Bildwortmarke des Deutschen Bundestages . - Schriftzug und Bundestagsadler
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ  |  Druckversion
 
Startseite > AUSSCHÜSSE > Archiv > Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft >
14. Wahlperiode
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]


Protokoll-Nr. 14/18


DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
14. Wahlperiode
22 38-24 50


Wortprotokoll

der

18. Sitzung

des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
(10. Ausschuß)



Öffentliche Anhörung zu den
Auswirkungen der Beschlüsse zur Agenda 2000
auf die deutsche Land- und Forstwirtschaft



am 16. Juni 1999, 9.30 Uhr
(Bonn, Bundeshaus, Wasserwerk)



Vorsitz: Peter Harry Carstensen (Nordstrand), MdB


Seite


Einziger Punkt der Tagesordnung


Öffentliche Anhörung zu den

Auswirkungen der Beschlüsse zur Agenda 2000 auf die deutsche Landwirtschaft 9 - 67



Sachverständigenliste 6 - 8
Anlagen 1 ? 8: Eingangsstatements 67 - 107
Anlage 9: Fragenkatalog 108 - 111



Der Vorsitzende erinnert daran, daß die CDU/CSU-Fraktion hierzu einen Antrag auf Ausschuß-Drucksache 14/056 vorgelegt habe und daß im Ausschuß Einvernehmen darüber bestanden habe, sich nach den Beschlüssen zur Agenda 2000 im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung eingehend mit den Auswirkungen der Beschlüsse zu befassen.
Er begrüßt die geladenen Sachverständen (Anlage) und dankt ihnen für die Bereitschaft, zur Beantwortung der Fragen der Ausschuß-Mitglieder zur Verfügung zu stehen. Auf Grund des komplexen Spektrums der Anhörung habe man bewußt einen sehr breiten Kreis von Sachverständigen, Verbandsvertretern und Vertretern der Bundesländer geladen, um auf der Grundlage dieser Erkenntnisse die notwendigen Schlüsse im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung ziehen zu können.
Auch weist er darauf hin, daß das Sekretariat die Sachverständigen vorab um die Beantwortung eines Fragenkatalogs gebeten habe. Soweit diese Stellungnahmen rechtzeitig eingegangen seien, habe man diese auch als Ausschuß-Drucksachen verteilt. In jedem Falle würden sie aber auf den Tischen vor dem Eingang ausliegen. Der Vorsitzende bittet nun die Sachverständigen um die Abgabe möglichst kurz gehaltener Statements, um im Anschluß daran, mit einer ersten Fragerunde zu beginnen.

Harry Czeke, Vorsitzender des Vorstandes der Agrargenossenschaft e. G. Schlagenthin (Statement Anlage 1)

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Institut für Betriebswirtschaft, Agrarstruktur und ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode führt dazu aus, daß er überzeugt sei, daß die Liberalisierung und Globalisierung im Agrarbereich zügig voranschreiten werde. Über diesen Prozeß würden nicht die Agrarier, sondern andere entscheiden, nicht zuletzt auch die deutsche Wirtschaft sowie der Deutsche Bundestag. Wenn dies richtig sei, dann werde die Zukunft der deutschen Landwirtschaft zunehmend davon abhängig sein, wie wettbewerbsfähig sie sei. Zur Zeit sei sie in wichtigen Produktionszweigen international nicht hinreichend wettbewerbsfähig. Aus diesem Grunde spreche vieles dafür, eine Politik zu betreiben, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft aktiv fördere. Hier gebe es noch eine Galgenfrist von maximal 20 Jahren, in der dieser Prozeß abgeschlossen sein müsse.
Vor diesem Hintergrund sehe er die Diskussion um die Agenda 2000 außerordentlich problematisch. Zunächst sei die Agenda in Deutschland bekämpft worden, jetzt würden die Wunden geleckt und im nächsten Schritt gebe es dann eine vorhersehbare Diskussion um die Mittelverteilung infolge der Agendabeschlüsse. Hier gebe es viele Ausgestaltungsmöglichkeiten und es sei absehbar, daß die Vertreter des Bundes sowie auch die Vertreter der Länder auch untereinander in erster Linie darauf achteten, wie die von der Kommission zur Verfügung gestellten Instrumente am besten zum Vorteil des eigenen Bundeslandes genutzt werden können. Dies bedeute eine kurzfristige Verteilungspolitik. Auch bei der Milchquotengesetzgebung laufe die Entwicklung in die gleiche Richtung. Somit sei eine Politik der kurzfristigen Entscheidungen vorprogrammiert, die langfristig ganz allmählich zu einer Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und zu einem Leerlaufen insbesondere des deutschen Standortes im Bereich der Tierhaltung führe.
Dies sei die Problematik der Agenda 2000. Daher sollte jetzt nach vorne geschaut und überlegt werden, wie vor dem Hintergrund der Agenda 2000 das Beste daraus gemacht werden könne. Dies sei ein Appell an die bevorstehende Diskussion.

Prof. Dr. Cay Langbehn, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Statement Anlage 2)

Prof. Dr. Winfried von Urff, Lehrstuhl für Agrarpolitik der Technischen Universität München, führt dazu aus, daß mit der Agenda 2000 eine Preissenkung bei wichtigen Produkten beschlossen worden sei, die durch Ausgleichszahlungen nur teilweise kompensiert werde. Dies bedeute insgesamt einen Erlösausfall und damit einen Einkommensrückgang für die deutsche Landwirtschaft. Über die Höhe könnten nur sehr detaillierte Berechnungen Auskunft geben, denn man dürfe die derzeitige Situation nicht mit einer Situation im Jahre 2005 mit Agenda 2000 vergleichen, sondern nur, was wäre im Jahre 2005 bei Fortsetzung der bisherigen Politik und was wird kommen im Jahr 2005 mit der Agenda. Wenn man diese Berechnungen durchführe, komme man zu etwas anderen Ergebnissen, als wenn man den jetzigen Status mit der Situation in der Zukunft vergleiche.
Mit Sicherheit könne man sagen, daß die Auswirkungen am stärksten seien in Ackerbaubetrieben auf ungünstigen Standorten, auf denen der Ölsaatenanteil eine wichtige Rolle spiele. Ackerbaubetriebe auf günstigen Standorten würden weniger darunter leiden. Futterbaubetriebe, die auf Rindermast spezialisiert seien, würden nicht so stark betroffen sein wie ursprünglich vermutet. Die Milchviehbetriebe würden erst in einer etwas ferneren Zukunft betroffen sein. Dies zeige insgesamt, daß die Belastungen dort am größten sein werden, wo extrem ungünstige Standortbedingungen vorliegen, wozu weite Teile der neuen Bundesländer gehörten. Im vor- und nachgelagerten Bereich würden die Auswirkungen vermutlich nicht so stark sein, wie gelegentlich angenommen worden sei.
Er stimme den Kollegen in der Argumentation zu, daß man sehr vorsichtig ? wenn auch mit möglicherweise guter Absicht ? dabei sein müsse, durch Bindung der Ausgleichszulagen an andere Kriterien als den Einkommensausgleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nicht noch mehr zu belasten.
Zu den Stichworten Öko- und Sozialdumping in dem Fragenkatalog bemerkt er, daß man mit diesen Begriffen sehr vorsichtig umgehen müsse. Alle internationalen Verträge und Vereinbarungen würden festlegen, daß der Umgang mit den natürlichen Ressourcen in die Souveränität jedes einzelnen Staates falle. Allenfalls bei grenzüberschreitenden Effekten könne man sich einmischen. Er würde es sehr begrüßen, wenn es zu internationalen Vereinbarungen käme. Als Instrument zur Abwehr von Einfuhren könne man Ökodumping allerdings nicht verwenden.
Das gleiche gelte für das sog. Sozialdumping. Dahinter stehe die Tatsache, daß es Länder gebe mit niedrigeren Löhnen und Sozialleistungen. Dies seien komparative Kostenvorteile der dortigen Volkswirtschaften. Dahin gehörten arbeitsintensive Produktionsweisen. Wenn man sich dagegen wehre, das, was dadurch hergestellt werde, zu importieren, schade man denjenigen, die man unterstützen wolle, da man ihnen die Basis dafür entziehe, daß es zu einer Verbesserung im Lohnniveau und im sozialen Bereich komme. Voraussetzung dafür sei ein gewisser Wohlstand durch Handel entsprechend den komparativen Vorteilen.
Was die Reduzierung des deutschen Nettobeitrages bei den Verhandlungen betreffe, so habe die Bundesregierung hier nur wenig erreicht. Allerdings warne er davor, dies Argument des deutschen Nettobeitrages zu sehr zu strapazieren. Er vollziehe sich über die Regionalfonds und dort sei ein finanzieller Transfer gewollt, da es in der EU keinen Finanzausgleich gebe. Er vollziehe sich über die Agrarpolitik. Hier sei er ungewollt und das Ergebnis sei zufallsbedingt. Aber es seien Eingriffe in den Markt, die Kosten verursachen, die nicht unmittelbar und ausschließlich dem Land zugute kämen, in dem die Eingriffe erfolgen.
Nicht nachvollziehen könne er das Argument, daß von den insgesamt 80 Mrd. DM für die Landwirtschaft nur weniger als die Hälfte bei den landwirtschaftlichen Betrieben ankämen. Es gebe hier ein System gestützter Preise, mit dem die Preise, die der Verbraucher letztendlich bezahle, über die Weltmarktpreise gehalten würden. Zur Aufrechterhaltung dieses Systems seien Markteingriffe notwendig - Intervention und Exporterstattungen - und daher könne man nicht argumentieren, von diesen einzelnen vorgenommenen Interventionen gelange nur ein Bruchteil X bei den Landwirten. Sie seien notwendig, um das System als solches zu erhalten. Wenn man diesen Effekt korrigieren wolle, dann müsse man auch das System als solches korrigieren. Die Agenda gehe mit einer Umschichtung auf Direktzahlungen einen Schritt in diese Richtung, bleibe allerdings weit dahinter zurück. Je mehr man den Selbstversorgungsgrad von 100 % überschreite, um so ineffizienter werde ein solches System. An diesem Mangel kranke man zur Zeit, der auch durch die Agenda nicht grundlegend geändert werde.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram, Lehrstuhl für Marktforschung Universität Bonn, führt dazu aus, daß er sich auf die Frage mit den Finanzierungsaspekten konzentrieren werde, wozu er einige Thesen formuliert habe (Anlage 3).

These 1: Die Ausgaben des EAGFL steigen durch die Agenda 2000 vor allem zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland.
Durch die Umstellung der Einkommenserwirtschaftung aus der preisabhängigen auf die subventionsabhängige Einkommsenssituation ergebe sich diese Erhöhung zwangsläufig. Die Bundesrepublik sei mit 30 % an den gesamten Ausgleichszahlungen beteiligt, und damit auch auch den Subventionen der Agrarprodukte, wodurch die Lebenshaltungskosten in allen Ländern in einem entsprechenden Umfang gesenkt würden. Dies sei im Hinblick auf die Zielsetzung richtig, daß nämlich aus den finanz- und wirtschaftsstärkeren Ländern Kapital in die schwächeren Länder abfließe. Voraussetzung für einen entsprechenden Kapitalabfluß sei für einen Ökonomen allerdings, daß mit diesem Kapital Wachstumseffekte erzielt würden, daß also die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern verringert würden, um deren Heranführen zu ermöglichen. Hierfür seien in der Agenda 2000 keinerlei entsprechende Konzepte enthalten. Das Geld werde weiterhin verschwendet.

These 2: Hier unterscheide er sich von seinem Kollegen Prof. Dr. von Urff. Weniger als 50 % der aufgewandten Staatsaufgaben würden einkommenswirksam zu Gunsten der Landwirtschaft sowie der vor- und nachgelagerten Sektoren. Die Kosten beliefen sich auf 80 Mrd. DM pro Jahr. Dies bedeute, daß 40 Mrd. DM den europäischen Volkswirtschaften ohne Gegenleistung entzogen würden. Von 1980 bis jetzt seien ca. 1,6 Billionen einschließlich Zinsen in den Agrarsektor geflossen. Davon seien wiederum eine Billion den Volkswirtschaften ohne Gegenleistung entzogen worden. Der Fragenkatalog in den Punkten 6 und 7 mache Zweifel hieran deutlich.

Die Gründe dafür seien folgende: Es gebe hierzu zwei Berechnungsarten, die relativ leicht überprüfbar seien. Im Bereich Milch würden die Marktordnungskosten bei 6 Mrd. DM liegen. Dies bedeute bei einem Überschuß von 14 Mio. Tonnen, daß die entsprechenden Kosten bei 43 Pfennig pro Liter Milch liegen. Wenn man z. B. einen Betriebstypen aus dem Beratungsring Milchviehhaltung im unteren Viertel nehme, so liege dieser bei einem Einkommen von 12 Pf/l Milch, was im EU-Vergleich überdurchschnittlich sei. Bezogen auf die 43 Pfennig pro Liter Milch bedeute dies eine Einkommenswirksamkeit von 28 % und damit eine Vernichtung des Kapitals in Höhe von 72 %.
Bei Getreide sei dies etwas komplizierter, s. Schaubild 1 der Anlage 3, dem ein 30-ha-Betrieb zugrundeliege. Wenn man die letzte Säule auf dem Schaubild heranziehe, wo der Betrag im ersten Bereich bei 50 Dezitonnen je ha liege, so würde der Betrieb jetzt nach den Agenda-Beschlüssen 21.500 DM Prämie erhalten. Auf Grund von Preis- und Kostenbedingungen habe der Betrieb einen Verlust von 1.600 DM.
Bei einem Betrieb mit 85 Dezitonnen ? das wäre die zweite Säule auf dem Schaubild ? würde die Einkommenswirksamkeit bei ca. 38 % liegen, was einen Verlust von 12.300 DM bedeute.
Dem Schaubild 2 liege ein 100-ha-Betrieb zugrunde. Bei einem Ertrag von 50 Dezitonnen würde bei 69.000 DM Stützung die Einkommenswirksamkeit bei 25 % liegen mit einer entsprechenden Kapitalvernichtung von 75 %.
Dem Schaubild 3 liege ein 1.000-ha-Betrieb zugrunde. Hier liege bei einem Ertragsniveau von 50 Dezitonnen die Einkommenswirksamkeit der Ausgleichszahlungen bei 64 %. Auf Grund der Kostenverhältnisse sei dieser Prozentsatz hier günstiger. Erst bei einem Ertrag von 85 Dezitonnen würde die Einkommenswirksamkeit bei 100 % liegen.
Zusammengefaßt rechne er damit, daß von den Aufwendungen für den Getreidesektor etwa 40 % einkommenswirksam werden, was bedeute, daß 60 % des eingesetzten Kapitals vernichtet würden.
Dies sei auch bei der Exportsituation erkennbar. So verursache eine Tonne Überschußgetreide Kosten in Höhe von ca. 170 DM (Beihilfe, Exporterstattungen usw.). Von diesen 170 DM blieben 50 DM übrig, so daß den Volkswirtschaften hier wiederum 120 DM entzogen würden.
Bei der Butter sei das Verhältnis ähnlich, also knapp ein Drittel einkommenswirksam, der Rest Kapitalverlust. Dies bedeute, daß die Einkommenswirksamkeit der EU-Aufwendungen nicht unwesentlich unter 50 % liege. Sicherlich sei die Diskussion um die Senkung des deutschen Nettozahlerbeitrages wichtig. Viel wichtiger sei aber die Erhöhung der Effizienz des eingesetzten Kapitals.

Dr. Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (Statement Anlage 4).

Dr. Volker Petersen, Deutscher Raiffeisenverband (Statement Anlage 5). Abschließend: Der DRV begrüße es ausdrücklich, daß im Hinblick auf die notwendigen weiteren Strukturanpassungen, insbesondere auch im vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereich im Rahmen der Verordnung für den ländlichen Raum auch die Förderung der Verbesserung der Vermarktungsstruktur gemeinschaftsweit beibehalten worden sei. Man appelliere hier an den Bund sowie an die Bundesländer, für diese Maßnahmen auch in Deutschland die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, da man sich davon einen weiteren positiven Effekt für die weitere strukturelle Entwicklung vor dem Hintergrund der erschwerten Rahmenbedingungen erwarte.

Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Alfred C. Toepfer International GmbH, Bundesverband der agrargewerblichen Wirtschaft, führt dazu aus, daß die Agenda 2000 u. a. mit dem Ziel angetreten sei, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft international zu stärken, insbesondere auch vor dem Hintergrund, daß klar abzusehen sei, daß in der nächsten WTO-Verhandlungsrunde über einen weiteren Abbau der Subventionen im Agrarexport ganz generell entschieden werde. Dies Ziel sei nur teilweise erreicht worden. Insbesondere im Getreidebereich werde künftig zunehmend Weizen auf dem Weltmarkt ohne Exporterstattungen abgesetzt werden können. Hier, und nicht auf den EU-Märkten würden die zukünftigen Märkte liegen. Wenn man auch im Bereich des Futtergetreides künftig ohne Exporterstattungen auskommen wolle, werde es unerläßlich sein, von der im Berliner Beschluß enthaltenen Revisionsklausel Gebrauch zu machen und damit weitere Preissenkungen vorzunehmen. Die Annäherung an die Weltmarktpreise sei in diesen Bereichen nicht gelungen.
Dies habe entsprechende Konsequenzen auf die Bereiche der tierischen Produkte, die dann weiter unter den begrenzten Exportmöglichkeiten leiden werden. Mit den jetzt beschlossenen Preissenkungen sei es unausweichlich, daß die Interventionsbestände in der EU unverändert hoch blieben. Eine Alternative wäre sicherlich nur eine politisch nicht zu vertretende sehr hohe Flächenstillegung. Gerade die Flächenstillegung verdeutliche die Inkonsistenz der Agrarpolitik. Auf der einen Seite würden Prämien gewährt für die Produktion, andererseits aber würden Produktionsverbote erlassen.
Was die Fortsetzung des Strukturwandels in der Landwirtschaft betreffe, so werde sich dieser auf die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche auswirken und eine weitere Konsolidierung auch in diesen Bereichen unausweichlich machen.

Dirk Detlefsen, Bund der Deutschen Landjugend (BDL), (Statement Anlage 6)

Wolfgang Reimer, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V., Rheda Wiedenbrück, führt dazu aus, daß die Globalisierungsdiskussion differenzierter geführt werden müsse. So würden alle großen Industrienationen trotz ihres hohen Transportanteiles im Industriebereich weniger als 10 % des Bruttosozialproduktes vom Weltmarktexport erzielen, im Agrarbereich seien es noch weniger. Deshalb könne sich die Wirtschaftspolitik nicht nur an den Großunternehmen orientieren, sondern auch am Mittelstand, am Einzelhandel und den zahlreichen regionalen Warenkreisläufen. Eine entsprechende Differenzierung müsse auch bei der Agrarpolitik erfolgen. Für die Landwirtschaft bedeutete dies, daß man in den Bereichen Getreide und Ölsaaten die Weltmarktorientierung in absehbarer Zeit nicht rückgängig machen könne.

