitische Gewissheit bewiesen: Den neuen Herausforderungen des Kalten Krieges, der bipolaren Staatenwelt sowie des Zusammenschlusses Europas war man nur gemeinsam gewachsen.

Bereits in den fünfziger Jahren wurden deshalb wichtige Fundamente der deutsch-französischen Verständigungspolitik gelegt. Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Außenminister Robert Schuman einigten sich im Mai 1950 auf den so genannten Schuman-Plan, der maßgeblich von Schumans Berater Jean Monnet konzipiert worden war. Dieser zielte auf die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, mit der die beiden Länder 1951 zusammen mit Italien und den Benelux-Staaten den Grundstein für die europäische Einigung legten.

Durch diese Verschmelzung der deutschen und französischen Schwerindustrie war nicht nur den wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen der französischen Regierung gedient. Gerade für die Bundesrepublik standen auch die politischen Folgen im Mittelpunkt, denn – wie Konrad Adenauer feststellte – eine wirtschaftliche Verflechtung sollte beide Nationen enger zusammenbringen und auf diesem Wege die Wiedererlangung westdeutscher Souveränität fördern. Auch Außenminister Robert Schuman forderte, den jahrhundertealten Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland mit diesem ersten Schritt aufzuweichen, um die europäische Einigung verwirklichen zu können.

Aus heutiger Sicht wird man Schuman und Adenauer ausnahmslos zustimmen, dass sie bereits beim In-Kraft-Treten dieser Montanunion im Juli 1952 von einem „neuen Abschnitt der europäischen Geschichte" sprachen. Doch wie schwierig das Zusammengehen der Öffentlichkeit zu vermitteln war, bewiesen die heftigen Reaktionen der deutschen und französischen Opposition. Erstere betrachtete die Montanunion als französisches Hegemoniestreben und Gefährdung der Wiedervereinigung, Letztere sah sie als Kompromittierung der eigenen Interessen, vor allem in der Saarpolitik. Schuman nämlich sicherte der Bundesrepublik zu, eine vertragliche Regelung zum Status des von Frankreich verwalteten Saarlandes nur unter Einbeziehung der Bundesrepublik vorzunehmen. Damit erzielten beide Länder auch auf einem weiteren Konfliktfeld einen ersten historischen Fortschritt, der 1956 zum Saarvertrag sowie 1957 zur Aufnahme des Saarlandes als zehntes Bundesland in die Bundesrepublik führte.

Keiner dieser wichtigen Verständigungsschritte konnte von sicherheits- und europapolitischen Rahmenbedingungen losgelöst gesehen werden. So waren es wieder Adenauer und Schuman, die vor dem Hintergrund stockender Saarverhandlungen und des drohenden Scheiterns der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) die Idee einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) entwickelten. Deren Verwirklichung sollte zwar noch länger auf sich warten lassen, bildete aber ein wichtiges Motiv für das spätere Zustandekommen des Élysée-Vertrages.

Unübersehbar war bereits in den fünfziger Jahren, dass Frankreich und Deutschland immer enger zusammenrückten. Im Jahr 1950 begann die Gründung von Städtepartnerschaften sowie ein erster Jugend- und Kulturaustausch. 1953 wurde der Pass- und Visumzwang im Reiseverkehr beider Länder teilweise beseitigt, und im gleichen Jahr löste die Bundesrepublik Deutschland Großbritannien als ersten Handelspartner Frankreichs ab.

