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14. Wahlperiode
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DEUTSCHER BUNDESTAG Protokoll-Nr. 14/93
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
14. Wahlperiode
22 38- 24 50



Wortprotokoll

der

93. Sitzung


des Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
(10. Ausschuss)


am Montag, 29. April 2002, 11.00 Uhr
(Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.700)


Öffentliche Anhörung

zum Thema

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes (VerbIG)



Vorsitz: Peter Harry Carstensen (Nordstrand), MdB


SEITE
Einziger Punkt der Tagesordnung
8 - 114


Öffentliche Anhörung zum Thema


Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes (VerbIG)

- Drucksache 14/8738 -



dazu: Stellungnahmen der Sachverständigen


14/678 Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.

14/684 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

14/687 Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.

14/688 Markenverband

14/700 Peter Knitsch, Ministerium f. Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen


14/701 Dr: Karin Klaffke - Institut f. Markt-Umwelt-Gesellschaft e.V. an der
Universität Hannover


14/705 PD Dr. Josef Falke, Zentr. f. Europ.Rechtspolitik an der Universität Bremen





Der Vorsitzende: Meine Damen und Herren, ich eröffne die 93. Sitzung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur öffentlichen Anhörung zu dem Entwurf der Bundesregierung für ein Verbraucherinformationsgesetz (VerbIG).
Ich darf Sie jedoch zunächst bitten, sich aus gegebenem Anlass von Ihren Plätzen zu erheben. Mit Entsetzen und Fassungslosigkeit haben wir am Freitag von dem Amoklauf in Erfurt Kenntnis genommen. Wir trauern und denken an die Hinterbliebenen, an die Opfer, an die Bürgerinnen und Bürger in Erfurt. Wir denken auch an manche Unzulänglichkeiten unserer eigenen Entscheidungen. Ich darf Sie nun bitten, den Opfern ein stilles Gebet zu widmen. Ich danke Ihnen.
Ich begrüße die Mitglieder unseres Ausschusses und vom BMVEL Frau Dr. Wollersheim, die PSt Dr. Thalheim vertritt, der sich verspäten wird, aber sein Kommen zugesagt hat. Ich begrüße weitere interessierte Gäste zu dieser öffentlichen Anhörung und insbesondere die Damen und Herren Sachverständige in unserer Mitte. Herzlich willkommen und ein herzliches Dankeschön, dass Sie es wahr machen konnten, der kurzfristigen Einladung zu folgen. Dieses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung hat schon zu vielerlei Reaktionen und Diskussionen unter den Beteiligten, aber auch in der Öffentlichkeit geführt. Uns, den Mitgliedern des Ausschusses, dient diese Anhörung zur Vorbereitung auf die bevorstehende Beratung im Ausschuss, um sich ein genaueres Bild über Nutzen, Schwachstellen und Auswirkungen des Gesetzentwurfes machen zu können. Dies interessiert natürlich auch alle direkt und indirekt Beteiligten, von denen nur eine begrenzte Zahl als Sachverständige geladen werden konnten, insbesondere interessiert dies aber die große Zahl der Verbraucherinnen und Verbraucher, weshalb wir die Anhörung öffentlich durchführen. Von den Sachverständigen sind zum Teil vorab Antworten auf den Fragenkatalog eingegangen, die als Ausschuss-Drucksachen ausliegen, wofür ich angesichts der kurzfristigen Terminierung sehr danken möchte. Diese sind den Abgeordneten per E-Mail übermittelt worden und liegen hier im Sitzungssaal aus. Außerdem liegen Stellungnahmen von Verbänden zum Gesetzesvorhaben aus, die unabhängig von der Anhörung im Ausschuss-Sekretariat eingegangen waren.

Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens rechne ich mit einer Dauer von ca. drei Stunden. Ich möchte nunmehr die Sachverständigen bitten, mit einem kurzen Statement zu beginnen, um im Anschluss daran in die Fragen- und Antwortrunden einzutreten.
Burghard von Hausen, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände: Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst, dass wir heute zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen dürfen. Unsere schriftliche Stellungnahme ist Ihnen zugegangen, bevor wir den Fragebogen am letzten Mittwoch erhalten haben. Eine Beantwortung dieser Fragen war uns daher nicht mehr möglich. Wir werden diese nachreichen, soweit dies gewünscht wird. Grundsätzlich kann man den dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Gedanken, den Verbraucher besser zu informieren, gutheißen. Eine möglichst weitgehende Information der Verbraucher über die von Ihnen gekauften Produkte fördert nicht nur den Schutz der Verbraucher, sondern würde auch die Erzeuger von Produkten zwingen, die größtmögliche Sorgfalt bei der Entwicklung und Produktion und im Vertrieb walten zu lassen. Die Frage, ob dieser Gesetzentwurf dazu angetan ist, diese Voraussetzung zu erfüllen, mag ich nicht uneingeschränkt befürworten. Leider haben die Entwurfsverfasser darauf verzichtet, rechtzeitig den Rat von Praktikern vor Ort einzuholen. Das wird auch aus der Frage fünf der FDP-Fraktion deutlich. Wir sind von der Bundesministerin darüber informiert worden, dass der Gesetzentwurf derart unter Zeitdruck stand, dass es nicht möglich war, uns rechtzeitig zu beteiligen, obwohl andere Verbände, die weitaus weniger betroffen waren, durchaus beteiligt worden sind. Wir hätten den Vertreter des Ministeriums eingeladen, sich einmal in einer Kommune ein Lebensmittelamt anzuschauen und zu sehen, wie die Lebensmittelüberwachung vor Ort funktioniert. Wir hätten dann sicherlich die eine oder andere Formulierung im Gesetz anders vorgefunden, als sie heute zu finden ist.
Lassen Sie mich deshalb schon in diesem Zusammenhang auf zwei Fragen eingehen, die im Fragenkatalog sind. Es geht um die Fragen fünf und sechs im Katalog der SPD-Fraktion. Da heißt es z. B., ob wir eine Notwendigkeit sehen, dass Behörden erstmals öffentlich auch von sich aus über bestimmte Vorkommnisse warnen können. Bei Gefahr im Verzuge, insbesondere bei Gesundheitsgefahren, müssen wir das sogar schon heute. Insofern ist hier eine Erweiterung nur teilweise vorgegeben. Das Problem besteht nur darin, dass die Behörde ein wesentliches Risiko eingeht, wenn sie sich zum Handeln entschließt. Sie ist ständig der Gefahr ausgesetzt, dass erhebliche Schadensersatzforderungen auf sie zukommen. Ich erinnere hier an den Birkel-Fall, den Sie alle kennen. Sie müssen darüber hinaus wissen, dass die Lebensmittelbehörden immer nur Stichprobenkontrollen vornehmen und dass sich bei Beanstandungen sehr oft hinterher herausstellt, dass die internen Überprüfungen der Produzenten zeigen, dass es sich hier um einmalige Ausrutscher handelte, von daher die Maßnahmen vor Gericht keinen Bestand haben und entsprechende Schadensersatzforderungen vorliegen. Die Auffassung, dass bei uns eine Fülle von Daten vorliegt, die kostengünstig ins Internet gestellt werden können, entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Auch die nächste Frage zeigt, dass jedenfalls in diesem Gesetzentwurf eigentlich nichts Neues geschaffen wird, wenn die Behörde Hersteller und Produktbezeichnung benennen darf. Das tun und müssen die Lebensmittelämter selbstverständlich bei Gefahr im Verzuge. Zugegebenermaßen sind im jetzigen Regierungsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf einige Verbesserungen festzustellen.