Die Frage stelle sich jetzt, ob man im Milchbereich den gleichen Weg gehe. Der Berliner Gipfel habe gezeigt, daß die Weltmarktorientierung bei der Milch nicht bezahlbar sei. Deshalb habe man die Reform verschoben. Es sei unrealistisch zu glauben, daß man im Milchbereich sowohl auf nationaler wie auch EU-Ebene im Hinblick auf den Weltmarkt wettbewerbsfähig werde. Selbst die sog. leistungsfähigen Betriebe, und zwar die staatlich geförderten Boxen-Lauf-Stall-Betriebe seien die ersten, die bei einem Milchpreis unter 55 Pfennig aufgeben müßten, sofern der Staat ihnen nicht helfe und sie ein zweites Mal hochsubventioniere. Ein 20-Kuh-Betrieb im Allgäu, der noch nicht verschuldet sei, würde diesen Prozeß noch länger durchhalten. Dagegen würden die großen Betriebe, die stark verschuldet seien, diesen Prozeß nicht durchhalten, sofern der Staat sie nicht subventioniere. Damit werde allerdings die Wettbewerbsfähigkeit nicht gestärkt. Hier sei zu überlegen, ob man nicht bei Milch den Weg ähnlich wie in Kanada mit dem sog. AC-Modell gehe, wonach der Inlandsverbrauch kostendeckend bezahlt werde und alles, was darüber hinausgehe, nach den jeweils zu erlösenden Weltmarktpreisen bezahlt werde.
Man habe in anderen Bereichen, wie z. B. Zuckerrüben, vergleichbare Modelle. Die dort auftauchenden Probleme seien jedenfalls lösbar. Zwar sei dies nicht ganz WTO-konform, aber es käme auch darauf an, mit welcher Einstellung man in die nächste Verhandlungsrunde gehe. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß die USA nicht generell der Liberalisierung das Wort redeten, sondern sie nur in den Bereichen einsetzen, wo sie stark seien. Im Milchbereich hätten die Amerikaner auch Stützungssysteme.
Sicherlich brauche und werde die Landwirtschaft im EU-Bereich ein Stück in Richtung Liberalisierung und Globalisierung gehen. Auf der anderen Seite benötige man für die Betriebe, und zwar die große Mehrheit, die hierzu nicht in der Lage sein werden, alternative Entwicklungsmöglichkeiten, wie dies der EU-Agrarkommissar auch gesehen habe. Bei einem strikten Liberalisierungsdogma wäre das heutige Europa und seine Kulturlandschaft nicht mehr erkennbar.
Er plädiere daher dafür, nicht den Weg einer totalen Preissenkung wie im Marktfruchtbereich zu gehen, sondern eine andere Position einzunehmen. Daneben müsse die Zweite Säule gestärkt werden, da ansonsten dem ländlichen Raum, der Landwirtschaft, der Umwelt und den Verbrauchern schwerer Schaden zugefügt werde.
Schließlich sei die jetzige Agenda 2000 noch nicht WTO-fähig. Tatsache sei, daß sich die europäische Agrarpolitik in der Vergangenheit an den USA orientiert habe. Da diese ihre Ausgleichszahlungen aus der Bluebox herausgenommen und damit produktabhängig gemacht hätten, damit sie WTO-konform werden, müsse davon ausgegangen werden, daß die europäischen Ausgleichszahlungen, soweit sie noch in der Bluebox und damit produktabhängig seien, die nächste WTO-Runde nicht überstehen werden. Hier müsse unterschieden werden, welche Ausgleichszahlungen der Öffentlichkeit gegenüber zu vertreten seien, welche ökonomisch und ökologisch sinnvoll seien und welche im Rahmen der WTO-Runde verteidigt werden müssen. Hierzu gehörten überwiegend diejenigen Ausgleichszahlungen, die in die Zweite Säule passen. Die Zweite Säule sei keine Bedrohung der Weltmarktorientierung, sondern das notwendige Standbein der Strukturen in Deutschland und ganz Europa.

Christof Weins, Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU), Bonn, weist darauf hin, daß die Vorlage der Kommission ein erster Schritt in die richtige Richtung sei, da es Ansätze auch zu einer stärkeren Integration von Umwelt und Naturschutz in die Agrarpolitik gegeben habe. Die Ergebnisse nach dem Berliner Gipfel seien bedingt zukunftsfähig. Die Chance, Umweltaspekte EU-weit in die Agrarpolitik zu integrieren, sei nicht genutzt worden, ebensowenig die Möglichkeit, durch Umschichtung des Agrarhaushaltes naturverträgliche Produktionsverfahren substantiell besser zu fördern. Diese sog. Zweite Säule sei nach dem Gipfel von Berlin nurmehr Rhetorik. Die Mittel hierfür seien nicht, wie ursprünglich geplant, aufgestockt, sondern unter dem Strich abgesenkt worden.
Die wesentlichen Probleme der Gemeinsamen Agrarpolitik blieben im wesentlichen ungelöst. Produktionsüberschüsse gebe es weiterhin und damit den Zwang zum Exportdumping, damit auch eine negative Einflußnahme auf die Landwirtschaft von Entwicklungsländern, den Abbau von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, die ungerechte Verteilung von Fördergeldern auf die landwirtschaftlichen Betriebe und nicht zuletzt die Umweltprobleme. Dies und die Herausforderungen durch die WTO-Verhandlungen sowie die anstehende Osterweiterung würden schon bald neuere Formen im Bereich der Agrarpolitik notwendig machen.
Die Preisausgleichszahlungen könnten nicht auf Dauer gewährt werden. Dies werde auch nicht die Gesellschaft akzeptieren. Der Druck, die spezifische Förderung der Landwirtschaft zu legitimieren, werde in Europa steigen. Aber auch von den Handelspartnern werde jetzt schon die Frage gestellt, warum der Agrarsektor in der EU jährlich mit 80 Mrd. DM unterstützt werde.
Der NABU sei überzeugt, daß nur eine Politik, die die soziale ökonomische und ökologische Herausforderung miteinander verzahne, zukunftsfähig sei, und die oben genannte Legitimation der Zahlungen dauerhaft erreiche. Die ökologischen Belange hätten bisher im Rahmen der Verhandlungen zur Agenda 2000 eine untergeordnete Bedeutung. Daher müßten jetzt die nationalen Möglichkeiten zu einer Verbesserung der Agrarumweltpolitik dringend genutzt werden.
An den Bund und die Bundesländer werde daher appelliert, zu einer verbindlichen Integration des Umwelt- und Naturschutzes in die Agrarpolitik durch Anwendung der horizontalen Verordnung in Deutschland beizutragen. Auf nationaler Ebene müsse man sich auf ökologische und soziale Mindeststandards einigen, die für die volle Gewährung von Direktzahlungen einzuhalten seien. Die horizontale Verordnung schaffe auch die Möglichkeit für notwendige Differenzierungen. Dies sei auch deshalb notwendig, da die knappe Haushaltslage keine andere Möglichkeit lasse, die Zweite Säule finanziell zu stärken, weil bei Anwendung der horizontalen Verordnung und entsprechender Einsparungen, die hieraus erwachsen, diese Mittel für die ländliche Entwicklung zur Verfügung gestellt werden sollen. Dies sei auch ausdrücklich von den Agrarministern begrüßt worden.
Daher seien jetzt im Rahmen der Novellierung der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Entwicklung ländlicher Räume Schwerpunkte zu setzen. Diese müßten insgesamt zu einer naturverträglichen Entwicklung der ländlichen Räume führen. Hierzu gehörten in erster Linie Agrarumweltprogramme, die regionale Verarbeitung und Vermarktung sowie Ausgleichszahlungen in allen Bundesländern für Umwelt- und Naturschutzauflagen in beispielsweise FFH-Gebieten. Hierfür sollten als ein erster Schritt wenigstens 25 % der Finanzmittel der Gemeinschaftsaufgabe (GAK) und 25 % der entsprechenden Länderprogramme zur Entwicklung der ländlichen Räume zur Verfügung gestellt werden. Mit den Agrarumweltprogrammen sollte gezielt ökologische Leistung der Landwirtschaft zum Erhalt der Kulturlandschaft und zum Erhalt der biologischen Vielfalt ermöglicht werden.
Die letzte Forderung gehe dahin, von einer produktionsbezogenen Förderung in eine flächenbezogene Förderung einzusteigen und hier sehe die Rindfleischmarktordnung die Möglichkeit vor, eine Grünlandprämie einzuführen. Dadurch könnte jedenfalls teilweise die Benachteiligung der Grünlandstandorte durch die Agenda-Beschlüsse tendenziell aufgehoben werden.

Arnd Span, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Frankfurt/Main, erklärt, daß die Agenda 2000 Ergebnis eines geänderten gesellschaftlichen Wandels der Menschen in der Europäischen Union sei. Deren politische Vertreter hätten erklärt, diesen Wandel aufzugreifen und in konkrete politische Gestaltung umzusetzen. Es sei sicherlich systemimmanent, daß es bei entsprechenden Prozessen Gewinner und Verlierer gebe. Dies führe zu einer Positionierung der unterschiedlich Betroffenen und entsprechenden Zustimmungen oder Ablehnungen von Vorschlägen und Beschlüssen.
Als Teil der Gewerkschaften auch der europäischen Gewerkschaften, und Teil der außerlandwirtschaftlichen Gewerkschaften habe man den Kommissionsentwurf seinerzeit begrüßt und dies mit einer Reihe von Forderungen verbunden. Man habe erklärt, daß der Kommissionsentwurf in vielen Bereichen den gesellschaftlichen Wandel der Erwartungen an die Landwirtschaft wiedergebe.
Hintergrund dieses Wandels sei die Tatsache, daß es sich um einen Sektor handele, der in hohem Maße öffentlich subventioniert werde und auch entsprechend dem staatlichen Dirigismus unterliege. In der Gesellschaft gebe es aber andere Grundsätze wie Offenheit, Vielfalt, Befriedigung unterschiedlichster Anforderungen. Diesen Bedürfnissen werde die Agrarpolitik in zunehmendem Maße nicht gerecht, was dann zu künstlichen Gegensätzen wie Weltmarktorientierung und regionaler Orientierung führe. Während in den übrigen Bereichen die Regeln der Markt- bzw. sozialen Marktwirtschaft Anwendung fänden, würden die Agrarsysteme außen vorbleiben.
Die Gesellschaft stelle an die Landwirtschaft spezifische Anforderungen, die über Anforderungen in anderen Bereichen zum Teil weit hinausgingen. Dies beruhe darauf, daß derjenige, der über einen großen Anteil natürlicher Ressourcen verfüge und insbesondere einen großen Anteil der Lebensmittel produziere, naturgemäß unter einer sehr intensiven öffentlichen Kontrolle stehe. Nachdem man dem Grundbedürfnis, die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen entsprochen habe, habe die Gesellschaft neue Anforderungen an die Landwirtschaft gerichtet. So gebe es inzwischen ein hohes gesellschaftliches Interesse mit ganz dezidierten Anforderungen an die Agrarproduktion. An diesen zentralen gesellschaftlichen Forderungen müsse sich die Agrarpolitik auch ausrichten.
Daher stehe für die IG BAU bei der Analyse der Agenda 2000 an erster Stelle der Faktor Beschäftigung. Dieses zentrale Problem sollte noch intensiver erörtert werden. Hierbei gehe es um internationale Auswirkungen sowie um die Fragestellung, die unter dem Stichwort europäisches Landwirtschaftsmodell diskutiert werde.
Nicht zustimmen könne er den Ausführungen von Prof. Dr. von Urff, wonach dieser Öko- und Sozialdumping als komparative Kostenvorteile bezeichne. So sei z. B. die Nichtumsetzung der Trinkwasserrichtlinie in Spanien ein klarer Ökodumpingverstoß gegen EU-Recht und kein komparativer Kostenvorteil, sondern Dumping zu Lasten der eigenen Bevölkerung und zu Gunsten eines bestimmten gesellschaftlichen Sektors, was radikal ausgeschlossen werden sollte.

LM Till Backhaus, Mecklenburg-Vorpommern, führt dazu aus, daß Mecklenburg-Vorpommern von den Agenda-Beschlüssen besonders betroffen sei. Deshalb habe er gemeinsam mit dem Bauernverband sowie mit den Interessengruppen des Landes in diesem Diskussionsprozeß intensiv zusammengearbeitet. Der Strukturwandel im Agrarbereich sei im Lande noch nicht zum Stillstand gekommen, sondern im Gegenteil durch die Agenda-Beschlüsse weiter beschleunigt worden. So seien z. B. 1989 im landwirtschaftlichen Bereich noch 187.000 Menschen beschäftigt gewesen, während es jetzt im Primärbereich nur noch 24.000 Menschen seien.
Ein Hauptthema sei daher in den neuen Bundesländern und insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern die einseitige Benachteiligung der größeren Unternehmen, was es zu verhindern gelte und damit insbesondere die Instrumente Obergrenze, Degression und Modulation.
Beim zweiten Thema gehe es um die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, die Durchführung einer flächendeckenden nachhaltigen Landbewirtschaftung auch in der Zukunft sowie die dauerhafte Sicherung der befristet zugewiesenen Grundflächen. Für den ländlichen Raum sei es von ausschlaggebender Bedeutung, die dringend notwendige Ziel-1-Gebiet-Förderung zum Wohle der strukturschwachen ländlichen Räume in den neuen Bundesländern fortzusetzen. Dies sei bisher mit Erfolg gelungen, was man begrüße.
Es gehe jetzt darum, zu weiteren Investitionen im ländlichen Raum zu kommen und Diversifizierungen anzustreben, insbesondere im Bereich der Veredelungsproduktion.
Auch müsse das Instrument Kooperation stärker genutzt werden, sei es ein Mehrfamilienbetrieb oder ein wieder eingerichtetes Unternehmen. Hier seien noch eine Reihe von Potentialen nicht ausgeschöpft worden.
Schließlich dürfe die bevorstehende Osterweiterung nicht außer acht gelassen werden, was zu erheblichen Problemen der deutschen Landwirtshaft führen werde. Mit den Stichworten WTO- und USA-Problematik habe man sich ebenfalls intensiv auseinandergesetzt.
Gewünscht hätte man sich bei den Agenda-Beschlüssen eine ausgewogenere Kompensation der Preissenkung zur Vermeidung von Einkommenseinbußen in bestimmten Bereichen.
Ein weiteres Thema sei die gründliche Vereinfachung der Beihilfenregelung, um den Verwaltungsaufwand zu verringern und um damit auch das Anlastungsrisiko zu vermeiden. Auch gehe es ihm darum, immer wieder deutlich zu machen, daß man eine Verbesserung der Rahmenbedingungen benötige, um zu einer qualitativen Verbesserung der Lebensmittel zu kommen, sowie die Beschleunigung einer entsprechenden Produktion in Mecklenburg-Vorpommern. Hier sei in den letzten Jahren die Veredelungsproduktion ganz massiv zurückgegangen.
Daher gehe es darum, die Handlungsspielräume der Agenda 2000 konsequent zu nutzen und dies national und auf Länderebene umzusetzen, um dadurch zu einer Abfederung der kalkulierten Einkommenseinbußen für die Landwirtschaft zu kommen. Während man bei den Agenda-Vorschlägen von 550 Mio. Einkommensverlusten ausgegangen sei, rechne man jetzt mit ca. 200 Mio. Einbußen, was einem Verlust von 180 DM/ha entspreche.
Im übrigen gehe man davon aus, daß eine flächendeckende Landbewirtschaftung weiterhin möglich sein müsse und zwar auch unter den Bedingungen des Ölsaatenkompromisses und dessen Absenkungen, wobei man klar die Bemessungsgrundlage für die Übergangszeit auf die Ölsaaten abstelle.
Auch sei man der Auffassung, daß für eine umweltverträgliche Landwirtschaft die Extensivierungszuschläge im Zusammenhang mit einer sinnvollen Landbewirtschaftung umgesetzt werden sollten. Mecklenburg-Vorpommern gehöre im übrigen zu den tierärmsten Regionen Europas mit 0,5 GV/ha. Insofern halte er es nicht für sinnvoll, dies in zwei Extensivierungsklassen aufzuteilen.
Im Milchbereich sei Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich gegen eine Flächenbindung und für eine Unterstützung der aktiven Milcherzeuger sowie einen möglichst geringen Verwaltungsaufwand.
Mit den Beschlüssen zur Agenda 2000 seien die Handlungsspielräume für eine flächendeckende, umweltgerechte, nachhaltige Landbewirtschaftung geschaffen worden. Angesichts der bevorstehenden Verteilungskämpfe werde man zu ausgewogenen Lösungen kommen müssen. Auf Grund des schon jahrzehntelangen andauernden Strukturwandels werde er insbesondere versuchen, über die europäischen Fonds sowie die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes die investive Förderung zum Schwerpunkt zu machen und daneben die Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen.

MR Dr. Schick, Bayern, (Statement Anlage 7)

LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, macht darauf aufmerksam, daß die Agenda 2000 eine Konsequenz aus den GATT-Verträgen sei, die von allen Regierungschefs unterschrieben worden seien. Darin heiße es, daß sich die Europäische Union dem Weltmarkt öffnen müsse. Wenn dies richtig sei, dann sei auch eine Neuorientierung der Agrarpolitik erforderlich. Allerdings könne diese Anpassung nicht im Sturzflug erfolgen, sondern sie muß im Gleitflug flankierend begleitet und mit einem wirksamen Außenschutz versehen werden. Es müßten eindeutige Signale und mehr Politiksicherheit gegeben werden.
Bei Getreide, Rindfleisch und Raps halte Niedersachsen den Gleitflug für annähernd gelungen, auch wenn es dort einige Probleme gebe. Bei Milch werde die Verschiebung der Reform von 2005 auf 2008 zunächst begrüßt, da die entsprechende Entlastung in diesem Zeitraum für die Landwirte zwischen 300 und 800 Mio. DM liege. Allerdings bleibe das Problem, daß keine eindeutigen Signale im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Milchmarktordnung vorliegen. Viele Landwirte würden befürchten, daß der Anpassungsdruck nach 2005 um so heftiger wirken werde. Als besonders problematisch würden die Auswirkungen auf Quotenpreise eingeschätzt. Viele Landwirte seien der Auffassung, daß das, was durch zu hohe Quotenpreise abgeschöpft werde, viel mehr sei als das, was der Staat als Direktzahlungen leiste.