Anstoß zu einem weiteren Ausbau der europäischen Kooperation gab Mitte der fünfziger Jahre wieder Jean Monnet, der die mit dem Schuman-Plan begonnene Integration auch auf die Bereiche Verkehr und Energie ausweiten wollte. In Bonn zeigte man sich gegenüber einer Atomgemeinschaft zunächst reserviert, während in Paris Pläne für die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes auf Vorbehalte stießen. Nicht zuletzt führten 1956 die internationalen Entwicklungen mit den Krisen am Sues-kanal und in Ungarn wieder vor Augen, wie abhängig Frankreich und Deutschland inzwischen voneinander waren. Die sich abzeichnende amerikanisch-sowjetische Annäherung, Frankreichs Schwierigkeiten in Algerien und Krisen im NATO-Bündnis ließen Deutschland und Frankreich auf eine verstärkte europäische Integration setzen. Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im März 1957 akzeptierte die Bundesrepublik durch die Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich in Atomfragen. Andererseits erkannte Frankreich im Gemeinsamen Markt und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine Chance für seinen Export von Agrarprodukten. Nie zuvor hatten sich souveräne Staaten auf wirtschaftlicher und politischer Ebene so umfassend zusammengeschlossen.

Regierungsprotokoll oder Staatsabkommen?

Ist der Élysée-Vertrag von 1963 dann nicht nur logischer Abschluss einer langjährigen Verständigungspolitik? Als Charles de Gaulle 1958 an die Macht kam, war von einer solchen Logik jedenfalls nichts zu spüren. Und auch de Gaulles NATO-Politik, die 1959 mit dem Rückzug der Mittelmeerflotte aus dem NATO-Verband begann, machte es einer auf Ausgleich mit den USA und Großbritannien bedachten deutschen Außen- und Europapolitik nicht leicht. Andererseits suchte de Gaulles Politik des „Europas der Staaten“ einen starken Partner, um dem „special relationship" Großbritanniens und der USA etwas entgegenzusetzen. Dem entsprach das Angebot de Gaulles zur Zusammenarbeit für eine gemeinsame politische und sicherheitspolitische Identität – eine „entente franco-allemande“.

Adenauer konnte auf diese weitreichende Vorstellung einer deutsch-französischen Union nicht eingehen, denn das hätte die multilateral ausgerichtete Politik Deutschlands in Frage gestellt. Hierfür war die Bundesrepublik gerade mit ihren sensiblen nationalen Interessen wie beispielsweise der Sicherheit Berlins oder der Frage der Wiedervereinigung zu abhängig von amerikanischen Garantien und einem engen deutsch-amerikanischen Verhältnis. Doch sollte die Annäherung der beiden Staatsmänner die Idee einer politischen Union Europas wieder beleben.

Ziel war die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der europäischen Sechsergemeinschaft. Adenauer und de Gaulle einigten sich auf entsprechende Verhandlungen. Jedoch scheiterte der Plan einer Union der europäischen Staaten im Laufe des Jahres 1962. Zu konträr waren die Vorstellungen der Sechsergemeinschaft zum Verhältnis zu den USA, zum Beitritt Großbritanniens sowie zur supranationalen Integration. Diese Entwicklungen, aber auch internationale Zuspitzungen wie die Kuba-Krise 1962 drängten deshalb endgültig auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland. Sollte die politische Union vorangebracht werden, so blieb nur der deutsch-französische Bilateralismus.

Die Verhandlungen verliefen vergleichsweise zügig. Angesichts einer spürbaren europapolitischen Stagnation und wachsender Unsicherheit über die Deutschland- und Verteidigungspolitik der USA regte Staatspräsident de Gaulle 1962 bei einem Treffen mit Adenauer in Baden-Baden an, dass beide Länder ihre Kontakte organisieren und gemeinsame Standpunkte koordinieren sollten.

Adenauer reagierte vorsichtig, aber interessiert. Er würde es begrüßen, wenn beide Länder „in gewissen, sehr wesentlichen Fragen gemeinsam handelten“. Während des Besuchs de Gaulles in Bonn schlug Adenauer seinerseits ein Gentlemen’s Agreement über das Zusammenwirken oder vielleicht ein vertrauliches Abkommen vor. De Gaulle griff diese Initiative umgehend auf und präzisierte: Es gehe um die Konzertierung der Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Rüstung; es solle aber auch die Zusammenarbeit im Bereich Erziehung, Sprache, Ausbildung – überhaupt den Jugendaustausch umfassen. In nur vier Monaten entstand der Entwurf einer gemeinsamen Niederschrift, der auf deutschen Vorschlag noch durch eine gemeinsame Erklärung ergänzt wurde. Bis zum Schluss blieb dabei offen, ob die Form einer bloßen Protokollniederschrift gewahrt oder doch ein Staatsvertrag geschlossen werden sollte. Auch das Bundeskabinett, das die Texte am 16. Januar 1963 einstimmig billigte, ließ die endgültige Form offen.