Dennoch bleibt für uns die Frage im Raum, was mit diesem Gesetzentwurf bezweckt wird. In der Begründung zum Referentenentwurf wurde darauf hingewiesen, dass eine verbesserte Unterrichtung der Bevölkerung durch die hierfür an sich zuständigen Verbraucherschutzorganisationen schon deshalb nicht in Frage komme, weil man dafür das Geld nicht hat. Seinerzeit war auch noch eine Verpflichtung zur Veröffentlichung im Internet vorgesehen. Jetzt ist es eine Kannbestimmung, in der Begründung heißt es allerdings wieder ?soll?. Was ?soll? im Gesetz heißt, wissen Sie. Auch bei dieser Aussage wird deutlich, dass die Verfasser des Entwurfes noch keinen sehr genauen Blick in ein Lebensmittelamt geworfen haben können. Wenn man, wie im Entwurf beabsichtigt, bei den Behörden vorhandene Informationen in allgemein verständlicher Sprache ins Internet stellen wollte, so wäre dafür ganz erhebliche Personalaufstockung bei unseren Ämtern notwendig.
Ich darf z. B. den Kreis Gütersloh nennen, der über 100 EG-zugelassene Betriebe beherbergt, die Lebensmittelprodukte für die gesamte EU herstellen und vertreiben. Wenn Sie sich einmal überlegen wollen, was das für den Kreis Gütersloh bedeuten würde, dann würden Sie die in der Begründung zur Kostenfolge gemachten Ausführungen so jedenfalls nicht befürworten können. Dazu kommt, dass die Daten, die vorhanden sind, so überhaupt nichts aussagen. Wir haben von einem anderen Kreis mitgeteilt bekommen, dass er alleine über 130.000 DM pro Jahr Mehrkosten für Personal einsetzen muss, und dies ist ein Kreis, in dem normalerweise so viel nicht stattfindet. In Gütersloh z. B. würde sich das entsprechend höher auswirken.
Lassen Sie mich in dieser Einleitungsrunde auch noch auf einen anderen Umstand hinweisen. In einigen Ländern gibt es bereits Auskunfts- und Informationsgesetze. Diese spielen nach unserer Recherche in der Praxis bisher noch keine große Rolle. Wenn jetzt auf Bundesebene dennoch die Notwendigkeit gesehen wird, für den Verbraucherschutz eine besondere bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, und damit, wie es in der Begründung heißt, die in Deutschland seit eh und je geltenden Grundsätze des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung jetzt umgekehrt werden sollen, dann ist es für uns eigentlich nicht verständlich, dass ein solcher Systemwechsel in einem beschleunigten Verfahren durchgezogen werden muss. Auf der einen Seite beklagt man schlechte Gesetzgebung, es werden Kommissionen eingesetzt, der Juristentag überlegt sich, wie man Gesetzgebung verbessern könne und dann kommt immer wieder so etwas dabei heraus. Dies ist wirklich nicht verständlich.
Im Gegensatz zum Referentenentwurf wird jetzt in § 7 des Gesetzentwurfes festgestellt, dass kostendeckende Gebühren erhoben werden. Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Gebühren so hoch sein müssen, dass der einzelne Bürger von der Anfrage Abstand nimmt. Wenn aber heute z. B. Verbände oder die Medien an die Lebensmittelämter Fragen stellen, dann kann es sich heute kein Lebensmittelamt leisten, diese Fragen nicht zufriedenstellend zu beantworten. Sie können sich auch vorstellen, dass Anfragen von Rundfunkanstalten oder anderen Medien wohl kaum mit einem Gebührenbescheid zu beantworten sein werden. Die Kommunen werden also hier auf erheblichen Kosten sitzen bleiben, wobei ich nochmals darauf hinweise, dass schon heute diese Unterrichtung der Medien funktioniert. Wir würden deshalb nochmals ganz herzlich darum bitten, von einem beschleunigten Verfahren zu diesem Gesetz Abstand zu nehmen und noch einmal gemeinsam mit uns zu prüfen, wie die Praxis mit einem solchen Gesetz arbeiten kann.