Eine weitere offene Frage sei die Finanzierung nach dem Jahr 2005. Man könne nur hoffen, daß eine vernünftige Regelung für den Übergang von Quoten zwischen den Betrieben gefunden werde.
Im Bereich Rindfleisch gebe es strukturelle Überschüsse und die ergriffenen Maßnahmen würden die Futterbaubetriebe hart treffen. Sehr unbefriedigend sei die Verteilung der Prämien, und zwar werde der Anpassungsspielraum der Betriebe durch die unterschiedlichen Prämien sehr eingeschränkt. Hinzu komme die enorme verwaltungsmäßige Belastung sowie das erhöhte Risiko, denn es gehe um viel Geld, was sowohl die Betriebe als auch das Land betreffe. Auf Grund eigener Berechnungen erwarte man, daß 22.000 Betriebe zusätzlich einbezogen werden, so daß die Reform mit zusätzlichen 175 Beamten durchgesetzt werden müsse. Insofern sei es jetzt den Landwirten schwer vermittelbar zu erklären, daß sich der Staat aus der Agrarpolitik zurückziehe, andererseits aber 175 Beamte zusätzlich zur Durchsetzung der Reform benötige.
Zur Flächenprämie habe Niedersachsen frühzeitig einen Vorschlag gemacht. Den damit verbundenen Problemen könne man ohne große Schwierigkeiten durch eine entsprechende Ausgestaltung mit zeitlicher Abfolge begegnen.
Was die Einkommenswirkungen betreffe, so würden sich die für Niedersachsen global abgeschätzten durchschnittlichen Einkommensminderungen auf 6,5 % (erste Stufe in 2002/03) bzw. 13 % (zweite Stufe in 2007/08) belaufen. Am stärksten seien die Marktfruchtbaubetriebe betroffen, also die Betriebe, die neben Getreide einen hohen Rapsanteil haben. Bei Futterbaubetrieben rechne man mit Minderungen in Höhe von 11 %. Die Veredelungsbetriebe seien nicht so stark betroffen.
Gleichwohl gebe es jetzt keinen Grund zu allgemeinem Pessimismus. Niedersachsen verfüge über eine leistungsfähige Landwirtschaft. Man sei der Auffassung, daß die Landwirtschaft ähnlich, wie sie die Reform nach 1952 gemeistert habe, auch diesmal noch Einkommensreserven werde mobilisieren können. Voraussetzung sei allerdings, daß es mehr Politiksicherheit gebe. Es müsse einen Mindestaußenschutz, eine wirksame Investitionsförderung sowie eine Förderung für die Verbesserung der Marktstrukturen geben.
Zweifellos werde sich der Strukturwandel im ländlichen Raum fortsetzen. Die Landwirtschaft werde künftig nicht allein den ländlichen Raum gestalten können. So werde zunehmend auch der nicht-landwirtschaftliche Bereich einbezogen werden müssen, um den ländlichen Raum mit Leben zu erfüllen. Insofern würden die Initiativen der Europäischen Union begrüßt, durch integrale Förderungsmöglichkeiten den ländlichen Raum zu stärken. Bei entsprechenden Maßnahmen müsse allerdings der Schwerpunkt auf investive Maßnahmen gelegt werden und weniger auf konsumtive Maßnahmen.
Ohne Zweifel würden umweltpolitische Maßnahmen zunehmende Bedeutung erhalten. Hier müsse sich die Landwirtschaft den verstärkten Forderungen der Gesellschaft stellen. Die Maßnahmen, die in der Vergangenheit unter der Überschrift 2078 erfolgt seien, seien allerdings nicht der Weisheit letzter Schluß. Die Nachhaltigkeit sei nicht gegeben. So würden die Landwirte nach den fünf Jahren wieder in ihre alte Wirtschaftsweise zurückverfallen. Darüber hinaus würden die Mittel auch nicht in dem Umfang in die sensiblen Gebiete fließen, wie dies der Fall sein müßte.
Nicht unproblematisch sei, daß diese Maßnahmen auch häufig sehr einkommenspolitisch genutzt würden, was zwischen den Bundesländern zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führe und daher zwischen diesen erörtert werden müsse.

Dr. Ludger Wilstacke, Reg.-Angest. im Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen, (Statement Anlage 8)

MDg Beyer, Sachsen, bemerkt, daß Sachsen von Beginn an das strategische Ziel der Kommission unterstützt habe, nämlich zum einen eine wettbewerbsfähige, zum anderen eine umweltgerechte Landwirtschaft als Zielkoordinaten zu wählen. Nicht zufrieden sei man mit den eingesetzten Instrumenten gewesen, und zwar insbesondere der Degression, die für die neuen Bundesländer erhebliche regionale Belastungen verursacht hätte, so in Sachsen einen Verlust von 15.000 Arbeitsplätzen. Insofern begrüße man, daß die Diskussion um die Degression und Obergrenzen für die nächste Zeit nicht mehr auf der Tagesordnung stehe. Auch sei positiv, daß die Basisflächen für die neuen Bundesländer verstetigt worden seien und daß es keine obligatorische 90-Tier-Grenze gebe.
In der gesamten Betrachtung müsse man im negativen Teil zur Kenntnis nehmen, daß einige Punkte zur Sorge Anlaß geben. So würden bei aller Vorsicht die Einkommensverluste bei den Landwirten bei ca. 140 DM/ha liegen, was insgesamt im Zieljahr zu 130 Mio. DM führe. Eine Folge davon werde ein weiterer Schub in der Rationalisierung sein sowie ein Beschäftigungsabbau, denn es gebe einige Betriebe, die vor Rationalisierungs- und Investitionsentscheidungen stehen. Er hoffe, daß diese Betriebe aus den Beschlüssen der Agenda genügend Motivation erhalten, die Entscheidungen positiv zu treffen.
Weiterhin sei festzustellen, daß die Agenda-Beschlüsse den Betrieben keine Planungssicherheit gegeben hätten, insbesondere auf Grund der aufgeschobenen Entscheidungen im Milchbereich, allerdings auch in anderen Bereichen und auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden WTO-Verhandlungen. Dies führe bei den Betrieben zu dem Problem, daß sie keine betriebswirtschaftliche Planungssicherheit hätten. Wenn der Abschreibungszeitraum einer Investition länger sei als die Halbwertzeit politischer Entscheidungen, dann werde das Politikrisiko für den Betrieb größer als das Witterungsrisiko.
Im übrigen könne er nur bestätigen, daß der Verwaltungsaufwand erheblich steigen werde. Man rechne hier mit einer Steigerung von 20 %, und zwar mit 20 bis 30 zusätzlichen Mitarbeitern sowie entsprechenden Sachkosten.
Auch werde das Anlastungsrisiko steigen. Hier erwarte man vom Bund etwas mehr Großzügigkeit und Kooperationsbereitschaft bei der Fragestellung, wie man mit Anlastungsrisiken umgehe. Es sei nicht sachgerecht, dies allein den Ländern zu überlassen. Auch sei richtig, daß es bei den Betrieben zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand kommen werde.
Ein weiterer Kritikpunkt gerade in den neuen Bundesländern sei, daß das Ungleichgewicht zwischen Tier- und Pflanzenproduktion, aus der Reform von 1992 nicht beseitigt worden sei. Dadurch werde die tierextensive Agrarwirtschaft in den neuen Bundesländern nicht mit neuen Impulsen für eine integrierte auch die Tierhaltung fördernde Produktion ermutigt.
Was notwendig sei, seien klare Signale für Investitionen zur Verbesserung und Entwicklung der Betriebe sowie für die Marktstrukturentwicklung. Die Wettbewerbsfähigkeit aus der Agenda 2000 lasse sich nicht allein durch Preissenkungen erzielen. Pa-rallel dazu müsse Erhebliches für die Vermarktung auf nationaler und internationaler Ebene unternommen werden. Sachsen werde daher wie in der Vergangenheit eine deutliche Aufstockung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes fordern. In der jetzigen Größenordnung sei sie absolut unzureichend, insbesondere, wenn man vorhandene Tatbestände erweitere. Dies sei ein Widerspruch in sich.
Nicht befürwortet werde die Anwendung der Modulation auf nationaler Ebene. Auch halte man die Cross-Compliance-Umsetzung über das Maß der guten fachlichen Praxis hinaus in Deutschland nicht für notwendig, um genügend Spielraum aus den flankierenden Maßnahmen, den Agrarumweltprogrammen der 2078 die zusätzlichen Leistungen ausreichend honorieren zu können. So seien Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen die drei Bundesländer mit den intensivsten Agrarumweltmaßnahmen, und zwar nicht nur im Sinne von Mitnahme- und Einkommenseffekten, sondern auch mit sehr evaluierbaren Leistungen für die Umwelt. Diese Agrarumweltmaßnahmen werde man künftig insbesondere in den landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten benötigen. So würden die Futterbau- und die Milchbetriebe unter den Agenda-Beschlüssen sehr zu leiden haben in diesen Gebieten, weshalb es unerläßlich sein werde, dieses Instrumentarium weiter auszubauen, was sowohl die Finanzausstattung als auch das Instrumentarium betreffe. Auch Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes gehörten dazu, den man als einen notwendigen Weg erachte. Zusätzlich benötige man agrarsoziale Begleitmaßnahmen, um den Strukturwandel zu flankieren.
Schließlich werde man die Umsetzung der Agenda über die Beratung und die Bildungsmaßnahmen betreiben, denn die Frage der Fähigkeit von Betriebsleitern werde künftig noch mehr zunehmen. Die Professionalität des Managements werde eine wesentlich größere Bedeutung haben als die Entscheidung über die Betriebsform oder die Rechtsform. Auch werde man alle Begleitmaßnahmen aus den Strukturfonds einsetzen, um den Nachholbedarf in den außerlandwirtschaftlichen Bereichen im ländlichen Raum über Dorfentwicklung, Flurneuordnung und dergleichen umfassend zu nutzen.

Abg. Ulrike Höfken bittet zum Bereich Milch um eine Bewertung des bestehenden Quotensystems incl. der Belastungen für die Erzeuger und bittet um eine Beantwortung der Frage, ob die jetzigeTendenz, - Stichwort ?Quotenpreise? ? ein Haupthemmnis der ganzen Entwicklung im Bereich der tierischen Produktion sei.
Auch bittet sie die sachverständigen Ökonomen um Mitteilung, welche Erwartungen sie im Hinblick auf den Weltmarkt hätten, insbesondere welche Chancen sie bei welchen Produkten unter welchen Voraussetzungen sehen und um eine Stellungnahme im Hinblick auf die Notwendigkeit, auf Grund der WTO-Beschlüsse die Maßnahmen greenbox-fähig, also produktunabhängig zu gestalten.
Schließlich stellt sie die Frage, wie die Beschlüsse zur Agenda 2000 zur entschiedenen Umsetzung der Umwelt-, Naturschutz- und Tierschutzziele genutzt und die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft honoriert werden können. Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Agrarpolitik seien insbesondere auch im Bereich der Beschäftigung sowie auch im Verbraucherschutz zu sehen. Es gehe darum, Ökonomie und Ökologie in Übereinstimmung zu bringen, worauf letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit basiere.

Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr nimmt zu den Stichworten Sozial- und Umweltdumping Bezug und weist auf die Wettbewerbsverzerrungen hin, die dadurch entstehen, daß bestimmte Standards wie z. B. Verbraucherschutz in Deutschland eingehalten werden, in anderen Ländern aber nicht. Er habe daher die Frage, warum im Bereich des Weltagrarhandels immer von Diskriminierungsverboten die Rede sei, in anderen Bereichen aber nicht.
Weiterhin bittet er um eine Einschätzung auch unter rechtlichen Aspekten für die Schaffung eines internen Milchquotensystems, das den aktiven Milcherzeuger stärke, nachdem die Agenda-Beschlüsse keine obligatorische, sondern eine fakultative Aufhebung der Flächenbindung vorsehen. Weiterhin sei von Interesse, wie sich eine Aufstockung der Quoten im kommenden Jahr und danach auf den Milchmarkt auswirke.
Eine weitere Frage gehe dahin, wie landesweit ein Anlastungsrisiko entstehe, ab wann damit zu rechnen sei und mit welchen Fehlern dies behaftet wäre.
Abschließend bittet er die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen um Mitteilung, ob sie eine Aufstockung der Agrarumweltprogramme beabsichtigen.

Abg. Jella Teuchner bittet um Auskunft über Einkommensauswirkungen auf die Landwirtschaft, wenn die ursprünglichen Kommissionsbeschlüsse zur Agenda 2000 beschlossen worden wären.
Weiterhin bittet sie den Vertreter Bayerns sowie den Deutschen Bauernverband um Mitteilung, mit welcher Strategie man den ländlichen Raum und insbesondere die Einkommen der Landwirte sichern wolle angesichts der Tatsache, daß auf Grund der bayerischen Verfassung der Staat für ein ausreichendes Einkommen in der Landwirtschaft Sorge tragen müsse, und mit welchen Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte, insbesondere der Milcherzeuger, verbessert werden solle.

Abg. Ulrich Heinrich bittet um eine Stellungnahme der sachverständigen Professoren zu der Aussage, daß sich von den 80 Mrd. DM im Agrarhaushalt nur 40 Mrd. bei den Landwirten einkommenswirksam auswirken.
Weiterhin interessiere ihn eine Einschätzung der Abhängigkeit der Landwirte sowohl vom Markt wie auch von der Politik sowie um eine Beurteilung des Unternehmertums Landwirtschaft als Ganzes unter dem Vorzeichen der Agenda 2000.
Weiterhin habe er vor dem Hintergrund der obigen Aussage, daß die Agrarmittel sehr ineffektiv eingesetzt werden, die Frage, wie dann die Osterweiterung finanziert werden solle.
Schließlich bittet er die Ländervertreter um Auskunft, welche Möglichkeiten sie sehen, im Rahmen der von der Agenda 2000 vorgesehenen kofinanzierten Programme flankierend einen Beitrag zu einer flächendeckenden Landbewirtschaftung zu leisten.

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer weist eingangs darauf hin, daß sich die Einkommenslage in der deutschen Landwirtschaft auch ohne die Beschlüsse zur Agenda 2000 verschlechtert hätte. Das Referenzsystem sei eben durch die bestehenden Verträge vorgezeichnet. Außerdem sollte sich der Bundestag darüber im klaren sein, daß er die künftigen politischen Rahmenbedingungen nicht völlig frei gestalten könne. Hier gebe es zu erwartende bindende Elemente wie die WTO-Runde, deren Ergebnisse man in etwa vorhersagen könne. Daher sei es für die Agenda-Debatte wichtig zu wissen, in welchem vorgegebenen Rahmen man sich bewege, und zu prüfen, welchen Spielraum er lasse.
Zu erwarten sei, daß alle Bereiche der Landwirtschaft künftig stärker vom Weltmarkt beeinflußt würden. Hiervon könne man nicht einzelne Bereiche ausnehmen. Gleichwohl sei man gut beraten, in weiten Teilen Deutschlands über Sonderwege nachzudenken, denn mit reiner Gigantomanie könne man auf dem Kostensektor den Weltexporteuren wie USA, Kanada und Australien nicht paroli bieten. Hier müsse man andere Wege gehen, wozu z. B. die Agrarumweltprogramme gehörten, die, wie dies der wissenschaftliche Beirat beim BML auch gefordert habe, stärker akzentuiert werden müßten. Dieses innere Gestaltungspotential müsse verstärkt genutzt werden, da die vorgegebenen Rahmenbedingungen ? WTO ? kaum änderbar seien.
Die Agenda-Beschlüsse würden allerdings zu wenig im Bereich Umweltprogramme vorsehen. Deshalb sei die Forderung nach einer Aufstockung dieser Zweiten Säule gerechtfertigt. Allerdings warne er davor, hier von der Möglichkeit der Agenda, Mittel von der ersten Säule durch Umwidmung auf die Zweite Säule zu übertragen, Gebrauch zu machen. Dies würde zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand und politischer Unklarheit führen. Vielmehr sollte die Agrarumwelt- und -verbraucherpolitik durch spezielle eigens dafür vorgesehene Instrumente verstärkt werden.
Im Bereich Milch bewege man sich in der Quadratur des Kreises. Hier werde auf die verschiedenartigste Weise versucht, die aktiven Milcherzeuger zu stärken, um das Durchreichen der Quotenrente an die Quoteneigentümer zu verhindern.

Von der speziellen Milchmarktpolitik würden die Quoteneigentümer auf Grund der Quoten nach den Gesetzen der Marktwirtschaft profitieren. Alle Versuche anderer Länder, die aktiven Milcherzeuger im Rahmen einer Pächterschutzpolitik zu stärken, seien in der Vergangenheit gescheitert, da die Verpächter immer Wege gefunden haben, diese Eingriffe zu umgehen. Es sei außerordentlich schwierig, den Abfluß der Quotenrente zu verhindern. Daher sei bei entsprechen politischen Maßnahmen Vorsicht geboten.

Als erstes seien politische Ziele zu formulieren, wozu durchaus die Beschäftigung im ländlichen Raum gehöre. Diese lasse sich langfristig nur erreichen, wenn es eine Wettbewerbsfähigkeit gebe, was wiederum unternehmerische Investitionen und daher entsprechende politische Rahmenbedingungen voraussetze. Im Bereich Milch gebe es nun das Problem, daß mit der Verschiebung der Reform die Planungsunsicherheit weiter andauere. Die Milchquote würde sich langfristig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft auswirken. Dieser Prozeß sei schleichend.

Er halte es daher nicht für richtig, die Quote so lange zu halten, bis auf Grund der WTO eine Fortführung nicht mehr möglich sei, sondern sie vielmehr möglichst schnell abzuschaffen, denn ein entsprechend klarer Beschluß würde sich sehr rasch senkend auf die Quotenpreise auswirken. Gleichzeitig müßte man die Landwirte sich innerhalb eines nach außen geschützten europäischen Milchmarktes nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage entwickeln lassen. Dies wäre ein besseres Signal für den ländlichen Raum als eine reine Quotenverteilungspolitik.

Auf keinen Fall sollte man jetzt zu dem Instrument des Verbots der Quotenpacht greifen. In dem Moment, wo die Pacht von Quoten verboten werde, werde sich in den kommenden Jahren die Interessenlage der Landwirtschaft anders gestalten, was letztendlich zu einer Perpetuierung des Quotensystems führen werde. Dies wäre aber wiederum negativ im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplatzsituation im ländlichen Raum. Entscheidend sei daher, bei allen möglichen Maßnahmen zum Quotensystem nicht die Pacht zu verbieten. Als Element einer Übergangsstategie mit klar definierten Ausstiegszeiträumen sei eine Poollösung oder ein Börsenmodell durchaus vorstellbar.

Prof. Dr. Cay Langbehn warnt davor, übereilt aus der Quote auszusteigen. Würde die Quote morgen nicht mehr bestehen, so hätte der gesamte Milchbereich existentielle Schwierigkeiten. Zur Zeit sei das Kilo Milch in Schleswig-Holstein mit 6 Pfennig Quotenkosten belastet. Bei einem Wegfall der Quote wäre jeder Milchbetrieb in der Lage, aus dem Stand heraus seine Produktion um ca. 20 % zu erhöhen. Der Marktpreis würde sich dann auf ein Niveau herunterentwickeln, wo von Kostendeckung keine Rede mehr sein könnte. Die Milchproduktionskosten würden heute bei den mittleren und guten Betrieben bereits in der Nähe des Milchpreises liegen. Das Angebot würde auf sinkende Milchpreise nur sehr schwerfällig reagieren.

Auf dem Weltmarkt sei langfristig mit einem Ansteigen der realen Weltmarktpreise zu rechnen, insbesondere bei Getreide. Allerdings sei dies mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet.

Wenn es zu dieser Entwicklung komme, sollte die Europäische Union auch ihre Transfers flexibel an diese veränderten Bedingungen anpassen. Im Moment jedenfalls seien die Transfers noch unverzichtbar, um eine ruinöse Entwicklung im Agrarsektor zu verhindern. Deutschland und Europa könnten auf Grund der Standortvorteile durchaus wettbewerbsfähig sein, wenn zugleich notwendige Strukturänderungen und der überfällige Abbau hausgemachter Wettbewerbsnachteile in Angriff genommen würden.
Bei der notwendigen Zielformulierung sei zu berücksichtigen, daß in Europa mit den guten Standorten nur eine intensive Produktion auch eine kostengünstige Produktion sei. Diese lasse sich durchaus auch mit notwendigen Umweltmaßnahmen verbinden, aber nicht im Wege von Verboten, sondern im Wege der Nutzung entsprechender technologischer Entwicklungen und diesbezüglicher Anreize. Im Falle von Verboten sei der Anschluß an den Weltmarkt nicht zu erreichen. Dies seien produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, an denen kein Weg vorbeiführe. Dies gelte auch für die Beschäftigung im ländlichen Raum, die allerdings nur dann sinnvoll sei, wenn sie auch produktiven Charakter habe.
Im übrigen wende er sich gegen die Aussage, Ökonomie müsse mit der Ökologie versöhnt werden. Vielmehr gehe es darum, ökologische Ziele klar zu definieren und mittels der Ökonomie festzustellen, wie diese Ziele am zweckmäßigsten erreicht werden könnten. Europa habe durchaus die Chance, eine kostengünstige Agrarproduktion zu betreiben und gleichzeitig der Gesellschaft die herrliche Kulturlandschaft zu erhalten.