So fiel die Entscheidung, ob der Élysée-Vertrag auch wirklich zu einem Vertrag würde oder ein bloßes Regierungsprotokoll bliebe, erst am 21. Januar 1963. Adenauer und de Gaulle einigten sich auf eine Übereinkunft im Range eines Staatsabkommens. Damit musste das Vertragswerk von den Parlamenten ratifiziert werden. Zumindest Konrad Adenauer verfolgte damit die Absicht, sein zentrales politisches Werk – die Aussöhnung mit Frankreich – völkerrechtlich abzusichern und durch das parlamentarische Votum auch seine Nachfolger an diese Politik zu binden.

Bis heute muss es deshalb als Kuriosum der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte gelten, dass die deutsche Sprachfassung des Vertrages nicht wie üblich auf blau gerändertem Papier mit der vorschriftsmäßigen schwarz-rot-goldenen Kordel und dem amtlichen dunkelblauen Lederdeckel mit Bundeswappen vorliegt. Die Diplomaten des Auswärtigen Amtes führten schlichtweg keine notwendigen Utensilien für ein Staatsabkommen mit sich, so dass noch am Vormittag der Unterzeichnung Ersatz in der Rue du Faubourg Saint-Honoré bei Hermès beschafft werden musste. Statt der Kordel nahm man ein für Einladungen übliches, gleichfarbiges Band. Der deutschsprachige Vertragsteil wurde schließlich auf französisches Papier mit der französischen Trikolore getippt.

Der Élysée-Vertrag

Frankreich und die Bundesrepublik einigten sich im Wesentlichen in folgenden Kernpunkten: Organisatorisch wurde für die Zukunft ein verbindlicher Konsultationsmechanismus festgelegt. Dieser gilt für Staats- und Regierungschefs ebenso wie für Minister oder leitende Ministerialbeamte. Des Weiteren versicherten sich beide Länder einer engen Zusammenarbeit in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik. Ein eigener Bereich war den Erziehungs- und Jugendfragen gewidmet. So sollten die Sprachkenntnisse gefördert werden, ebenso die Forschungszusammenarbeit. Die Einrichtung eines Austausch- und Förderungswerkes für Jugendliche beider Länder wurde angekündigt und ihm ein deutsch-französischer Gemeinschaftsfonds zur Verfügung gestellt. Letztere Bestimmung bildete den Kern für das Deutsch-Französische Jugendwerk, das im Juli 1963 geschaffen wurde.

Anhaltende Debatten

Die Leistungsbilanz des Élysée-Vertrages lässt in Vergessenheit geraten, dass Konrad Adenauer und Charles de Gaulle für ihr Vertragswerk zunächst wenig Würdigung erhielten.

Beide Parlamente führten heftige Ratifizierungsdebatten. Wie exklusiv sollten Frankreich und Deutschland kooperieren? Bedeuteten die bilateralen Klauseln – vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik – nicht ein Ausscheren aus der westlichen Gemeinschaft? In Paris sorgten sich Befürworter eines supranationalen Europas und Anhänger der atlantischen Allianz deshalb um die Zukunft der europäischen Integration.

Ähnliche Sorgen bewegten zahlreiche Abgeordnete im Bundestag. Der Konflikt innerhalb der Regierungsfraktion zwischen „Atlantikern“ und „Gaullisten“ entbrannte nun an der Frage, ob der Élysée-Vertrag eine Stoßrichtung gegen die USA, Großbritannien und das atlantische Bündnis besaß und damit fundamentalen Interessen der deutschen Außen- und Bündnispolitik widersprach.