Prof. Dr. Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.: Vielen Dank Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, dieses Vorhaben ist für die Lebensmittelwirtschaft, und darauf konzentriert sich auch der Gesetzesansatz, von allergrößter Bedeutung, insbesondere deshalb, weil öffentliche Äußerungen der Behörden in negativer Hinsicht eine ganz spezifische Wirkung auf den Lebensmittelsektor haben, denn sie sind in den meisten Fällen als Warnung zu verstehen. Wir haben eine Reihe von Beispielen aus der Vergangenheit, in denen diese öffentlichen Äußerungen zu gravierenden Folgen geführt haben. Der Birkel-Fall ist bereits erwähnt worden, ich darf hinzufügen, der damalige Umsatzeinbruch wurde mit 43 Mio. DM beziffert. Das Unternehmen konnte, wie Sie alle wissen, so nicht weitergeführt werden. Grundsätzlich ist die Lebensmittelwirtschaft der Auffassung, dass die Verbraucherinformation und die Wege und Mittel dazu deutlich verbessert werden müssen. Dies erfordert insbesondere eine Änderung des komplizierten und weitgehend unverständlichen Kennzeichnungsrechtes in Europa. Wir hätten uns gewünscht, dass man darauf den Schwerpunkt legt, aber man hat nun einen anderen Weg eingeschlagen. Wir als Lebensmittelwirtschaft empfehlen unseren Mitgliedern nachdrücklich, das eigene Informationsangebot ständig zu verbessern und auszufeilen, und ich glaube, dass dort auch schon einige Verbesserungen erzielt worden sind.
In dem Gesetzentwurf vermissen wir eine angemessene Güterabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Verbraucher einerseits und den schutzwürdigen Belangen der Unternehmen andererseits. Wir sehen nach wie vor, dass dieses Gesetz dem Missbrauch durch Mitbewerber Tür und Tor öffnet. Ebenso den Missbrauch durch die Presse, aber auch den Missbrauch durch die Politik. Wir befürchten, dass mit diesem Gesetz die Möglichkeit einer öffentlichen Vorverurteilung eröffnet wird, statt dem Verbraucher alles an die Hand zu geben, damit er eine eigenverantwortliche Kaufentscheidung treffen kann. Dieses Gesetz muss dringend insoweit überarbeitet werden, als weitere Sicherungen im Interesse der berechtigten Belange der Unternehmen eingebaut werden müssen.
Zunächst einmal ist für uns absolut unverständlich, dass es nicht ausnahmslos die Regel sein muss, dass Daten aufbereitet werden. Der Verbraucher hat keinen Vorteil, wenn er mit irgendwelchen Rückstandszahlen konfrontiert wird. Es muss ihm vielmehr auch gesagt werden, welche Bedeutung eine solche Zahl hat. Wenn eine solche Aufbereitung aber nicht möglich ist, weil, wie bereits gesagt wurde, der Aufwand hierfür zu hoch ist, dann hat eben der Verbraucher keinen Anspruch auf eine solche Information. Im niedersächsischen Entwurf war ein solcher Anspruch tatsächlich ausgeschlossen. Die Modalitäten der zur Verfügungstellung von Daten durch die Behörden müssen deshalb wirklich noch überarbeitet werden. Hierzu gehört beispielsweise auch die Festlegung, wie lange solche Daten im Internet stehen sollen.
Des Weiteren ist es unbedingt erforderlich, dass auch ein laufendes Verwaltungsverfahren den Informationsanspruch ausschließt. Beanstandungen, die in einem laufenden Verwaltungsverfahren ausgesprochen werden, sind oft nicht mehr als Meinungsäußerungen einer Behörde und die überwiegende Anzahl der Beanstandungen führt zu überhaupt nichts, jedenfalls keineswegs zu einer Verurteilung eines Unternehmens. Es ist also dringend erforderlich, zunächst den Abschluss eines Verwaltungsverfahrens abzuwarten. So sieht es im Übrigen auch die amtliche Begründung vor. Nur im Gesetzestext ist das leider nicht zu finden. Ferner muss jedes Unternehmen vor der Offenbarung seiner Daten angehört werden, und es muss ein Recht auf Gegendarstellung verankert werden.
Was das Informationsverhalten der Behörden selbst, also die öffentlichen Äußerungen und Mitteilungen betrifft, so muss aus unserer Sicht der Grundsatz der Subsidiarität verankert werden, d. h., wenn ein Unternehmen selbst informieren will, dazu bereit und in der Lage ist, dann steht die Informationsmöglichkeit der Behörden zurück. Auch muss eine Korrektur der behördlichen Verlautbarung auf Verlangen der Unternehmen vorgesehen werden.
Lassen Sie mich jetzt zu einem Punkt kommen, der im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht steht, der aber offensichtlich vom Bundesrat beschlossen worden ist, nämlich ein weitgehender Haftungsausschluss für Behörden. Behörden sollen nicht einmal verpflichtet sein, die inhaltliche Richtigkeit der Daten zu überprüfen und sie haften nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Das würde bedeuteten, dass das ganze Risiko dieser neuen Informationskultur beim Unternehmen liegen würde. Das ist, abgesehen davon, dass es verfassungsrechtlich gar nicht haltbar ist, wirklich politisch der absolut verfehlte Weg. Das hieße, Behördenschlamperei wie im Fall Birkel würde sanktioniert. Das kann es wohl im Ernst nicht sein. Wenn Informationen aus dem Bereich der Behörden gegeben werden, dann nur nach bestem Wissen und Gewissen.
Im Übrigen kann aus unserer Sicht nur eine europäische Regelung und nicht ein nationaler Alleingang in Frage kommen, denn dadurch würden unsere Unternehmen insoweit diskriminiert, als über sie sehr viel mehr Informationen angeboten würden, als über Unternehmen aus dem Ausland. All diese Punkte zeigen auf, dass dieses Gesetzgebungsvorhaben wirklich noch einer äußerst sorgfältigen Prüfung bedarf. Information darf nicht um des Informierens willen zur Verfügung gestellt werden. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Negativ-Beispielen. Das letzte hat uns in der vergangenen Woche erreicht, nämlich die Berichte über Acrylamidfunde in Grundnahrungsmitteln in Schweden. Nichts ist gesichert, die Werte sind ins Internet gestellt worden, eine weltweite Verunsicherung, die weder dem Verbraucher noch dem Gesetzgeber nützt, ist eingetreten und die Schweden sagen selbst, es müsse alles noch wissenschaftlich abgesichert werden. Solche Informationspolitik hat, wenn Sie den Mehrwert für den Verbraucherschutz betrachten, absolut keinen Sinn. Vielen Dank.