Prof. Dr. Winfried von Urff antwortet auf die Frage des Abg. Ronsöhr, daß man sehr genau differenzieren müsse zwischen Standards, die sich auf die Qualität eines Produktes beziehen, Standards zu der Umweltverträglichkeit der Produktionsbedingungen und sozialen Standards.
Was die Produktstandards betreffe, so sei mit der Uruguay-Runde nicht nur das Landwirtschaftsabkommen verabschiedet worden, sondern auch ein Abkommen über sanitäre und fötosanitäre Standards. In Artikel 1 dieses Abkommens stehe, daß jedes Land das Recht habe, den Schutz der Gesundheit seiner Bürger durch entsprechende Qualitätsstandards für Nahrungsmittel sicherzustellen. Nach § 2 dürfe dies nicht diskriminierend wirken. Es müßten inländische und ausländische Produkte gleich behandelt werden. Auch dürfe nicht zwischen verschiedenen ausländischen Lieferanten differenziert werden. Weiterhin sei dort ausgeführt, daß sich entsprechende Standards auf wissenschaftliche Untersuchungen stützten müßten, und zwar insbesondere der sog. Codex Alimentarius.
Die Europäische Union sei Mitglied dieses Abkommens und befinde sich in der fatalen Situation, daß sie selbst den Einsatz von Hormonen in der Tiermast verboten habe auf Grund von Bedenken der Verbraucher. In den USA dagegen würden die Verbraucher dies überhaupt nicht als bedenklich empfinden. Es gebe bisher keine wissenschaftliche Untersuchung, die zu dem Ergebnis komme, daß der sachgerechte Einsatz von Hormonen in der Tiermast zu gesundheitlichen Schäden beim Menschen führe. Hieran müsse sich die EU als Zeichnerstaat halten. Die USA und Kanada seien der Auffassung, daß durch das Verbot der Einfuhr von Tieren oder Tierprodukten, bei deren Mast Hormone eingesetzt worden seien, ein nicht tarifäres Handelshemmnis aufgebaut worden sei, das einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalte. Das Panel des GATT sei im Schiedsverfahren zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Verstoß des Abkommens durch die EU vorliege. Die EU habe den wissenschaftlichen Nachweis, daß hier gesundheitliche Schäden zu befürchten seien, in der Frist bis zum 13. Mai nicht erbracht. In dem zugrunde liegenden Gutachten werde nur erklärt, daß bei übermäßigem Einsatz von Hormonen, also nicht entsprechend der guten fachlichen Praxis Bedenken bestehen können.
Die USA und Kanada drängten jetzt auf entsprechende Kompensationszahlungen oder darauf, den ursprünglichen Verstoß abzustellen, und hätten angedroht, notfalls Strafzölle zu erheben. Daher habe die EU keine andere Möglichkeit, als mit den USA und Kanada einen Modus vivendi zu finden, wenn sie nicht entsprechenden Sanktionen ausgesetzt sein wolle.
Was die Umweltverträglichkeit von Produktionsbedingungen betreffe, so verstoße die Landwirtschaft in den meisten Fällen gegen Umweltverträglichkeit im ganz strengen Sinne, wonach die Nachhaltigkeit in einer extremen Form gewährleistet sein müsse. Die Frage sei nur, inwieweit dies noch hinnehmbar sei, wo also die Produktion beginne, mit der objektiv Ressourcen zerstört werden. Optimal wäre natürlich, wenn man sich auf WTO-Ebene hierüber einigen könnte. Jedenfalls könne man anderen Ländern nicht unsere Vorstellungen von Umweltverträglichkeit vorschreiben und vor allem könne man nicht Handelsbarrieren errichten gegenüber Produkten, die nach unseren Vorstellungen nicht umweltverträglich hergestellt worden sein, während die produzierenden Länder diese Vorstellungen nicht haben. Dies betreffe z. B. Soja.

Insgesamt sei auffallend, daß sich die Entwicklungsländer dagegen wehrten, daß man ihnen Standards auferlege, die sie nicht einhalten können und womit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel verlieren würden. Dies gelte insbesondere für soziale Standards, für die diese Länder nach ihrer eigenen Einschätzung noch nicht reif seien und bei deren Einführung sie daher ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Damit würden sie auf dem niedrigen Entwicklungsniveau, das sie derzeit haben, festgeschrieben.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram stimmt mit der Aussage überein, daß Märkte differenziert zu betrachten seien. Trotzdem gebe es Algorithmen, die voll identisch seien. So gehe eine Marktanalyse von der Aufnahmefähigkeit des Marktes aus. Am Milchmarkt würden etwa 33 Mio. t Rohmilch gehandelt. Butter stagniere etwa bei 800.000 t, Magermilch bei einer Mio. Tonnen, während es bei Käse einen gewissen Anstieg gebe. Das Entscheidende bei diesem Vergleich sei, daß die Preise außerordentlich niedrig seien.
Bemerkenswert sei auch, daß die EU-Kommission wie auch einzelne Verbände und Politiker Unterschiedliches unter dem Begriff Wettbewerbsfähigkeit verstehen. Internationale Wettbewerbsfähigkeit bedeute, daß diese an den Kosten gemessen werde. Eine entsprechende notwendige Kostensenkung würden die Agenda-Beschlüsse überhaupt nicht vorsehen. In anderen Bereichen der Wirtschaft wäre es undenkbar, ein Produkt zu über 50 % zu subventionieren, um ihm Marktchancen zu geben. Im Bereich der Landwirtschaft ? s. das Beispiel Butter ? sei dies aber gängige Praxis. Die Kosten zahle der Steuerzahler.
Was die Milchquotenregelung betreffe, so gebe es zusammengefaßt das Problem, daß immer mehr Menschen, die nicht mehr in der Landwirtschaft tätig seien, einen hohen Anteil des Agrareinkommens ? s. Quotenmelker ? auf sich vereinigten. Damit werde die Notwendigkeit, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, gravierend unterlaufen.
Dies gelte im übrigen auch für die Teilflächenstillegung. Wenn man aus einem 100-ha-Betrieb mit seiner Kapazität und Maschinenausstattung einen 90-ha-Betrieb auf Grund einer 10%igen Flächenstillegung mache, habe dieser einen Kostenzuwachs in Höhe von 2 bis 3 DM je Dezitonne. Dies schwäche wiederum die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Deutlich werde dies durch Tabelle 8 (Anlage 3) deutlich. Der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Kiechle habe mit dieser Regelung der deutschen Landwirtschaft einen deutlichen Schaden zugefügt, da die Ausgangsposition der deutschen Milcherzeuger im Vergleich zu den konkurrierenden Mitgliedsländern damals außerordentlich schlecht gewesen sei. Seinerzeit habe Großbritannien eine durchschnittliche Milchmenge von 300.000 kg gehabt, heute von ca. 385.000 kg pro Betrieb. Die niederländischen Betriebe würden bei ca. 300.000 kg liegen, Deutschland habe in dieser Zeit die Leistung von 70.000 auf 145.000 pro Betrieb gesteigert. Diese Steigerung habe Quotenkosten verursacht.
Richtig sei, daß man nicht abrupt die Milchquotenregelung aufgegeben könne. Deshalb benötige man eine Übergangsregelung, die den Betrieben eine kostengünstige Aufstockung ermöglichen, da ansonsten die Betriebe nicht überlebensfähig wären. Dies gelte auch für Bayern. Wenn man internationale Wettbewerbsfähigkeit erreichen wolle, dann brauche man andere Strukturen, insbesondere andere Kostenstrukturen.

Abschließend kritisiert er Milchlieferungen wie z. B. nach Rußland. Diese Dumping-Politik zerstöre die ganze dortige heimische Milchproduktion, wie dies die Unruhen in Polen zeigten. Diese Länder hätten keine Chance, eine vernünftige Agrarstruktur zu entwickeln. Wichtig sei es, den Selbstversorgungsgrad unter 100 % zu bringen. Jeder zusätzliche Prozentpunkt über 100 bringe enorme volkswirtschaftliche Verluste.


Der Vorsitzende unterbricht die Sitzung um 12.40 Uhr und eröffnet die Fortsetzung der Sitzung um 13.35 Uhr.


MR Dr. Schick, Bayern, antwortet auf die Frage nach dem Zustandekommen des landesweiten Anlastungsrisikos, daß die EU-Kommission stichprobenweise den Vollzug der Fördermaßnahmen prüfe und dabei feststelle, ob es Abweichungen von EU-Normen gebe.
Hierbei sei allerdings zu berücksichtigen, daß es z. T. auch deshalb zu entsprechenden Abweichungen komme, weil die Kommission hierbei andere Interpretationen vornehme, als es der Kontext der deutschen Normen gebiete. Zum Teil würden auch lediglich rein formale Mängel beanstandet, die nicht einmal für den Fördertatbestand relevant seien.
Dieser Prozentsatz der festgestellten Mängel werde dann über ein statistisches Wahrscheinlichkeitsverfahren auf den quasi maximalen Fehler hochgerechnet. Dieser Fehler werde wieder zurückgerechnet auf den Durchschnittsfehler, der dann wiederum der Grundgesamtheit angelastet werde. Auf dieser Basis werde der sog. Anlastungsbetrag unter Zugrundelegung der Gesamtfördermenge ermittelt.
Auf Grund der entsprechenden Dimensionen, die in die Milliarden gingen, könnte dies bei Anlastungsprozenten in Höhe von 3 bis 5 % zu Größenordnungen führen, die jährlich bei 50 Mio. bis 100 Mio. liegen würden. Soweit sei es allerdings bisher noch nicht gekommen. Bei den bisherigen Anlastungsfällen handele es sich je nach Land und Beträgen um Summen zwischen 1 und 7 Mio. Hierzu gebe es entsprechende Verhandlungen mit der Kommission. Es bestehe die Möglichkeit, vor einem entsprechenden Schiedsgericht den Anlastungsprozentsatz durch entsprechende Erklärungen herunterzuhandeln.
Was den Verweis auf Artikel 164 der bayerischen Verfassung betreffe, so werde dort Bezug auf die Einkommenssituation in der Landwirtschaft genommen. Allerdings enthalte die Verfassung auch Hinweise auf die entsprechenden Instrumente, und zwar die Preisgestaltung sowie die Marktordnungen. Hierzu habe es auch eine Entwicklung gegeben. So sei dieser Artikel 164 in Artikel 39 der Römischen Verträge aufgenommen worden und insofern seien die genannten Instrumente inzwischen europäisches Recht geworden.
Dies bedeute nicht, daß sich die Bayerische Staatsregierung der entsprechenden Verantwortung entziehen wolle. Ihre ablehnende Haltung gegenüber der Agenda 2000 sei sehr wohl konform mit Artikel 164 der bayerischen Verfassung.
Hinsichtlich der Kofinanzierung stelle Bayern pro Jahr 300 Mio. DM im Bereich der Ausgleichszulage und 500 Mio. DM im Bereich der Landschaftspflege als Honorie-rung für gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft zur Verfügung. Diese be-währte Landespolitik gerate jedoch im wesentlichen dadurch in Gefahr, daß die übergeordnete Ebene, also Bund und Europäische Union, nicht in der Lage seien, die notwendigen Mittel in ausreichendem Umfange zur Verfügung zu stellen, da gerade auf EU-Ebene der Ansatz in Höhe von 4,3 Mrd. Euro zu knapp sei.
Eine entsprechende politische Neuausrichtung laufe darauf hinaus, daß die Investiti-onspolitik wieder verstärkt in den Vordergrund gerückt werde, was allerdings in ei-nem ausgewogenen Konzept hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Mittel erfol-gen müsse. Hierdurch werde auch der Wertschöpfungsaspekt wieder eine besondere Bedeutung erfahren.

Dr. Helmut Born, DBV, antwortet auf die Frage nach den Veränderungen der deutschen Landwirtschaft auf Grund des Berliner Kompromisses, daß mit Belastungen von 1,5 Mrd. DM gerechnet werden müsse, während die ursprünglichen Kommissionsvorschläge zu einer doppelten Belastung geführt hätten. Dieser Unterschied beruhe darauf, daß zum einen die Preissenkungen reduziert worden seien, bei Getreide auf 15 %, bei Rindfleisch auf 20 %. Bei der Milch habe es keine Veränderungen gegeben. Bei Getreide seien die Ausgleichszahlungen gesenkt worden, nicht aber beim Rindfleisch. Dadurch seien die Auswirkungen beim Rindfleisch reduziert worden, bei gleichbleibendem Ausgleichsvolumen. Der Unterschied beruhe weiterhin darauf, daß die ursprünglich vorgesehene zeitliche Degression vom Tisch sei, was insbesondere für die neuen Bundesländer von Bedeutung sei.
Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wäre es wichtig, daß nicht neben den Belastungen infolge der Agenda-Beschlüsse noch zusätzliche nationale Erschwernisse dazukämen, sei es infolge von umwelt-, steuer- oder haushaltspolitischen Maßnahmen. Neben diesen außerbetrieblichen Möglichkeiten wäre es wichtig, alle Formen der Kooperation zu nutzen, Stichwort Maschinenkosten. Hierbei gehe es zusammengefaßt darum, alle Kostenfaktoren zu senken.
Um dauerhaft zu einer Markt- und Preisführerschaft zu kommen, sei es neben der Kostenseite erforderlich, im Gesamtverbund mit den vor- und nachgelagerten Bereichen entsprechend aktiv zu werden. Hierbei müsse angestrebt werden, das Vertrauen der Verbraucher zu erhalten und diese von einer ausschließlichen Preisorientierung mehr hin zu einer Qualitätsorientierung zu bringen. Hierzu gebe es auch bereits eigene Initiativen. Dies habe zu tun mit Herkunftskennzeichnung, Qualitätssicherung, aber auch der Frage, wie man sich auf verändertes Verbraucherverhalten einstelle. Entscheidend sei, daß sich Verarbeiter und Landwirte gemeinsam strategisch das Ziel setzen, im Markt zu bleiben.
Was die Entkoppelung betreffe, also der Markt auf der einen Seite und die direkten Zahlungen auf der anderen Seite, so gebe es natürlich die berechtigte Frage, wie der Unternehmer mit dieser Situation zurechtkomme. Hierauf gebe die Wissenschaft auch bisher nur wenig Antworten. Fest stehe jedenfalls, daß im Falle einer Entkoppelung der Zeitraum und die Bedingungen der Zahlungen klar definiert seien. Sei dies nicht der Fall, gebe es eine erhebliche Planungssicherheit mit entsprechenden Folgen.
Zu den Chancen im Falle der Aufhebung der Flächenbindung bei der Garantiemengenregelung habe der DBV den Vorschlag für ein Bewirtschafterbörsenmodell gemacht, wobei auch die rechtlichen Aspekte geprüft worden seien. Zu den Eckdaten dieses Vorschlages gehöre, daß der wirtschaftende Betrieb ab dem 01.04.2000, also einer neuen Situation der Milchmarktordnung, die volle Verfügung über die Referenzmengen habe, die er mit Milchproduktion versehe.
Weiterhin habe man erklärt, daß im Falle einer Mengenbeschränkung am Markt, ob man dies nun positiv oder negativ bewerte, diese Begrenzung in jedem Falle einen ökonomischen Wert entwickle, der auch nicht verdeckt, sondern offen an die Börse gebracht werden solle, um die Beweglichkeit in diesem System zu halten. Eine exakte rechtliche Bewertung könne er allerdings nicht vornehmen.
Zu den kritischen Hinweisen, daß sich von den eingesetzten Agrarmitteln nur ein kleinerer Teil einkommenswirksam bei den Landwirten auswirke, weist er darauf hin, daß in der EU von den Verbrauchern insgesamt den Landwirten auf Erzeugerebene 450 Mrd. gezahlt werden. Wenn es richtig sei, daß die EU im Durchschnitt 20 bis 30 % über dem Weltmarkt liege und dafür Restmengen bei Butter, Magermilch, Pulver und Rindfleisch exportieren müsse, dann bedeute dies, daß die Landwirte mindestens über 90 Mrd. direkten Einkommens verfügen können. Insofern könne er die Aussage, die aufgewendeten Mittel kämen bei den Landwirten nicht an, nicht ganz nachvollziehen.
Gleichwohl wäre es natürlich besser, von den Überschüssen wegzukommen und sie gleichwohl nicht zu verschleudern. Hierbei sei allerdings auch zu berücksichtigen, daß die Agrarsysteme in Rußland, China und Indien marktwirtschaftlich ausgerichtet seien.

Dr. Volker Petersen, DRV, bemerkt zu der Frage nach den Perspektiven für den Milchmarkt und einer entsprechenden Preisentwicklung, daß bereits mit Beginn des kommenden Jahres eine länderspezifische Anhebung der Quoten, insbesondere in den südeuropäischen Ländern erfolgen werde, und zwar um ca. 1 %, während die 1,5%ige Aufstockung im zweiten Schritt für die übrigen Länder im Jahre 2005 erfolgen werde. Man müsse davon ausgehen, daß bei dann unverändertem Interventionspreisniveau zunächst mit dieser Aufstockung ab dem Jahre 2000/2001 ein zusätzliches Angebot auf den Markt komme. Die Frage sei dann, welche Exportmöglichkeiten sich ergeben, über welche Verwertungsmöglichkeiten der Binnenmarkt verfüge. Wenn die Exportsituation so schwach bleibe, wie sie sich Ende 1998/1999 auf Grund der Situation in Rußland dargestellt habe, müsse man mit einem gewissen Druck auf die Preise bei unverändertem Interventionspreisniveau in den ersten Jahren nach 2000 rechnen.
Auch sei zu berücksichtigen, daß auf dem Milchmarkt die GATT-Bestimmungen wirkten. Dies bedeute, daß in diesem Jahr und im nächsten Jahr jeweils 20 t Käse weniger in Drittländer mit Exportsubventionen veräußert werden könnten. Der Exportrahmen werde also infolge der GATT-Bestimmungen weiter eingeschränkt.
Wichtig werde weiterhin sein, daß die Kommission im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zur Stabilisierung des Milchmarktes aktiv bleibe, um eine günstige Verwertung im Rahmen der vorhandenen Bedingungen zu halten.
Bernd-Dietrich Graf von Hardenberg, BVA, weist darauf hin, daß sich der Agrarmarkt fast vollständig in seinen Warenströmen in Deutschland und Europa abspiele. Nur eine geringe Spitze werde international vermarktet. Damit dies sichergestellt ist, gebe es in Europa einen funktionierenden Bereich des Handels, der insbesondere für eine optimale Logistik sorge, Voraussetzung für den Fluß von Warenströmen.
In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß insbesondere seit der 92er Reform der Strukturwandel auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen fortgeschritten sei. Die Zahl der Handelsbetriebe und der Dienstleistungsbetriebe in der Landwirtschaft sei dramatisch zurückgegangen. So gebe es heute in reinen Marktfruchtbaugebieten mit zwei bis drei Betrieben keinen vor- und nachgelagerten Bereich mehr. Eine wirtschaftliche Verflechtung könne, wenn sie nicht mehr vorhanden sei, nicht ersetzt werden. Trotzdem funktioniere in diesen Bereichen die Erfassung und Vermarktung relativ gut.
In Europa habe man in erster Linie einen Binnenmarkt, der recht gut organisiert sei. Hier sei es nicht zuletzt auf Grund des Handels auch der Landwirtschaft gelungen, für bestimmte Produkte, z. B. Qualitätsgetreide aus Norddeutschland einschließlich Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns Marktmöglichkeiten zu nutzen, und zwar in anderen europäischen Ländern.
Wenn man jetzt den Blick über diese Grenzen werfe, zeige sich folgendes Bild: Wenn man Produktionssysteme habe, sei es für Pkw oder für veredelte Produkte aus landwirtschaftlichen Rohstoffen ? Hundefutter oder Brötchen ?, dann sei es notwendig, Spitzen untereinander auszutauschen, und zwar sowohl von Produktionseinzelrohstoffen als auch von ganzen Produkten. Ein freies Produktionssystem könne nur dann erfolgreich arbeiten, wenn es möglich sei, Überschüsse abzusetzen, aber auch fehlende Produkte dazuzukaufen. Hier habe der Handel eine sehr wichtige Funktion.