Am 16. Mai 1963 stimmte der Bundestag dem Élysée-Vertrag zwar mit großer Mehrheit zu, jedoch wurde dem Vertrag eine Präambel vorangestellt. Sie brachte einerseits zum Ausdruck, dass der Vertrag die Aussöhnung und Freundschaft zwischen beiden Ländern vertiefen und ausgestalten sollte, versicherte andererseits jedoch auch, dass die von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtungen aus multilateralen Verträgen durch den Élysée-Vertrag nicht berührt würden. Die Präambel nahm dem Vertrag deshalb den exklusiv bilateralen Charakter, indem sie die Partnerschaft Europas zu den USA betonte und das Ziel eines britischen EWG-Beitritts festschrieb.

De Gaulle verbarg weder seine Enttäuschung noch seinen Unmut über den Bundestagsbeschluss. Von der Geburtsstunde des Freundschaftsvertrages schien nur ein Rest von wenigen Minuten geblieben zu sein. Als Frankreich 1963 auch demonstrativ dem von den USA, Großbritannien und der Sowjetunion geschlossenen Atomteststoppabkommen fernblieb, während die Bundesrepublik beitrat, wurde noch einmal schlagartig offensichtlich: Die internationalen Rahmenbedingungen und unterschiedlichen nationalen Interessen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik waren in dieser Phase nicht in Einklang zu bringen.

Impulse für die Kooperation

Weshalb wurde der Élysée-Vertrag trotzdem zum Erfolg, ja zu einem bis heute beispiellosen Glücksfall der internationalen Beziehungen? Als reines Paragrafenwerk war er nicht dazu bestimmt, die deutsch-französischen Beziehungen mit Leben zu füllen. Aber er etablierte einen Rahmen institutioneller Kontakte, der seit 1963 kontinuierlich den Dialog zwischen beiden Ländern festschreibt. Nicht zuletzt aber bietet der Élysée-Vertrag einen wertvollen Rahmen, wichtige deutsch-französische Projekte gerade auf europäischer Ebene voranzubringen.

Als sich in den siebziger Jahren Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt zu einem deutsch-französischen Tandem zusammenfanden, wurden wesentliche Fortschritte in der Europapolitik und im Bereich der Ökonomie erzielt. Frankreich und Deutschland einigten sich nicht nur auf die Direktwahl des Europäischen Parlaments. Beide Staatsmänner erreichten auch die Institutionalisierung des „Europäischen Rates“, der die unregelmäßigen Gipfeltreffen ersetzte. Um die wirtschaftlichen Turbulenzen der siebziger Jahre einzudämmen, initialisierten Giscard und Schmidt das 1979 in Kraft getretene Europäische Währungssystem (EWS) und regten die Bildung der „G7-Treffen“ (inzwischen „G8-Treffen“) an.

Zu einer ähnlich kraftvollen Phase deutsch-französischer Zusammenarbeit entwickelte sich das Verhältnis zwischen Staatspräsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl. Ihnen gelang vor allem der Auf- und Ausbau einer intensiveren Kooperation im sicherheitspolitischen Bereich. Pläne und Vorstellungen hierzu hatten bereits ihre Vorgänger Schmidt und Giscard auf Grundlage des Élysée-Vertrages entwickelt, doch versiegten diese Ansätze in den Kontroversen um den NATO-Doppelbeschluss. Um das damals befürchtete Abdriften der Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis zu verhindern, verstärkte gerade der französische Präsident Mitterrand die Einbindung Deutschlands im militärischen Bereich. 1982 entstand eine gemeinsame Verteidigungskommission und 1987 eine deutsch-französische Brigade.

1988 wurde der Élysée-Vertrag durch zwei Zusatzprotokolle ergänzt. Es entstanden der Deutsch-Französische Finanz- und Wirtschaftsrat und ein Verteidigungs- und Sicherheitsrat. Damit konkretisierten sich die sicherheitspolitischen Ausführungen des Élysée-Vertrages.