Dietrich Klein, Deutscher Bauernverband: Vielen Dank, Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben den Fragenkatalog angesprochen, der uns zugesandt worden ist. In meinem Statement möchte ich auf einige Kernpunkte eingehen, die sich wie ein roter Faden durch die Fragen aller Fraktionen ziehen. Das ist die Frage, brauchen wir eine umfassende kohärentere Verbraucherinformationspolitik. Dazu sagen wir ganz klar: Ja!
Wir bedauern allerdings, dass die Bundesregierung diesem Anspruch mit diesem Gesetzentwurf nicht gerecht wird. Deshalb lehnen wir diesen Entwurf in der vorliegenden Form auch ab, denn in dem Gesetzentwurf wird zu Lasten einer umfassenden Verbraucherinformation einem ordnungsbehördlichen Auskunftsverfahren der Vorzug gegeben und darunter verstehen wir nicht eine umfassende Verbraucherinformation. Wir lehnen diesen beschränkten Ansatz als verfehlt ab und fordern, mehr aktive Verbraucherinformationspolitik von Staat und Wirtschaft. Wir fordern dies jedoch nicht nur, sondern wir machen auch unsere Schulaufgaben. Wir haben mit allen Partnern in der Lebensmittelkette das Qualitäts- und Sicherheitssystem aufgebaut und der Erfolg dieses Systems, die starke, positive Resonanz, beweist uns, dass wir mit diesem System, das ja letztlich darauf abzielt, dass der Verbraucher am Point of Sale, also im Laden, Informationen erfragen und bekommen kann.