Dr. Klaus-Dieter Schumacher, BVA, wendet sich gegen den Eindruck, daß es in Deutschland und Europa unter den veränderten Bedingungen der Agenda-Beschlüsse in keinem Bereich mehr möglich sei, international konkurrenzfähig zu produzieren und zu vermarkten. Unstreitig sei es, daß man im Getreide durchaus entsprechende Chancen habe. Bei Milch sehe es etwas anders aus. Aber hier müsse auch eine andere Beurteilung erfolgen.
Wenn im Hinblick auf den Getreidemarkt die bisherigen Annahmen zur künftigen internationalen Nachfrage stimmten, wobei die Produktion dort erhöht werden sollte, wo der Bedarf vorliege, man aber dennoch einen Teil international beliefern müsse, dann müßten national entsprechende Anstrengungen gemacht werden, um die Teilnahme an diesen international wachsenden Märkten zu sichern. Nach den Agenda-Beschlüssen sei dies bei Getreide durchaus möglich, bei Weizen wesentlich leichter und regelmäßiger der Fall, daß ohne Exporterstattungen exportiert werden könne.
Bei Futtergetreide sei die Situation allerdings völlig anders. Wenn man die Preise der letzten 10 Jahre betrachte, so habe man in Zukunft dort erhebliche Probleme.
Angesichts der Tatsache, daß die Exportsubventionen im Rahmen der WTO abgeschafft werden sollen, dann müsse hier weiter dafür Sorge getragen werden, daß es gelinge, künftig regelmäßiger auch in diesen Bereichen ohne Exporterstattungen am Weltmarkt teilzunehmen.
Was die Produktqualität betreffe, so sei hier sehr zu differenzieren im Hinblick auf die nach Deutschland eingeführten Waren. Er warne davor, diese Waren auch aus außereuropäischen Ländern pauschal als qualitativ schlechter zu bezeichnen. Bei den entsprechenden Umweltaspekten sei es wiederum etwas anders.

Dirk Detlefsen, Bund der Deutschen Landjugend (BDL), bemerkt zu den Fragen, daß die Situation auf Grund der Planungsunsicherheiten von Unzufriedenheit bei den Landwirten geprägt sei. Für die Übergangszeit hätten sich in der letzten Zeit Modelle herausentwickelt, und zwar das Börsenbewirtschaftermodell sowie das Lieferrecht. Beide Modelle hätten Vor- und Nachteile. Als Bund der Landjugend sehe man das allerdings als einen Übergang, denn man müsse das langfristige Ziel formulieren. Die notwendige Planungssicherheit sei jetzt überfällig. Auf Grund der Berlinbeschlüsse sei die Unsicherheit noch größer geworden. Die Verlängerung der Quotenregelung von 2006 auf 2008 sei vor Ort von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht nachvollziehbar. Es gebe durchaus Junglandwirte, die ohne Quote leben könnten, während andere Betriebe weiterhin eine Mengenregelung für erforderlich halten. Hier den notwendigen Mittelweg zu finden, sei sicherlich schwierig.
Aus jetziger Sicht könne man auf die Mengenregelung nicht verzichten, wenn man die Eckdaten zugrundelege wie Kosten, Milchpreis, Milchmenge. Allerdings sei offen, welchen technischen Fortschritt es in den nächsten 10 Jahren in der Landwirtschaft geben werde. Wenn man sich die Produktionsentwicklung beim Weizen in den letzten 20 Jahren vor Augen halte, so sei es durchaus vorstellbar, daß auch im Bereich Milch Ertragspotentiale vorhanden seien. So produziere eine Kuh heute durchschnittlich 7.500 l und könnte sicher auch irgendwann 10.000 l leisten, womit man dann ganz andere Kostenstrukturen als heute hätte.
Langfristiges Ziel müsse der freie Markt sein, was aber eine gewisse Übergangszeit erfordere, um sich darauf einzustellen. So wäre eine Anpassung an das Ziel ?Wegfall der Quoten im Jahre 2008 oder 2010? durchaus realisierbar.

Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt, daß für ihn immer noch nicht nachvollziehbar sei, wie man im Milchbereich weltmarktfähig werden solle. Prof. Dr. Wolffram hätte zu Recht beklagt, daß die Agenda keinerlei Hilfestellung in dieser Richtung gebe.
Die Zweite Säule sei von der Situation gekennzeichnet, daß Agrarumweltmaßnahmen mit Investitionszuschüssen und vielen anderen Punkten bei einem kleinen Budget konkurriere. Die bisherige Praxis, mit hohen staatlichen Subventionen die Milchviehbetriebe zu vergrößern, sei nicht realisierbar. Ohne staatliche Hilfen sei dies jedoch zumindest im größeren Ausmaß nicht möglich. Daher sei für ihn weiter offen, wie realistisch es überhaupt sei, unter den jetzigen finanziellen Bedingungen weltmarktfähig zu werden.
Was die Ziele des Naturschutzes, der Beschäftigung und dergleichen betreffe, so seien sie im Kern auf Grund der Agenda-Beschlüsse nicht leichter durchsetzbar als vorher. Wenn es darum gehe, sich ökonomisch am Weltmarkt zu behaupten, dann sei es nicht möglich, die Landwirtschaft mit Priorität in Richtung Umweltschutz, Beschäftigung und dergleichen auszurichten. Dies sei ein ökonomischer Widerspruch, der im Wege des Ordnungsrechts allenfalls etwas abgemildert werden könne. Was die Agenda zur Zweiten Säule vorsehe, sei nicht viel mehr als ein Feigenblatt im Hinblick auf die Öffentlichkeit. Wenn allein die deutschen Bundesländer so viel für Agrarumweltmaßnahmen tun würden wie Bayern und Baden-Württemberg, dann wäre der deutsche Anteil bereits überschritten. Dies allein schon würde nicht für eine Kofinanzierung reichen. Würde man das auf EU-Ebene hochrechnen und hier die beiden genannten süddeutschen Bundesländer als Maßstab nehmen, wäre es noch viel weniger möglich. Die Zweite Säule sei also viel zu gering ausgestattet und konkurriere darüber hinaus mit den Investitionsmitteln.
Zu den jetzt bestehenden Möglichkeiten weist er darauf hin, daß eine Modulation ohne chematische Obergrenze durchaus möglich wäre. 20 % der Mittel wären anders verteilbar. Auch für die ostdeutschen Betriebsstrukturen wäre dies nicht so negativ, wenn es hier eine Bindung an den Arbeitskräftebesatz gebe. Kennzeichnend in diesem Zusammenhang für die neuen Bundesländer sei auch die große Schere zwischen den flächenstarken Ackerbaubetrieben mit entsprechenden Mitnahmeeffekten sowie den Tierhaltungsbetrieben, die kaum existenzfähig seien. Daher könnte über die Modulation ein gewisser Ausgleich zwischen Pflanzenbau und Tierhaltung erfolgen. Deshalb sollte man die Modulation nicht von vornherein ablehnen.
Was die Bindung von Maßnahmen an Umweltstandards betreffe, also die Cross-Compliance, weist er darauf hin, daß die Schweiz ohne EU-Druck eine Bindung der Ausgleichsprämien für Preissenkungen an einen genau definierten Standard ?Integrierte Produktion? festgelegt habe und praktiziere. Dadurch gewinne sie in der Gesamtgesellschaft eine ganz andere Akzeptanz zur künftigen Sicherung dieser Ausgleichsprämie als in Deutschland.

Christof Weins, NABU, erklärt, daß es im Bereich der einzelnen Marktordnungen keine umweltentlastenden Effekte gebe. Es bestehe vielmehr die Gefahr, daß infolge der Preissenkung eine zunehmende Intensivierung der Produktion stattfinde. Im Grunde genommen werde dies auch bestätigt durch die Effekte der Preissenkung nach der 92er Reform. Seit 1993 sei kein Rückgang beim Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln erkennbar. Das Statistische Bundesamt sowie die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft würden vielmehr einen gegenteiligen Effekt dokumentieren. Voraussichtlich sei dies auf den Rückgang der Flächenstillegung seit 1993 zurückzuführen. Auch werde die Flächenstillegung durch die Agenda-Beschlüsse künftig weiter zurückgehen.
Da im Marktordnungsbereich nicht viel zu erwarten sei, sollten Bund und Länder die Möglichkeit nutzen, zum einen durch die Anwendung der horizontalen Verordnung die Verknüpfung der Direktzahlungen mit verschiedenen Umweltanforderungen vorzusehen, und zum anderen die ländliche Entwicklung zumindest perspektivisch auszubauen, auch wenn die Haushaltsmittel sehr begrenzt seien.
Weiterhin erinnert er daran, daß es bei den Umweltproblemen im Bereich des Artenschutzes und der Biodiversität in den letzten 20/30 Jahren weiterhin keine Lösung gegeben habe, obwohl sich die Landwirtschaft inzwischen einiger neuer Techniken bedient habe. So würden z. B. bei den Feldvogelarten, einem Umweltindikator, 75 % auf der Roten Liste stehen, während es in anderen Bereichen durchaus Bestandsverbesserungen gebe.
Auch gebe es einen Stickstoffbilanzüberschuß von 110 kg/ha. Die entsprechenden Auswirkungen, s. unter anderem den Bodenstandsbericht, seien bekannt. Weiterhin gebe es Defizite beim Gewässerschutz. Dies zeige insgesamt den Handlungsbedarf im Bereich der Agrarumweltpolitik. Nicht zuletzt auf Grund des Amsterdamer Vertrages sei es erforderlich, die Agrarpolitik mit den Umweltbelangen zu verknüpfen.
Was die Anwendung der horizontalen Verordnung betreffe, so sollte im Hinblick auf das Argument der Wettbewerbsverzerrungen berücksichtigt werden, daß auch andere Länder wie Großbritannien und Frankreich die Verordnung anwenden wollen. Als Grundlage und absolutes Minimum sollte die gute fachliche Praxis mit dem bestehenden Fachrecht dienen. Bei zuwider handelnden Betrieben sollten auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten genutzt werden, da diese Betriebe letztlich zu dem Vertrauens- und Ansehensschwund der Landwirtschaft beitrügen. Allerdings werde die gute fachliche Praxis nicht ausreichen, sondern man brauche einige weitere Kriterien wie z. B. Tierbesatz, Stickstoffbilanzüberschuß, worüber noch näher beraten werden müßte. Im übrigen könne er die Forderung nur unterstreichen, die Agrarumweltprogramme finanziell deutlich aufzustocken.

Arnd Span, IG BAU, weist zu der Frage nach der Ausgestaltung beschäftigungsfördernder Aspekte darauf hin, daß es hierbei um betriebliche, Arbeitnehmer- und Agenda-Aspekte gehe. Hierzu teile er die Auffassung, daß eine Zweiteilung der zentralen Zielsetzung für die Betriebe nicht möglich sei, nämlich auf der einen Seite unabhängig von der Betriebsform generell den Aspekten des Landschaftsschutzes und der Kulturlandschaftspflege Rechnung zu tragen, als auch andererseits unter geringen Kosten maximal zu produzieren. Hier sollte man die unternehmerischen Teile der Branche stärken, da nur so Innovationen in den Betrieben auf Unternehmer- und Arbeitnehmerseite gefördert werden können. So benötige man insbesondere die betriebliche Innovation, da man ansonsten auf Dauer einen gesellschaftlichen Konsens über die Produktion nicht werde halten können. Dies sei ein zentraler Ansatz in der Frage der Beschäftigungsförderung. Da nicht alle Betriebe dem Anspruch einer Wettbewerbsorientierung entsprechen werden können, sei zu überlegen, ob nicht unter der gesellschaftlichen Zielsetzung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung über eine Entkoppelung betrieblicher Produktion oder dem Aufbau eines zweiten betrieblichen Standbeines in der Landschaftspflege neue Perspektiven geschaffen werden könnten.
Hinsichtlich der Umweltstandards werde es schwierig sein, alle Anforderungen auf die Betrieb auszurichten. Insbesondere intensiv produzierende, auf den Weltmarkt ausgerichtete Betriebe würden kaum dem genannten doppelten Zielansatz entsprechen können. Daher müsse im Hinblick auf die langfristige Sicherung von Märkten und von guten Beziehungen zu den Konsumenten müsse ein entsprechendes ordnungspolitisches Rahmenwerk geschaffen werden, mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards. Grundlage hierfür müsse die gute fachliche Praxis sein, die allerdings noch klarer definiert werden müsse, wobei allerdings einige intensiv Betroffene über die Ordnungspolitik noch zusätzliche Perspektiven und Klarheit bekommen müßten.

Bei der IG BAU liege der Schwerpunkt also bei der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, die auf dem Weltmarkt der Konkurrenz standhalten und damit auch den Produktionsstandort Deutschland sichern helfen. Darüber hinaus brauche man aber auch für einen Großteil der wettbewerbsfähigen Betriebe eine Orientierung auf Regionalmärkte, weil auch diese Bereiche Arbeitsplätze schafften und sichern. So habe es in der Arbeitnehmerschaft in den letzten drei Jahren in der Landwirtschaft einen Zuwachs von 20.000 Arbeitsplätzen, insbesondere im Bereich des ökologischen Landbaues, beim integrierten Landbau und bei regional vermarktenden Sonderkulturbetrieben gegeben. Dies zeige die Notwendigkeit zur Verbesserung des Aufbaus regionaler Strukturen. Dieser Innovationsaufgabe sollten sich die Betriebe selber stellen, wobei sich der Staat auf die Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen beschränken sollte. Hierzu gehöre auch die staatliche Unterstützung im Rahmen von Qualitätsprogrammen, wie dies Bayern und auch andere Länder bei der Auswertung der Agenda-Beschlüsse vorsehen. Dies sei ein richtiger Weg, wobei sich allerdings die Qualität nicht nur auf unternehmerische, sondern auch Arbeitnehmertätigkeit erstrecken sollte. Hier erwarte man nicht, daß die weitgehenden Anstrengungen der Sozialpartner in der Landwirtschaft staatliches Handeln ersetzen können.
Hinsichtlich der Arbeitnehmerseite enthielten die Agenda-Beschlüsse drei zentrale Ansatzpunkte. Hierzu gehöre die Modulation, die eine logische Umsetzung der nationalen Beschäftigungspolitik für den Sektor Landwirtschaft darstelle. Hierzu unterstütze man entsprechende Vorschläge, sehe allerdings auch die Grenzen der Modulation. Gleichwohl wäre dies ein zentraler Punkt, wie man die Agenda-Möglichkeiten in der Landwirtschaft in diesem Bereich in die gesamtgesellschaftliche Zielsetzung integrieren könnte.
Der zweite Punkt sei eine definitive Förderung der Vorruhestandsregelung, insbesondere die Fortsetzung des alten FELEG, weil damit die Zielsetzungen dieses Gesetzes eindeutig erreicht worden seien. Zur Zeit werde der Agrarstrukturwandel der Arbeitnehmerschaft blockiert auf Grund des Fehlens einer entsprechend adäquaten Vorruhestandsregelung.
Der dritte Bereich betreffe die bereits angesprochene Qualifikation. Für qualifizierte Maßnahmen der Agrarpolitik benötige man auch qualifizierte Fähigkeiten und Kenntnisse. Die IG BAU habe dementsprechend ein Paket von Forderungen entwickelt, so z. B. die Ausgleichszulage nicht mehr nur an die Fläche zu binden, sondern auch an andere Faktoren wie z. B. an die Vergabe öffentlicher Gelder für Landschaftspflegeprogramme, an entsprechende Fortbildung, Qualifikation ? Stichwort: staatlich geprüfter Natur- und Landschaftspfleger ? stärker zu binden, um auch hier einen entsprechenden Modernisierungsschub bei den Beteiligten zu unterstützen.
Schließlich sei eine Stärkung der Zweiten Säule in der Agenda insbesondere für einen integrierten Ansatz in der Entwicklung des ländlichen Raumes vorzusehen, denn nur da könne auf Dauer auch in den kleinbäuerlichen Strukturen zusätzliches Einkommen und damit Zukunftssicherheit geschaffen werden. Dies sei dringend geboten. Die entsprechenden finanziellen vorgesehenen Mittel seien nicht ausreichend.

Dr. Peters, Mecklenburg-Vorpommern, ergänzt zu der Frage nach dem Anlastungsrisiko, daß dies ein erhebliches Risiko bei den Länderverwaltungen bedeute. Das Land befinde sich gerade in einem entsprechenden Rechtsverfahren. Ursache hierfür sei, daß die entsprechenden Vorstellungen der EU-Kommission sowie der Mitgliedstaaten über die ordnungsgemäße Verwaltungsabwicklung auf Grund unterschiedlicher Vorschriften auseinanderklafften. Ungeachtet dessen gebe es natürlich im Vollzug auch immer wieder menschliches Versagen, was z. B. bei der Kontrolle von Ohrmarken bei einem Mutterkuhbestand von 500 Tieren auf der Weide nicht ausgeschlossen werden könne. Bei einem entsprechenden Anlastungsrisiko behalte dann der Landwirt das Geld, während das Land in mehrfacher Weise diese Mittel an die EU-Kommission zurückzahlen müsse.
Weiterhin erwidert er auf den häufigen Vorwurf, daß z. B. Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu süddeutschen Ländern nur in geringem Umfange Agrarumweltmaßnahmen durchführe, daß man sehr wohl unterscheiden müsse zwischen dem Abfluß von Mitteln aus entsprechenden Titeln sowie dem Umfang entsprechender Maßnahmen im Agrarumweltbereich. So werde in Mecklenburg-Vorpommern in erheblichem Maße Umweltschutz betrieben. Kein Bundesland verfüge über so viel Naturschutzflächen und betreibe so viel ökologischen Anbau wie dieses Land. Gleichwohl sei vorgesehen, in diesem Bereich der sog. 2078-Mittel stärker aktiv zu werden, was allerdings seine Grenze in den entsprechenden Landesmitteln zur Kofinanzierung habe.
Was die Agenda-Beschlüsse betreffe, so beabsichtige Mecklenburg-Vorpommern, den notwendigen Anpassungsprozeß auf Grund der neuen Vorgaben im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten flankierend zu unterstützen. Hierzu gehöre die investive Förderung, die Qualifikation der Betriebsleiter sowie die Unterstützung des technischen Fortschrittes.

LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, erklärt zu dem Anlastungsrisiko, daß man aus dem Konflikt der unterschiedlichen Beurteilung von Kommission und Länderverwaltungen über den ordnungsgemäßen Verwaltungsvollzug nur herauskomme, wenn vorher mit der Kommission klar abgestimmt worden sei, wie eine entsprechende Vollzugskontrolle zu erfolgen habe, welche Nachweise benötigt werden. Daneben gelte es natürlich, behördeninterne Mängel möglichst abzustellen.
Bei den flankierenden Maßnahmen zur Anpassung an die Agenda-Beschlüsse gehe es neben der investiven Förderung sowie der Verbesserung der Marktstrukturen insbesondere auch darum, mit Pilotprojekten und im Rahmen der Direktförderung horizontale und vertikale Verbundsysteme mit den vor- und nachgelagerten Bereichen zu schaffen. Niedersachsen verfüge bereits über eine relativ hohe Organisationsintensität im Schweinebereich (25 %), was allerdings im Vergleich zu den Niederlanden und Dänemark noch sehr wenig sei (80,90 %). Hier gebe es daher dringenden Handlungsbedarf.

Dr. Ludger Wilstacke, Nordrhein-Westfalen, erklärt, daß die Kommission beim Anlastungsrisiko von einer Null-Fehler-Toleranz ausgehe. Dieses hohe Prinzip lasse sich in der Praxis auf Grund der Menge und Detailliertheit der Vorschriften nicht durchhalten. Je umfangreicher die Vorschriften werden, desto überproportionaler steige das entsprechende Anlastungsrisiko, da es Verkettungen aus unterschiedlichen Bereichen gebe. Daher sei es wichtig, hier Lösungen und Regelungen zu finden, die sowohl für die Landwirte draußen als auch die Verwaltung praktikabel seien. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß eine Verlagerung der Verantwortlichkeit in einem Maße auf die Länder erfolge, die zu im Moment noch kaum absehbaren finanziellen Dimensionen führten.
Zu den Agrarumweltmaßnahmen erklärt er, daß es in Nordrhein-Westfalen, in dem bisherigen Programm 2078 eine kontinuierliche Zunahme der Antragsflächen gebe, was man für notwendig halte. Diese Entwicklung müsse kontinuierlich vonstatten gehen und dürfe nicht kurzfristig stark ausgeweitet werden, um dann festzustellen, daß eine Fortsetzung nicht möglich sei. Daher sei das entsprechende Programm stufenförmig angelegt, denn die Bereitschaft der Landwirte für entsprechende Aktivitäten müsse reifen.
Hinsichtlich der Verordnung ländlicher Raum/integraler Ansatz bereite Nordrhein-Westfalen ein breit angelegtes Programm vor, bei dem allerdings nicht nur die EU sowie die Bundesländer und Regionen gefordert seien, sondern auch der Bund ? Stichwort Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstrukturen des Küstenschutzes. Sollte sich der Bund hier nicht in der Pflicht sehen, müßte auch darüber nachgedacht werden, ob die institutionelle Vertretung in Brüssel noch richtig sei.

MDg Beyer, Sachsen, erklärt, daß Sachsen zu den ersten Ländern gehört habe, die sich in dem Bereich 2078 engagiert hätten. Zur Zeit könne Sachsen ca. 100 Mio. DM kofinanziert aus Brüssel den Landwirten für ein ganzes Maßnahmenbündnis bis hin zum ökologischen Landbau zur Verfügung stellen, der in Sachsen mit den höchsten Sätzen gefördert werde, um damit gewisse Impulse zu setzen. Man hoffe, daß man die zur Kofinanzierung notwendigen Mittel des zweiten agrarpolitischen Zieles neben der Wettbewerbsfähigkeit, nämlich die umweltgerechte Landbewirtschaftung, auch in Zukunft aufbringen werde. Auch sei in die Förderung der Grünlandbereich einbezogen, wobei man allerdings bei dem Bemühen, dies praxisgerecht zu gestalten, auch an gewisse Verwaltungsgrenzen stoße.
Um sich selber ein Bild über die Effektivität des entsprechenden Mitteleinsatzes verschaffen zu können, habe man ein externes Institut mit der Evaluierung des entsprechenden Programmes beauftragt. Hierbei habe sich gezeigt, daß die Mengen an eingespartem Boden auf Grund von Erosionsschutzmaßnahmen sowie die eingesparten Pflanzenschutzmittel bei Teilnehmerbetrieben gegenüber Nicht-Teilnehmerbetrieben sehr beachtlich gewesen seien. Die Beteiligungsquote an dem Programm belaufe sich auf zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche, so daß man hier eine zunehmende Akzeptanz erwarte.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram nimmt zur Verdeutlichung den Getreidemarkt als Beispiel und weist darauf hin, daß es sich bei den Überschüssen um die Grenzmengen handele, die die teuersten Mengen darstellten. Wenn nun die Länder mit niedrigen Produktionskosten auf dem Weltmarkt exportieren, dann sei dies ökonomisch nichts anderes als die Spiegelung der Grenzkostenkurve. Dies bedeute, daß man die teuersten Mengen auf dem Binnenmarkt belasse und exportiere dafür die weniger teuren Mengen auf dem Weltmarkt, wodurch der Eindruck der Wettbewerbsfähigkeit hervorgerufen werde. Gebe es keine Überschußmengen, also die Grenzmengen, wäre man nicht im Export tätig.
Zu den Welthandelsmengen bei Getreide verweist er auf das Schaubild 4 (s. Anlage 3). Daran werde deutlich, daß das jährliche Welthandelsvolumen bei ca. 180 t liege, und zwar schon seit vielen Jahren, und unabhängig vom Preisniveau. Würde die EU die Mengen, die durch die Flächenstillegung gebunden seien, auf den Markt bringen, würde das Preisniveau einbrechen. Dies zeige, daß es enorme Produktionsreserven gebe. Entscheidend sei eine kaufkräftige Nachfrage, wie das Beispiel China zeige, für das noch vor wenigen Jahren für das Jahr 2000 ein Importbedarf an Getreide in Höhe von 20 Mio. bis 50 Mio. t vorhergesagt würden, sei während China für 1998 gerade 3 Mio. t importiert habe.
Zwar sei es richtig, daß keine Exporterstattungen geleistet werden, aber gleichwohl werde der Export subventioniert über die Ausgleichszahlungen. So habe ein durchschnittlicher 100-ha-Betrieb Produktionskosten in Höhe von ca. 290 DM. Dieser erhalte vom Staat Ausgleichszahlungen in Höhe von 120 DM. Bei einem Kaufpreis von 220 DM käme er dann auf 340 DM pro t. Bei Abzug der Produktionskosten bedeute dies ein Einkommen von 50 DM bei einer Stützung von 120 DM. Dies sei die Situation auf dem Binnenmarkt.
Bei dem Export, den Grenzmengen, sehe es so aus, daß hier Kosten in Höhe von 170 DM entstünden. Den Exporterstattungen würden in Grenzstandorten ein Einkommen in Höhe von 50 DM pro t gegenüberstehen. Damit würden weniger als ein Drittel des aufgewendeten Kapitals einkommenswirksam.
Was die Ausgleichszahlungen betreffe, so würde zum Beispiel ein 30-ha-Betrieb bei 50 Dezitonnen ohne Ausgleichszahlungen einen Verlust in Höhe von ca. 22.000 DM erwirtschaften. Auf Grund der Agenda-Beschlüsse erhalte er Ausgleichszahlungen in Höhe von 21.500 DM. Dies zeige, daß sein Gewinn faktisch bei Null liege. Daher sollte ihm diese Summe direkt ausgezahlt werden, denn damit würde das Geld auch der Volkswirtschaft wiederum zur Verfügung stehen. Die Alternative wäre größere Betriebseinheiten. Selbst bei einem Betrieb mit 85 Dezitonnen/ha würden sich von den aufgewendeten Mitteln nur knapp 40 % einkommenswirksam erweisen.
Bei einem 100-ha-Betrieb erwirtschafte dieser bei 50 Dezitonnen/ha einen Verlust von 52.000 DM. Damit blieben gegenüber den erhaltenen 69.000 DM nur 17.000 DM übrig. Viele Landwirte wüßten gar nicht, welche Kapitalvernichtung sie auf diese Art und Weise betrieben.
Anders sehe es natürlich bei den Großbetriebseinheiten - 1.000-ha-Betrieb ? aus. So liege die Einkommenswirksamkeit selbst bei einem Ertrag von 50 Dezitonnen/ha bei ca. 64 %. Die restlichen 36 % seien allerdings auch verloren, was gesamtwirtschaftlich nicht verantwortet werden könne. Ein entsprechender Betrieb auf guten Standorten mache einen Gewinn von ca. 200.000 DM, zu dem er zusätzlich noch eine Stützung in Höhe von ca. 680.000 DM erhalte. Gehe man jetzt auf die größeren Betriebe, z. B. in Großbritannien, dann komme es zu einer Kapitalakkumulation zu Lasten der Steuerzahler, die nur einen Bruchteil hiervon verdienen würden. So würde z. B. ein 2.000-ha-Betrieb 1,3 Mio. DM Stützung erhalten, zusätzlich zu einem Durchschnittseinkommen von 300.000 bis 400.000 DM entsprechend der jeweiligen Preis-situation. Diese 1,3 Mio. DM Stützung würde der Durchschnittsarbeitnehmer in der EU nicht einmal brutto in seinem ganzen Leben verdienen. Dies habe mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Dies seien die beiden zu berücksichtigenden Aspekte.
Zusammengefaßt würden also bei den Betrieben von etwa 25.000 DM eingesetztem Kapital nur 40 % einkommenswirksam sein. Dies könne keine vernünftige Agrarpolitik sein. Daher sollten die Mittel im ländlichen Raum Verwendung finden. Damit würden Arbeitsplätze geschaffen. Der andere Weg sei jedenfalls sowohl einzelbetrieblich wie auch gesamtwirtschaftlich nicht verantwortbar. Eigentlich wäre hier eine Klage gegen die Autoren dieser Politik angebracht.
Abschließend unterstreicht er, daß ein funktionierender Markt keine Marktordnungskosten verursache. Dies sei die entscheidende Größe.

Der Vorsitzende bemerkt dazu, daß er diese Ausführungen nicht ganz nachvollziehen könne.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram weist ergänzend darauf hin, daß es nur eine Umverteilung gegeben habe. Während bisher der Verbraucher zur Kasse gebeten worden sei, sei es jetzt der Steuerzahler. In beiden Fällen würden Überschußbeseitigungskosten entstehen. Zu einer wirklichen Einsparung komme es jedoch nur, wenn die Mengen reduziert würden.

Prof. Dr. Winfried von Urff erklärt ebenfalls, daß er Verständnisprobleme habe. Er greift das Beispiel von den 200 Mio. t am Getreidemarkt auf, wovon 90 % auf den Binnenmarkt gingen und 10 % in den Export. Für das Getreide gebe es einen Richt-preis, der durch eine Intervention abgesichert werde. Dieser Richtpreis liege norma-lerweise über dem Weltmarktpreis. Dies bedeute, daß die sog. aufnehmende Hand einen Preis bezahle, der dann wiederum auf den Verbraucher abgewälzt werde, und der über dem Weltmarktpreis liege. Dadurch komme es zu einem Einkom-menstransfer von dem Verbraucher zu dem landwirtschaftlichen Erzeuger. Damit dieser Mechanismus insgesamt für die 100-%-Produktion funktioniere, müßten diese 10 % aus dem Markt herausgenommen werden durch die Intervention sowie anschließendem Export mit Erstattungen. Angenommene Kosten hierfür seien 170 DM/t. Der Landwirt erlöse allerdings für die 100-%-Produktion 220 DM/t. Dies bedeute, daß der Landwirt für die Grenzmenge, die herausgenommen werde, immerhin noch 50 DM mehr erlöse, als die Exporterstattung je t in Höhe von 170 DM ausmache.
Bei Milch und bei Rindfleisch könne dies durchaus weniger sein, wenn dies erst in die Intervention gehe, gewälzt, ausgelagert und dann erstattet werde. Hier könnten durchaus höhere Kosten entstehen, als der Landwirt ursprünglich durch den Interventionspreis für den Schlachtbullen erhalte. Entscheidend sei, daß mit der Herausnahme der Grenzmenge der gesamte Mechanismus aufrecht erhalten werde.
Durchaus rechnerisch nachvollziehbar sei das Beispiel, wonach der Landwirt für die von ihm produzierte Grenzmenge, für die er 220 DM erhalte, was mit Produktionskosten in Höhe von 170 DM verbunden sei, ein Einkommen in Höhe von 50 DM erhalte, und zwar für eine Menge, für die der Staat 170 DM aufgewendet habe. Allerdings bewerte er diesen Vorgang doch etwas anders. Zwar wäre es besser, man würde die 170 DM dem Landwirt direkt auszahlen, ohne daß dieser produzieren müsse, denn offensichtlich decke der auf dem Weltmarkt zu erzielende Preis nicht die Produktionskosten. Dies sei das Problem bei einem System, bei dem man Überschüsse über 100 % habe. Solange man unter 100 % liege, verursache dies keinerlei Kosten beim Steuerzahler. In diesem Falle brauchte man nur einen Außenschutz, wobei dann alles über die Verbraucher mit dem Marktpreis finanziert werde. Erst bei einem Überschreiten des Selbstversorgungsgrades von 100 % habe der Staat mit Erstattungen intervenieren müssen. Je höher man über die 100 % Selbstversorgung hinauskomme, um so teurer und ineffizienter werde es.
Zusammengefaßt lasse sich feststellen, daß es in einem Hochpreisland keinen Sinn mache, mit hohen Faktorkosten für den Weltmarkt zu produzieren, wenn man damit letztlich nur die Weltmarktpreise erzielen könne und die Differenz durch Erstattungen dem Exporteur und damit indirekt dem Produzenten erstatten müsse. In dieser Konsequenz sei man sich hier sicherlich einig, auch wenn er die Zwischenschritte seines Vorredners nicht habe nachvollziehen können. Was die Ausgleichszahlungen betreffe, so würden sie den Landwirt im Gegensatz zu einer Einkommenspolitik über gestützte Preise direkt zu 100 % erreichen. Jede aus Brüssel geleistete Mark käme in vollem Umfang beim Landwirt an.
Insofern sei eine Umschichtung der Einkommensstützung über den Preis zu einem System der Stützung über Ausgleichszahlungen effizienter, da hier die Transfereffizienz bei eins zu eins liege, während sie bei der Stützung über den Preis bei zwei bzw. drei zu eins liege.
Dies erhebe die Frage, ob man das System nicht in der Form reformiere, daß man den Markt von Anfang an in eine Produktion für den Binnenmarkt mit entsprechend hohen Preisen sowie in eine Produktion für den Weltmarkt mit niedrigen Preisen spalte, also das von der AGBL präferierte Modell (AC-Modell).
Bei Zucker funktioniere dies, bei Milch habe man allerdings schon erhebliche Probleme, denn hier gebe es eine große Produktpalette. Auch habe die Milch zwei wertbildende Bestandteile, und zwar Fett sowie Eiweiß. Es stellten sich folgende Fragen: Solle die A-Quote am Fett, am Eiweiß oder an beiden Bestandteilen festgemacht werden? Wie sollen die Molkereien ihre Produktion steuern, daß sie sowohl bei Fett als auch bei Eiweiß ihre Binnenmarktquote ausschöpfen und dann den Rest auf dem Weltmarkt unterbringen müssen? Hier gebe es noch erheblichen Klärungsbedarf.
Bei allen übrigen landwirtschaftlichen Produkten sei dies noch komplizierter, da es dort keine Quotenregelung und keine Marktsteuerung gebe, sondern einen anonymen Markt, auf dem sich die Preise nach den Grenzmengen bildeten. Hier könne man nur versuchen, mit einem gewissen Einfuhrschutz die Höhe des Marktpreises zu halten, ohne daß auf der anderen Seite die Exporterstattungen zu große volkswirtschaftliche Verluste erbringen.
Das Problem werde insofern in jedem Falle eine Lösung erfahren, da bei der nächsten WTO-Runde die Exporterstattungen als erstes gefährdet sein werden. Man werde sie voraussichtlich noch einmal drastisch reduzieren, um sie dann in der übernächsten Runde ganz abzuschaffen. Die Exporterstattungen und damit die entsprechenden volkswirtschaftlichen Verluste würden daher auch ohne ein Handeln der europäischen Mitgliedstaaten infolge der WTO-Runde reduziert werden. Daher müsse man ein Preisniveau mit Importbelastungen erreichen, das ein Gleichgewicht halte, bei dem die Exportüberschüsse nicht so hoch werden, daß die Grenzen für die Exporterstattungen überschritten werden und damit letztlich auch das ganze System weniger ineffizient werde, als wenn man mit zu hohen Exporterstattungen und zu hohen Exportmengen arbeite.
Auch könne er die Auffassung nicht ganz nachvollziehen, daß es kein Problem sei, solange der Einkommenstransfer vom Verbraucher über künstlich gestützte Preise erfolge, daß es wohl aber ein Problem sei, wenn der Transfer über staatliche Ausgaben in Form des EU-Haushaltes erfolge.
Für ihn mache es keinen Unterschied, ob der Transfer über den Konsumenten oder den Staatshaushalt erfolge. Hinzu komme, zwar eher in der Theorie, daß Steuern nach der Leistungsfähigkeit aufgebracht werden, die Preise für Nahrungsmittel dagegen regressiv wirkten, also das genaue Gegenteil, so daß die Lösung über den Staatshaushalt eigentlich die bessere wäre. Allerdings schaffe dies ein großes Problem für den Landwirt im Hinblick auf die notwendige Akzeptanz.
Hinsichtlich der Finanzierung der Agrarpolitik habe es durch die Berliner Beschlüsse eine Festlegung gegeben, und zwar werde sie sich im Rahmen von 298 Mrd. Euro bewegen müssen, zuzüglich der Kosten, die für die Vorbereitung der Osterweiterung anfielen. Ein Problem sehe er bei der Frage, inwieweit das bisherige Agrarsystem auf die mittel- und osteuropäischen Länder übertragen werden könne. Die nicht reformierte Agrarpolitik hätte mit Sicherheit nicht übertragen werden können, da sie zumindest im Rahmen der Agrarleitlinie nicht finanzierbar gewesen wäre. Sie hätte darüber hinaus die Konsumenten in den Beitrittsländern belastet, die heute zwischen 50 und 60 % ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müßten. Auch hätte sie falsche Signale dahingehend gesetzt, noch mehr in die Landwirtschaft zu investieren, wenn die Landwirtschaft auf Grund einer Einbeziehung in ein weitgehend gestütztes System attraktiver geworden wäre gegenüber den anderen Bereichen der Volkswirtschaft.
Ob alle Probleme durch die Agenda-Beschlüsse gelöst worden seien, erscheine zweifelhaft, zumindest, wenn man davon ausgehe, daß sich die Philosophie, Ausgleichszahlungen gebe es in den Beitrittsländern nicht, weil sie von einem niedrigeren und nicht einem höheren Preisniveau kommen, nicht durchhalten lasse. Diese Philosophie lasse sich wahrscheinlich nur eine begrenzte Zeit durchhalten, denn dann käme in kurzer Zeit das Argument, daß man nicht Bürger zweiter Klasse sein wolle. Die Beitrittsländer hätten bereits in dieser Weise argumentiert. Dies bedeute, daß sich eine Zweiteilung zwischen Ausgleichszahlungen hier, da man von einem größeren Preisniveau komme, dort aber keine Ausgleichszahlungen, weil dieser Grund dort nicht gegeben sei, auf Dauer nicht aufrechterhalten lasse. Spätestens dann werde eine erneute Reformdiskussion beginnen, wenn sie nicht schon vorher im Zusammenhang mit der WTO-Runde beginne. So sei die green-box-Fähigkeit der Agenda äußerst zweifelhaft, was schon sehr rasch zu erneutem Handlungsbedarf bei der EU führen könne.