1991 präsentierten Helmut Kohl und François Mitterrand auch die Idee eines Eurokorps als Kern einer künftigen Europaarmee. Mit der Gründung des Eurokorps 1993 haben Frankreich und Deutschland erneut eine europäische Vorreiterrolle gespielt, aber auch dem Ende der „Erbfeindschaft“ ein symbolträchtiges Zeichen gesetzt: Am 14. Juli 1994 paradierten zum französischen Nationalfeiertag erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutsche Soldaten im Rahmen des Eurokorps über die Champs-Élysées.

Parlamentarische Zusammenarbeit

Der Annäherungsprozess hat seit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages längst auch die nationalen Parlamente erfasst. Die Beziehungen zwischen den Parlamentariern werden inzwischen durch jährliche Treffen der Präsidien, durch gemeinsame Arbeitssitzungen der Ausschüsse des Bundestages und der Nationalversammlung vertieft, aber auch durch jährliche Treffen von parlamentarischen Freundschaftsgruppen.

1989 reisten Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Parlamentspräsident Laurent Fabius gemeinsam nach Moskau, um die Lage nach dem Mauerfall zu erörtern. Im September 1999 trafen sich deutsche und französische Abgeordnete mit ihren russischen Kollegen in Moskau.

Die EU-Osterweiterung, die Frage der institutionellen Reformen und der Vertiefung der EU, aber auch die neuen Anforderungen an eine koordinierte europäische Außendarstellung und Verteidigungskonzeption, wie sie mit der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) implementiert werden sollen, benötigen das bewährte Tandem aus deutscher und französischer Politik. In eben dieser Erkenntnis – und ganz in der Tradition des Élysée-Vertrages – etablierten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques Chirac im Januar 2001 in Blaesheim regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs sowie ihrer Außenminister.

Was bedeuten also 40 Jahre Élysée-Vertrag? Es gibt kein politisches Perpetuum mobile, das die deutsch-französische Freundschaft und mit ihr die europäische Einigung automatisch voranbringen wird. So kann der vierzigste Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages als ein zweifaches Sinnbild erscheinen: Er ist Beispiel für ein kluges Lernen aus der Geschichte, das die deutsch-französische Aussöhnung und den Neuanfang beider Länder seit 1945 möglich machte; und er ist zugleich eine Erinnerung daran, das Erreichte niemals als vernachlässigbare Routine zu missdeuten. Diese Erinnerung braucht immer auch sinnfällige Symbolik. Und das diesjährige Treffen der Parlamentarier Frankreichs und Deutschlands in Versailles ist ein solches würdiges Symbol deutsch-französischer Freundschaft.



Die deutsch-französische Parlamentariergruppe

Über den Rhein hinweg wirkt die 1959 gegründete deutsch-französische Parlamentariergruppe, eine der ältesten des Bundestages. Unter dem Vorsitz von Andreas Schockenhoff zählte sie gegen Ende der 14. Wahlperiode 68 Mitglieder. Als eine der aktivsten Parlamentariergruppen organisierte sie zahlreiche Veranstaltungen und Treffen, die in ihrer Anzahl und Vielfalt weit über das Übliche hinausgehen.



Treffen der deutsch-französischen Parlamentariergruppe

* Juli 1999: Gespräche mit dem Präsidenten der Assemblée national und dem französischen Minister für Europaangelegenheiten in Paris.
* Dezember 1999: Gespräche über europäische Themen sowie die Erfolge und Probleme des deutschen Föderalismus.
* Juni 2000: Sitzungen mit Mitgliedern der französischen Parlamentariergruppe und der Europaausschüsse beider Parlamente.
* November 2001: Kolloquium Paris–Berlin zur Gentechnik.
* Februar 2002: Gespräche mit Vertretern der französischen Medien über die französische Sicht zu den bevorstehenden Wahlen in Deutschland.
* Juni 2002: Diskussion über den Transport bestrahlter Brennelemente und die Zukunft der Atomenergie in Deutschland.


Chronik der deutsch-französischen Zusammenarbeit

Stimmen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0302/0302018a
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