Prof. Dr. Cay Langbehn schließt sich diesen Ausführungen zu den finanziellen Aspekten der Osterweiterung an.

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer erklärt, daß er zur Transfereffizienz noch eine kleine Modifikation anbringen möchte. So sei in der Tat die Preispolitik in Zeiten der Überversorgung kaum effizient. Hier seien die direkten Zahlungen wesentlich effizienter. Allerdings müsse man fairerweise sagen, daß diese Direktzahlungen zwar erst einmal beim Landwirt ankommen, dann allerdings an die Grundeigentümer weitergeleitet würden oder auch an die Quoteneigentümer. Daher unterstreiche er nochmals, daß jede Form der sektorspezifischen Einkommenspolitik nur auf Zeit gelingen werde, da der Marktprozeß dem entgegenwirke.

Der Vorsitzende bittet um Auskunft darüber, was der Mangel an Planungssicherheit bei den Betrieben für Konsequenzen habe.
Weiterhin stellt er an die sachverständigen Professoren die Frage, welche staatlichen Rahmenbedingungen zur Zeit Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft haben und welche im Hinblick auf eine Stärkung dieser Wettbewerbsfähigkeit künftig erforderlich seien. Weiterhin weist er darauf hin, daß auf Grund der unterschiedlichen Förderungsleistungen im Rahmen der Agrarumweltprogramme der einzelnen Bundesländer pro Hektar zum Teil erhebliche Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstünden und stellt die Frage, ob hier nicht eine entsprechende interne Harmonisierung dringend erforderlich wäre. Hierunter fielen auch andere Faktoren wie z. B. unterschiedliche Fleischbeschaugebühren bei den Schweinen u. ä.

Abg. Ulrich Heinrich möchte wissen, mit welchen Marktordnungskosten auf Grund der durch die Agenda-Beschlüsse vorgesehenen Aufstockung der Milchmengen zu rechnen sei und welche zusätzlichen Preiseinbußen dies bei den Milcherzeugern zur Folge haben werde. Außerdem hält er seine Frage nach den Auswirkungen des Reformkonzeptes der Agenda 2000 auf den Berufsstand insgesamt vom DBV noch nicht für ausreichend beantwortet. Er bitte daher nochmals um Mitteilung, wie der starke Einfluß von Politik und Steuerzahler und nicht das Marktgeschehen auf die Preis- und Einkommensentwicklung gerade für Junglandwirte im Hinblick auf die Zukunftsplanung auswirke.

Abg. Albert Deß möchte wissen, warum von der Landwirtschaft erwartet werde, sich vollständig auf den internationalen Wettbewerb einzustellen, während sich andere gesellschaftliche Gruppen dem vollständig entziehen, wie z. B. Architekten, Notare, Rechtsanwälte, ohne daß dies beanstandet werde.
Im übrigen sei richtig, daß es auch ohne die Beschlüsse zur Agenda 2000 einen weiteren Preisrückgang auf Grund der GATT-Beschlüsse gegeben hätte. Gleichwohl hätte die Agenda 2000 die Chance geboten, anstatt auf Preisdruck auf eine Mengenbegrenzung zu setzen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, daß seitens eines hochrangigen Vertreters des US-Handelsministeriums erklärt worden sei, daß man mit einem eigenständigen europäischen Agrarmodell durchaus einverstanden wäre, wenn die Agrarproduktion auf den Binnenmarkt von 380 Mio. Einwohner beschränkt würde. Dies sei die Richtung, in die die Agenda-Beschlüsse hätten gehen müssen. Beispielhaft hierfür seien die Zuckerrübenregelungen, die auch für andere Bereiche hätten Anwendung finden können.
Weiterhin stelle sich angesichts der Tatsache, daß das jetzige Agrarsystem zu Wettbewerbsverzerrungen führe, die Frage, ob es nicht andere Ausgleichsmöglichkeiten gegenüber den jetzigen Regelungen gebe. Er denke z. B. daran, daß europaweit ca. 50 % der Sozialkosten in der Landwirtschaft übernommen würden, was auch zu einer anderen gesellschaftlichen Akzeptanz entsprechender staatlicher Leistungen führen würde. Auch wäre es dringend erforderlich, die bestehenden Schlaggrößen zu vergrößern und die gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft stärker zu honorieren, da sie allein über die Weltmarktpreise nicht abgedeckt werden können.
Abschließend stellt er die Frage, über welche Größe ein Getreidebaubetrieb verfügen müßte, um international wettbewerbsfähig zu sein, und um über ein Betriebseinkommen von 100.000 DM zu verfügen und nicht von Ausgleichszahlungen abhängig zu sein. Wenn er versuche, selber die Antwort zu geben, komme man bei einem Getreidepreis von 19 DM bei 85 dz zu einem Deckungsbeitrag von 544 DM pro ha. Bei insgesamt 400 ha würde der Deckungsbeitrag bei ca. 200.000 DM liegen. Nach den Berechnungen von Prof. Dr. Wolffam müßte sich dann ein Gewinn von 100.000 DM ergeben. Wenn dies richtig sei, so stelle sich die Frage, warum dann ein Betrieb mit einer Fläche über 400 ha noch Flächenausgleichszahlungen erhalte. Er halte dies nicht für berechtigt, ohne hier einen Ost-West-Gegensatz aufzubauen.
Was die Diskussion um niedrige Weltmarktpreise betreffe, so gebe es weltweit keinen Landwirt, der entsprechend niedrige Preise fordere. Dies würde von anderen Interessengruppen gefordert. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, daß die Flächengröße allein auch keine Problemlösung erbringe.
Mit der Darstellung der Situation der Wettbewerbskosten durch Prof. Dr. Wolffram stimme er überein. Allerdings ziehe dieser die falschen Schlüsse daraus. Die einzige Konsequenz aus der richtigen Zustandsbeschreibung sei für ihn die Entwicklung eines europäischen Agrarmodells mit einer Mengenbegrenzung im Hinblick auf die 100 % Selbstversorgung.
Auf Grund der von den Agenda-Beschlüssen geschaffenen neuen Rahmenbedingungen sehe er für die Landwirtschaft keine Zukunft mehr und rate daher jungen Menschen von einer entsprechenden Ausbildung ab. Wenn die Gesellschaft nicht mehr bereit sei, für eine notwendige Entlohnung der Landwirtschaft zu sorgen, hätten diese auch keine Verpflichtung mehr, sich bei einer 80-Stunden-Woche für die Erhaltung einer entsprechenden Kulturlandschaft einzusetzen. Er werde künftig sein Getreide verfeuern, da Getreide bei einem Preis unter 20 DM zu einem Ramschprodukt werde und er damit auch Heizöl spare.

Der Vorsitzende bittet noch um eine Stellungnahme zu der kürzlichen Erklärung des Bundeslandwirtschaftsministers, wonach auf großen Betrieben in den neuen Bundesländern eine Produktion von Weizen zu einem Getreidepreis von 20 DM/dz noch rentabel sei.

Abg. Ulrike Höfken wendet sich gegen eine Agrarpolitik, die ausschließlich an Kostenminimierung und Mengenbegrenzung orientiert sei, nicht aber die veränderten Rahmenbedingungen und volkswirtschaftlichen Anforderungen berücksichtige. Überfällig sei daher eine Politik, die sowohl eine Mengenreduzierung vorsehe, Mittel einspare, darüber hinaus aber Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation, die Lebensmittelqualität sowie die Erhaltung von Umwelt- und Naturschutz habe. Hierzu bitte sie um eine Stellungnahme. Dabei sollte auch die Notwendigkeit einbezogen werden, der Zweispaltung des Marktes Rechnung zu tragen, also neben dem 10%igen Weltmarktanteil auch den überwiegend anderen Betrieben auf dem Binnenmarkt eine Einkommenserzielung zu ermöglichen, wozu insbesondere die Zweite Säule gehöre. Hier sollten die Länder stärker aktiv werden und darüber hinaus sollten im Rahmen der bevorstehenden WTO-Verhandlungen entsprechende Weichen gestellt werden.

Harry Czeke erklärt, daß zur Zeit ein Preisverfall erfolge, so bei Getreide auf 16 DM, bei Öllein und Raps von 40 auf 30 DM, der bei gleichbleibenden Kosten ein rentables Wirtschaften kaum mehr ermögliche. Hier mache es sich der Bundeslandwirtschaftsminister zu einfach, wenn er nur auf die notwendige Beachtung des Kostenmanagements hinweise.
Der Milchmarkt sei völlig durcheinander und der für Ende 2007, der Wirksamkeit der Agenda-Beschlüsse, vorausgesagte Verfall des Milchpreises auf 45 Pfennig erfolge mittlerweile schon jetzt durch den nachgelagerten Bereich, so daß man sich bereits jetzt auf 50 Pfennig zubewege. Bei der Butter gebe es seit Jahreswechsel einen Preisverfall von 40 bis 50 Pfennig je nach Region pro kg. Der Verbraucher zahle für die Butter seiner Molkerei durchaus 10 Pfennig mehr, aber dieses Geld lande eben nicht beim Landwirt. Über diese Preisentwicklung wachse der Gesellschaft eine Wohlfahrtsleistung zu, zu der sie dann im Gegenzug für die Leistungen der Landwirtschaft, die über die agrarische Produktion hinausgehen, auch bereit sein müsse, zu zahlen. Hierbei sollte nicht vergessen werden, daß die günstigen Nahrungsmittelpreise innerhalb der Volkswirtschaft auch eine Inflationsbremse darstellten. Nicht hinnehmbar sei für den Landwirt, daß im Supermarkt 1 l Milch unter dem Literpreis für Mineralwasser quasi verramscht werde.
Hinsichtlich der Perspektiven eines Betriebes sei offen, ob nicht bis zum Wirksamwerden der Agenda-Beschlüsse im Jahr 2007 erneute Änderungen auf Grund der WTO-Verhandlungen ins Haus stehen, was zu einer zusätzlichen Planungsunsicherheit führe. Daher würden notwendige Investitionen zurückgestellt. Hinzu kämen die Belastungen auf nationaler Ebene ? Stichwort: Gasölverbilligung. Hier habe man inzwischen vergessen, daß der Grund für die 50%ige Erstattung im Bereich der Landwirtschaft darauf beruhe, daß man auf den Äckern fahre und damit die Straßen entlaste.
Auch bei den Zuschüssen für die Berufsgenossenschaften seien Einschnitte vorgesehen. In den neuen Bundesländern gebe es das Problem, daß man für DDR-Unfallrenten aufkommen müsse, was eigentlich Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg wäre. Die dadurch bedingte Verdoppelung der Beiträge der Landwirte führe zu einer Größenordnung, die die Belastung durch die Energiesteuer in Höhe von 6 DM/ha deutlich übersteige.
Kosteneinsparungen infolge von Personalabbau seien nicht mehr möglich, da man sich bereits jetzt am unteren Limit bewege. Investitionen bei der Betriebstechnik seien im Hinblick auf die Amortisation wiederum von der Planungssicherheit abhängig, die eben nicht bestehe.
Nicht nur die Junglandwirte, sondern der Berufsstand insgesamt könne jetzt durchaus eindeutige Aussagen von den Entscheidungsträgern in Europa verlangen. Wenn die Landwirtschaft Leistungen über die normale Produktion hinaus erbringe, müsse dies auch von der Gesellschaft honoriert werden.
Abschließend stellt er fest, daß es zur Zeit auf Grund der Unsicherheit infolge der Agenda-Beschlüsse und angesichts der bevorstehenden WTO-Verhandlungen keine gesicherten Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gebe.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer erklärt, daß die zunehmende Weltmarktorientierung nicht nur die Landwirtschaft erfasse, sondern auch zunehmend andere gesellschaftliche Bereiche ? Stichwort: Buchpreisbindung. Diese Entwicklung könne man nicht aufhalten und deshalb sollte man sich frühzeitig hierauf einstellen.
Wenn man davon ausgehe, daß die alte Strategie - die Mengen begrenzen, um die Preise hochzuhalten - nicht funktioniere, müsse man nach neuen Lösungen suchen. Unverzichtbar seien hier jedenfalls zwei Dinge, und zwar zum einen ein Außenschutz, wenn man die Landwirtschaft hier erhalten wolle. Dies allein würde eine 100%ige Selbstversorgung sicherstellen. Die ganzen Marktordnungen mit Quoten, Flächenprämien und dergleichen wären dann entbehrlich.
Die zweite Voraussetzung wäre, die übrigen Mittel ? die 40 Mrd. Euro ? verstärkt für die Modernisierung der Landwirtschaft einzusetzen. Modernisierung bedeute hier nicht nur kostenorientiert wie in den USA, sondern auch durchaus investiv, aber auch erweiterte Agrarumweltprogramme. Dies bedeute, daß sich die Gesellschaft ein System schaffen müsse, um die gesamten gesellschaftlichen Sonderwünsche, die man nun einmal an die Landwirtschaft habe, einzukaufen. Wenn z. B. die Agrarminister künftig die Käfighaltung verbieten wollen, sei dies eine Reaktion auf die entsprechenden gesellschaftlichen Wünsche, die man ernst nehmen müsse. Wenn man es allerdings bei so einem Verbot belasse, sei es nicht verwunderlich, wenn Investoren ihre Betriebe dorthin auslagerten, wo sie dem nicht ausgesetzt seien. Deshalb müsse dies Wohlverhalten gesellschaftlich eingekauft werden.
Ähnlich sei es z. B. bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung, die nur unter bestimmten, den Landwirt erschwerenden Auflagen möglich sei. Auch dies reflektiere entsprechende Wünsche der Gesellschaft. Auch hier müßte sich die Gesellschaft die von ihr erwünschten Rahmenbedingungen einkaufen.
Ergänzt werden könnte dies dann noch durch wirkliche Agrarsozialprogramme. Dies würde insgesamt zu einem schlanken Politikgefüge führen. Die bestehenden Wettbewerbsnachteile im Rahmen der Marktordnungen, die alle hausgemacht seien, müßten dann mittelfristig sozusagen im Gleitflug abgebaut werden.
Berechtigt sei natürlich auch die Frage, ob nicht der Außenschutz auf Grund der WTO-Vorgaben auf Dauer gefährdet sei. Als Importschutz werde der Außenschutz sicherlich nur langsam im Rahmen eines Gleitfluges abgebaut werden, was etwa 20 Jahre Luft schaffen werde. Dieser Zeitraum werde diejenigen Investoren ermutigen, die man benötige, um die notwendigen Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen.
Was die Milch betreffe, so könne er sich durchaus vorstellen, daß auch in 20 Jahren Milch noch wettbewerbsfähig produziert werden könne. Der Wettbewerb werde insbesondere auf der nördlichen Erdhalbkugel stattfinden, und zwar zwischen den USA und Europa. Die Frage des Standortes werde u. a. durch den Strukturwandel entschieden, die Lage der günstigen Produktionsstätten. Eine mittel- bis großbäuerliche Struktur wäre hier durchaus wettbewerbsfähig. Voraussetzung wäre aber auch die technischen Fortschritte zu nutzen ? Stichwort: Melkroboter - um die Belastung auf der Lohnkostenseite zu verringern.
Insgesamt wäre daher eine Vorwärtsstrategie wichtig, die die künftigen Schwerpunkte einer neuen zukunftsträchtigen Agrarpolitik herausarbeite. Bisher würde sich die Agrarpolitik insbesondere auf die Versuche beschränken, alte Schwerpunkte zu verteidigen.

Prof. Dr. Cay Langbehn entgegnet auf den Vorwurf einer rückwärtsgewandten Agrarpolitik, daß er sich für eine Kostenorientierung in der Agrarpolitik ausgesprochen habe. Dies bedeute an diesem Standort eine intensive Produktion. Man könne sich auch in Zukunft nicht gänzlich von dem Weltagrarmarkt abschotten. Selbst wenn man den Außenschutz noch über lange Zeit hätte, würde dies nicht ausreichen, denn man müsse künftig verstärkt auch über die Grenzen Europas hinaus exportieren im weltweiten Wettbewerb und dies funktioniere nur bei einer kostenorientierten Produktion.
Wichtig sei, daß man bei diesen Erörterungen nicht den Bezug zur Realität verliere. So habe er in einer empirischen Untersuchung 1.000 Betriebsabschlüsse in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Vorpommern ausgewertet. Hierbei habe man u. a. die Stickstoffeffizienz untersucht und geprüft, wieviel Kilo Stickstoff für die Produktion von einer Dezitonne Getreide eingesetzt werden müssen.
Bemerkenswert sei das Ergebnis, wonach Betriebe mit über 85 Dezitonnen Getreideeinheiten 2,6 kg Stickstoff pro Dezitonne Getreideeinheit benötigten. Bei Betrieben unter 70 Dezitonnen Getreideeinheiten liege dieser Koeffizient bei 3,4. Ursachen hierfür seien verschiedene Gründe wie das Management, der Betriebsleiter, der Standort. Soll der Agrarstandort Europa wirtschaftlich effektiv genutzt werden, so erfordere dies eine intensive Bewirtschaftung.
Weiterhin hätten die Untersuchungen gezeigt, daß die Größe der Betriebe nicht der ausschlaggebende Faktor sei, sondern das Management der Betriebe, da es innerhalb der einzelnen Größenklassen erhebliche Unterschiede gebe. Die besten Betriebe, und zwar das oberste Viertel, habe 22 DM Produktionskosten je Dezitonne aufgewiesen, und zwar im dreijährigen Mittel, die schlechtesten Betriebe 32 DM.
Er rate jungen Menschen nicht grundsätzlich von der Landwirtschaft ab, sondern bestärke sie, wenn sie motiviert seien. Wenn sie kostengünstig wirtschaften, hätten sie auch eine Zukunftschance. Die kostenorientierte Produktion stehe nicht im Widerspruch zu notwendigen ökologischen Leistungen der Landwirte, für die sie allerdings dann auch entsprechend honoriert werden sollen.
Was die notwendige Wettbewerbsfähigkeit betreffe, so sei es die erste Aufgabe des Staates, den aktiven Unternehmern nicht unnötig Steine in den Weg zu legen bei der Ausschöpfung ihres Anpassungspotentials. Man müsse daher von dieser Überregulierung wegkommen.
Weiterhin müsse der Staat auf absehbare Zeit Einfluß auf die Erlöse der Landwirte nehmen - Stichwort: Außenschutz - da die europäische und deutsche Landwirtschaft kurz- und mittelfristig nicht zu Weltmarktpreisen produzieren könne. Der Landwirt dagegen müsse auf seinen Standorten intensiv und kostengünstig wirtschaften. Für notwendig erachte er es, sich von dem sog. Schreckgespenst der intensiven Landwirtschaft zu lösen, die sich durchaus mit einer Reihe von Nebenzielen, die man in Europa im Hinblick auf die Kulturlandschaft habe, vereinbaren lasse. Nicht richtig sei, daß die Intensität steige, wenn die Preise fielen. Richtig sei allerdings, daß das Optimum sehr nahe beim Maximum liege.
Notwendig sei es auch, den technologischen Fortschritt zu nutzen, was daran deutlich werde, daß seit 1990 trotz der drastisch gesenkten Preise das Ertragsniveau heute höher sei als damals.
Nicht unterstützt werde von ihm das Instrument Cross-Compliance, da die Landwirtschaft die Transfers benötige. Letztere dürften nicht zur Deckung von Umweltkosten Verwendung finden. Was an zusätzlichen Umweltleistungen der Landwirtschaft von der Gesellschaft erwartet werde, das müsse dann auch gesondert honoriert werden.

Auch sei er gegen eine Koppelung mit dem Arbeitskräftebesatz, da dies ökonomischen Grundsätzen widerspreche.

Abg. Ulrike Höfken erklärt dazu, daß sie durchaus für eine kostenorientierte und intensive Form der Bewirtschaftung eintrete. Allerdings gehe sie von einer anderen Kostenstruktur aus und habe und eine andere Vorstellung von Intensität. Als Politiker denke man volkswirtschaftlich und nicht betriebswirtschaftlich.

Prof. Dr. Cay Langbehn ergänzt zu dem Beispiel integrierter Anbau in der Schweiz, daß dies durchaus in Ordnung sei, soweit dies keine besondere Kosten in der Landwirtschaft verursache. Wenn der Staat allerdings nur deshalb fördere, weil es die Akzeptanz der Agrarpolitik in der Gesellschaft erhöhe, dann sei der Staat auf einem falschen Wege.

Prof. Dr. Winfried von Urff erklärt, daß die Landwirtschaft der Europäischen Union immer noch über ein Protektionsniveau von 40 % gegenüber dem Weltmarktpreis verfüge. Im Durchschnitt aller Industrieerzeugnisse seien es weniger als 4 %. Hier seien es auch früher einmal 40 % gewesen, aber in 8 Zoll-Senkungsrunden im GATT habe man dies mittlerweile soweit abgebaut. Bei der Landwirtschaft sei dies Niveau immer noch höher und zu Recht.
Es sei richtig, daß ein Außenschutz notwendig sei. Der Außenschutz allein führe zu einer 100%igen Selbstversorgung, wenn man von weiteren Eingriffen absehe. Dann wäre man exakt bei einem Modell, das 1950 von einer Gruppe des wissenschaftlichen Beirates im damaligen Landwirtschaftsministerium vorgeschlagen worden sei. Dieses Modell habe sich allerdings nicht durchgesetzt.
Einer zweiten Gruppe, mehr technokratisch ausgerichtet, sei es zuzuschreiben, daß sich die Marktordnungen, die auf Elementen der Weltwirtschaftskrise sowie auf Elementen des Nationalsozialismus aufbauten, letztendlich durchgesetzt hätten.
Neben dem Außenschutz müsse die Entlohnung von Umweltleistungen hinzu kommen. Wenn Landwirte Umweltleistungen erbringen, handele es sich um öffentliche Güter, die von der Öffentlichen Hand bezahlt aus Steuermitteln entlohnt werden müssen.
Hinsichtlich des ökologischen Landbaues sei es notwendig, ihn zu fördern wie alle anderen Formen der Landwirtschaft auch. Allerdings müsse er von der Nachfrageseite her angetrieben werden, denn nur diesen Raum könne er ausfüllen. Wenn man versuche, darüber hinauszugehen, würde dies zu genau den Problemen führen, die allgemein mit der Landwirtschaft verbunden seien. Auch er hätte eine stärkere finanzielle Ausstattung der Zweiten Säule begrüßt. Dies sei nicht durchsetzbar gewesen. Hierbei müsse aber auch immer berücksichtigt werden, daß die Marktordnungspolitik weitergeführt werden müsse, solange das bisherige System funktionsfähig bleiben solle und solange man diese Marktordnungen benötige, um bei einer Selbstversorgung über 100 %, ein Preisniveau durchzusetzen, das über dem Weltmarktpreis liege.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram erklärt zur Frage nach der regionalen Wettbewerbsstellung, daß man hier bei einer entsprechenden Bewertung für die Bundesrepublik Deutschland die jeweiligen unterschiedlichen Strukturen und die unterschiedlichen Einkommen berücksichtigen müsse. Im EU-Vergleich werde häufig übersehen, daß die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten Niederlande und Dänemark erhebliche Standortvorteile habe, und zwar im Bereich der Besteuerung und der Soziallasten. So müsse z. B. ein 60-Kuh-Betrieb in Dänemark ca. 25.000 DM mehr Steuern als ein entsprechender Betrieb in Deutschland abführen.

Zur Frage der Aufstockung der Quote müsse man wissen, daß im Rahmen der WTO-Verhandlungen bis 2000 3 Mio. t Milch aus dem Markt genommen werden müßten. Zu den Kosten einer entsprechenden Mengenrückführung weist er darauf hin, daß man dann, wenn man das Fett über das Butterfett durch Verdrängung von normalpreisiger Butter absetze, auf Kosten auf 20 bis 30 DM je kg Butter Mehrabsatz komme. Je kg Milch würde dann die Belastung bei 1 DM liegen, was zu enormen Beträgen führen würde.
Wenn mit einer Politik der Mengenbegrenzung Quoten gemeint seien, so könne er dem nicht zustimmen, wenn dann indirekt die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft angesprochen werden sollen. Hierzu habe Müller-Amark inhaltlich folgendes erklärt: Ein Sektor, der durch den technischen Fortschritt in Bedrängnis geraten sei, den sollte man durch die subventionierte Herausnahme dieser schwachen Betriebe wieder an das Marktgleichgewicht heranführen. Dies gelte in ausgesprägtem Maße für die europäische Landwirtschaft. So gebe es etwa 3 Mio. Kühe zu viel. Eine Kuh verursache jährlich ca. 2.000 DM Kosten. Wenn man dafür den Milcherzeugern 8.000 DM zahle, käme man im Milchsektor zu Einsparungen von 6 Mrd. DM und im Rindfleischsektor von 12 Mrd. DM. Damit stünden insgesamt 18 Mrd. DM zur Verfügung, womit der Milch- und Rindfleischmarkt entlastet werden könnte. Ein wesentlicher Aspekt hierbei sei auch, daß das Kapital im Lande bliebe. Die aufgebenden Betriebe würden sozial abgesichert.
Falsch sei, daß der Zuckerrübenmarkt keine Kosten verursache. Wer auf dem Weltmarkt Zucker für 35 DM verkaufe, habe Fabrikationskosten in Höhe von 48 DM zuzüglich 8 DM Transportkosten, wobei der Kaufpreis vom Erzeuger noch nicht berücksichtigt sei. Jeder Überschußhektar Zucker koste die Landwirtschaft, die Zuckerwirtschaft und letztlich den Verbraucher um die 4.000 DM.

MR Dr. Schick, Bayern, appelliert an den Bund, auch auf EU-Ebene für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Zweiten Säule Sorge zu tragen, da ansonsten die Bundesländer, die in der Vergangenheit Erhebliches in diesem Bereich geleistet hätten, große Schwierigkeiten haben würden, die durch diese Aktivitäten entstandene Nachfrage abzudecken.

LMR Dr. Lampe, Niedersachsen, räumt ein, daß sich die Entwicklung zu den Regionalmärkten entsprechend dem Verbraucherverhalten weiter entwickeln werde. Gleichwohl könne man diese Forderung nicht verallgemeinern. So fördere Niedersachsen diesen Bereich zwar, stehe jedoch vor der Notwendigkeit, 50 % seiner Produktion außerhalb der Landesgrenzen abzusetzen. Deshalb sei es erforderlich, daß es auch außerhalb der Regionalmärkte viel Bewegung gebe.

Dr. Ludger Wilstacke, Nordrhein-Westfalen, bejaht die Frage, ob eine Marktdifferenzierung auch möglich sei. Auf der einen Seite individualisiere sich die Gesellschaft, während gleichzeitig die Muster von gesellschaftlichen Nachfragegruppen breiter würden, da sich dort entsprechende Strömungen, die sich in gesellschaftlichen Strömungen in verschiedenen Gruppen wiederfinden, gleichzeitig am Markt auftreten. Die Chance der Nahrungsmittelindustrie in Deutschland sei die, festzustellen, wo neue gesellschaftliche Gruppen mit kaufkräftiger Nachfrage auftreten bzw. wo man entsprechende Märkte entwickeln könne. Diese Chancen müßten systematisch entwickelt werden, wobei dem Staat auch eine gewisse Förderungspflicht obliege, da die landwirtschaftliche Erzeugung so zersplittert sei, daß sich Erzeuger, Verarbeiter und dgl. nicht von alleine am Markt zusammenfinden, um auf diese neuen Verbraucherwünsche direkt eingehen zu können. Daher habe die Öffentliche Hand hier Kommunikations- und Moderationsaufgaben, müsse Impulse geben und auch Fördermittel bereitstellen. Stichworte seien hier Regionsorientierung, regionale Vermarktung. Dies bedeute, den Produkten neue vom Verbraucher nachgefragte Qualitäten zu geben ? Ökoprodukte, artgerechte Tierhaltung, kurze Transportwege, Kennzeichnung nach Qualitäten und regionalen Herkünften.
Dies solle vor allen Dingen die Breite des Marktes und seine ständige Veränderung zeigen, auf die man rechtzeitig reagieren müsse, und zwar im Interesse der Landwirtschaft sowie der Region.

Dr. Helmut Born, DBV, erklärt zu der Frage nach der Motivation junger Landwirte, daß das Produktrisiko groß geworden sei, das Marktrisiko allerdings noch größer. Daher benötige man gut ausgebildete, motivierte und auch risikobereite junge Menschen, die bereit seien, in die Landwirtschaft einzusteigen und hierbei versuche man sie auch zu unterstützen.
Nicht könne er die Auffassung teilen, daß der Außenschutz allein ohne die Marktordnungen eine wirkliche Alternative sei. Wenn man innen eine Produktion von 120 % habe, könne man den Außenschutz so hoch machen wie man wolle, eine Lösung für die inneren Probleme bringe er dann nicht.

Dr. Volker Petersen, DRV, ergänzt zur Frage nach der Intensität, daß es in dem 10-Jahres-Zeitraum 1989 bis 1997/98 bei Stickstoff einen Rückgang von 2,2 Mio. auf 1,8 Mio. gegeben habe, bei Phosphor und Kali eine Halbierung. Dies seien die Fakten bei gestiegenen Erträgen und bei ständig verbesserter Ausbringungstechnik und berühre auch den Agrarhandel. Man sei eben nicht nur von den Getreidepreissenkungen betroffen, sondern auf der Inputseite gebe es auch entsprechende Anpassungen.

Dr. Klaus-Dieter Schumacher, BVA, weist zu dem Schaubild Nr. 4 in Anlage 3 von Prof. Dr. Wolffram hin, daß sich der Getreidehandel zwar hinsichtlich der absoluten Summe nicht verändert habe. Allerdings sei darin eine gewaltige strukturelle Änderung, in der Größenordnung von 3 Mio. t und darüber enthalten, und zwar die Mengen, die die frühere Sowjetunion nicht mehr importiere und die nun andere Länder in der Welt importierten, die auch in Zukunft die Nachfragesteigerung auf den internationalen Märkten, insbesondere in Asien bewirken werden.
Was die Ernährungssituation weltweit und regional (Europa) betreffe und die Möglichkeit, eine nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben, so habe man sicherlich eine gewisse Verantwortung für die weltweite Ernährungssicherung.

Dirk Detlefsen, BDL, hält es für falsch, jungen Menschen pauschal von einem Einstieg in die Landwirtschaft abzuraten. Hierbei handele es sich immer um eine betriebswirtschaftliche Entscheidung in jedem einzelnen Falle. Sicher werde nicht jeder Betrieb überleben können, aber andererseits habe die Landwirtschaft in Deutschland auch in Zukunft eine Chance, sofern man sich ein Stück von der traditionellen Landwirtschaft entferne und den Weg der Diversifikation beschreite und mit Leben ausfülle. Die Haupterwerbsbetriebe, deren Anzahl abnehme, werden sicherlich nicht in die Diversifikation einsteigen, wohl aber, und zwar massiv, die Zuerwerbsbetriebe, deren Zahl zunehme. Ähnlich sei es bei den Nebenerwerbsbetrieben, die stagnierten oder leicht abnehmen würden, aber gleichwohl auch noch einen gewissen Zuerwerb hinzuverdienen müßten.

Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt, daß der frühere Bundeskanzler Schmidt vor 15 Jahren die Liberalisierung der Finanzmärkte begonnen und vorangetrieben habe. Heute hätte er eine andere Auffassung dazu. Die Frage sei, ob sich diese Tendenz fortsetze bei entsprechenden Brüchen und Veränderungen in der Weltwirtschaft. Diese Frage sei noch nicht beantwortet. Ihn erstaune daher die Sicherheit der entsprechenden Vorredner, daß diese Entwicklung unverändert voranschreite, denn das Risiko der Weltmarktausrichtung sei sehr hoch.
In welcher Richtung der Zug auf Druck der WTO und GATT laufe, sei klar. Gleichwohl erhebe sich die Frage, ob man sich dem beuge oder doch versuche, angesichts der knappen nationalen und europäischen Haushalte in gewisser Weise entgegenzusteuern, da nur ca. 10 % die Weltmarktausrichtung schaffen würden. Daher bleibe die Frage, woher man die Sicherheit nehme, diesen Weg zu empfehlen.

Abg. Albert Deß würde genau die Stimmung der übrigen 90 % der Landwirte zum Ausdruck bringen, die hier keine Chance sehen, auch wenn er den zum Ausdruck gebrachten Pessimismus bedauere.
Was die Finanzen betreffe, so habe Ende letzten Jahres der Europäische Rechnungshof einen Bericht zur Agenda 2000 vorgelegt. Darin habe er zum Ausdruck gebracht, daß die Agrarleitlinie als Obergrenze des Agrarhaushaltes sehr vage sei, da sie von einem sehr optimistischen Wirtschaftswachstum, das die Agenda zugrunde lege, abhänge. Dieses angenommene Wirtschaftswachstum habe es in den letzten Jahren nie gegeben. Auch sei in dem Bericht darauf hingewiesen worden, daß es dann, wenn die Agenda so durchgeführt würde, wie sie ursprünglich konzipiert gewesen sei, und zwar mit stärkeren Preissenkungen, gleichwohl immer noch einen erheblichen Abstand zu den Weltmarktpreisen geben würde. Nur durch Strukturwandel und Kostendiskussion im Lande allein könne dieser Abstand nicht überwunden werden. Wenn die Zweite Säule über zu wenig Mittel verfüge, um die Betriebe entsprechend fit zu machen, sei offen, wie dieser Weg beschritten werden solle.

Prof. Dr. Cay Langbehn erwidert darauf, daß keiner der Professoren erklärt habe, daß kurz- oder mittelfristig in Europa Weltmarktpreise gelten würden.

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer ergänzt, daß man für Außenschutz plädiert habe, was eine 100%ige Selbstversorgung bedeute, und dies sei keine Weltmarktorientierung.

Wolfgang Reimer, AGBL, erklärt dazu, daß zur Zeit der Außenschutz bei Getreide auf Grund der letzten GATT-Runde bei 155 % des Interventionspreises liege. Wenn man die Intervention absenke, werde auch der Außenschutz reduziert, da beides nicht voneinander unabhängig sei.

Prof. Dr. Rudolf Wolffram entgegnet darauf, daß dann, wenn der Weltmarktpreis bei Null liege, der Außenschutz so hoch sei, daß man selbst zu diesen Bedingungen nicht den Interventionspreis unterlaufe. Selbst bei einer weiteren Senkung um 36 % habe die gesamte WTO-Diskussion für die Preisbildung innerhalb der Europäischen Union überhaupt keine Bedeutung. Dies gelte für Getreide und für Milch. Die einzige Konsequenz sei die Kürzung der Exportmengen und die Kürzung der Exporterstattungen.

Christof Weins, NABU, unterstreicht, daß es sicherlich betriebswirtschaftlich unsinnig sei, bei sinkenden Erzeugerpreisen das Intensitätsniveau gleichhoch zu halten. Gleichwohl wisse man auch, daß sich die Preise für die Betriebsmittel auch an die Erzeugerpreise anpaßten.
Was die Fakten zur Intensität betreffe, so sei der vom DRV zugrunde gelegte Vergleichszeitraum 1989 bis 1998 wegen der Vereinigungsproblematik und dergleichen ungeeignet. Daher habe er den Zeitraum 1993 bis 1998 gewählt und hier sei deutlich erkennbar, daß es einen höheren Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln gegeben habe.

Arnd Span, IG BAU, erklärt, daß sich die Kollegen in Spanien und Frankreich bei der Bewertung der Agenda-Beschlüsse erheblich optimistischer äußerten als man dies hier tue. Dort würden Veränderungen in den Betrieben in einer Intensität stattfinden, die es hier bisher nicht gebe. Diese Veränderungen würden von der IG BAU unterstützt. Sie beruhten auf dem Prinzip, zu prüfen, welche Entwicklungen es gebe, die für die Betriebe interessant sein könnten. Diese Innovation der betrieblichen Produktion gebe es bisher nur vereinzelt und nicht flächendeckend in Deutschland. Daher gehe es um die Frage, wie dieser Anteil erweitert und gleichzeitig der Marktordnungsanteil der Agrarpolitik zurückgenommen werden könne. Dies müsse man zusammen angehen.
Entscheidend sei die Fähigkeit der Menschen, sich auf entsprechende Prozesse einzustellen. Dazu gehöre die Qualifikation und dies erfordere, daß der Staat auch entsprechende Strukturen schaffe, um neben der direkten investiven Form der Förderung auch die Förderung der Humanressourcen stärker in das Zentrum der Förderung zu stellen. Entsprechende Qualifikationen seien Voraussetzung für das Entdecken entsprechend neuer Märkte und ein entsprechendes Tätigwerden. Dies wiederum könnte zum Überleben vieler Betriebe und zur Sicherung zahlreicher Arbeitsplätze führen.
Vermißt habe er bisher die gründliche Auseinandersetzung mit den Opfern dieses notwendigen Anpassungsprozesses, und zwar insbesondere im Bereich der benachteiligten Gebiete. Dies erfordere auch eine eingehende Diskussion darüber, wie das gesamtgesellschaftliche Ziel, die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Landnutzung, künftig und unter welchen finanziellen und anderen Rahmenbedingungen und auch von den Köpfen her erreicht werden könne.

Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr erklärt abschließend, daß es bei der Anhörung darum gehe, nicht die Einlassungen der anderen zu bewerten, sondern vielmehr diese kennenzulernen.
Wenn sich die Marktsituation nicht dramatisch verändere, werde die Agenda 2000 zu einem erheblichen Verlustgeschäft für die deutsche Landwirtschaft.

Der Vorsitzende erklärt abschließend, daß man in der Agrarpolitik sicherlich viele Wünsche habe. Entscheidend sei jedoch, die Gegebenheiten zur Kenntnis zu nehmen und sich zu fragen, was dies für die Zukunft erfordere. Daher habe die Agrarpolitik die Aufgabe, die Betriebe frühzeitig auf die hier schärfer werdenden Herausforderungen einzustellen. Er schließt die Anhörung mit einem Dank an die Sachverständigen.


Ende der Sitzung 16.45 Uhr




Peter Harry Carstensen
Vorsitzender

Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv14/a10/a10_sitz_18
Seitenanfang
Druckversion