Entscheidend ist, dass der Entwurf, was die Ordnungsbehörden angeht, aus unserer Sicht nur insoweit ein diskussionsfähiger Ansatz ist, als es um die Kommunikation konkreter gesundheitlicher Gefährdungen bei Lebensmitteln geht, also um öffentliche Warnungen. Hier sind klare und tragfähige Regelungen erforderlich, damit hier die Ordnungsbehörden, wenn es notwendig ist, eingreifen können, allerdings unter Berücksichtigung der von den Unternehmen freiwillig gegebenen bzw. vom Markt erzwungenen Informationen. Ich glaube aber, in der Vergangenheit haben wir gesehen, und dies wird aller Voraussicht nach auch in der Zukunft so sein, dass es sich um Ausnahmefälle handelt, die allerdings abgedeckt werden müssen.
Insofern sehen wir hier einen diskussionsfähigen Ansatz.

Ich möchte allerdings hier auch in aller Deutlichkeit sagen, dass durch die Vorschläge des Bundesrates zur Haftungsfreistellung der Behörden, nach der diese nicht verpflichtet sein sollen, richtig zu recherchieren und für ihre Auskünfte nicht haften, eine Situation entstanden ist, die so nicht bleiben kann. Das ist keine Basis für ein Informationssystem, das sich das Vertrauen der Verbraucher erst erwerben muss. Nach unserer Auffassung müssen Behörden, genauso wie Unternehmen, für eventuelle Pflichtverletzungen einstehen.
Zum Thema Zielgruppeninformation, nach der bestimmte Zielgruppen und auch einzelne Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, sich zu informieren, halten wir es für unabdingbar, dass diese Informationen auch wissenschaftlich und fachlich abgesichert werden müssen. Wir können es uns nicht erlauben, die Verbraucher "aus der Hüfte schießend" zu informieren. Das wäre keine seriöse Verbraucherinformation und deswegen sagen wir, es ist aus unserer Sicht unverzichtbar, vorhandenen Informationsmedien und auch Quellen, wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, oder auch eine allgemeine Information aus dem Deutschen Lebensmittelbuch, in wesentlich stärkerem Maße zu fördern, um die Informationen für die Verbraucher zu verbessern. Wir sind auch der Auffassung, dass die individuelle Verbraucherberatung vor Ort stärker gefördert werden sollte. Wir bieten hierzu unsere Mitarbeit an.
Alle Maßnahmen zur Verbraucherinformation, die ergriffen werden, müssen effizient sein. Sie müssen beim Verbraucher ankommen und ihn erreichen. Hier habe ich aber, ehrlich gesagt, alle größte Zweifel, ob der von der Bundesregierung gewählte Ansatz tragfähig ist und wenn ich mir diesen genau ansehe, dann scheint die Bundesregierung selber auch daran Zweifel zu haben, nämlich bei den Vollzugskosten. Hier sagt die Bundesregierung selber, dass aufgrund der niedrigen Inanspruchnahme der bestehenden Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Berlin nicht davon auszugehen ist, dass erhebliche Vollzugskosten entstehen werden. Vielen Dank!

Christopher Scholz, Markenverband e. V.: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Markenverband vertritt die Interessen der Markenartikel herstellenden Industrie.
Der Markenverband fühlt sich von dem Verbraucherinformationsgesetz, wie es die Bundesregierung plant, in besonderem Maße betroffen, denn die Marke ist ein besonders sensibles, hohes Gut, und wenn es um Information geht, ist der Markenartikler auf das Vertrauen des Verbrauchers in seine Produkte eben auch in besonderem Maße angewiesen. Deswegen ist der Markenverband trotz der Verbesserungen gegenüber dem jetzt vorliegenden Entwurf weiter sehr kritisch, denn durch das Verbraucherinformationsgesetz des BMVEL wird u. E. die Kultur des Misstrauens festgeschrieben, die u. a. auch in dem niedersächsischen Entwurf ausdrücklich kritisiert worden ist, ohne dass hierdurch wirklich eine bessere Information für Verbraucher und das Ziel einer selbst bestimmten Verbraucherentscheidung verwirklicht werden. Dabei entstehen erhebliche Gefährdungen insbesondere für Markenartikel-Hersteller, die von ihrem Namen und dem Vertrauen des Verbrauchers leben. Wir fordern zu dem Gesetzentwurf eine Beschränkung auf Gesundheit und Sicherheit, und wir halten es nicht für sachgerecht, die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers mit zu berücksichtigen.
Insbesondere ist es nicht Aufgabe der Politik, Kaufempfehlungen, die auch in den ethischen Bereich hineingehen, zu geben. Aktive Verbraucherinformation, auch durch Verbraucherverbände, trägt ihren Teil dazu bei, dass auch ethische Elemente für die Kaufentscheidung für Bedeutung sind. Markenartikler und andere Hersteller werden dem Rechnung tragen, das regelt der Markt.
Auch für das angesprochene Feld der Datenaufbereitung sehen wir das zwingende Erfordernis, dass Behörden als Normadressaten auch die Verantwortung für die von Ihnen veröffentlichten Daten übernehmen. Wenn eine solche Aufbereitung unterbleibt, besteht schon aus dem Gesetzeszweck keine Notwendigkeit mehr für eine Veröffentlichung, weil das Ziel der Verbraucherinformation bei unaufbereiteten Daten nicht verwirklicht wird und auch das Gefährdungspotenzial für die betroffenen Hersteller erheblich steigt.
Wir sehen daran anschließend bei einer aktiven Veröffentlichtung, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen ist, das Bedürfnis nach einer Abwendungsbefugnis, also den Vorrang des Herstellers für eine Information der Öffentlichkeit, denn es ist auch hier verschiedentlich richtig gesagt worden, dass Informationen durch Behörden öffentlich als Warnung wahrgenommen werden, weswegen der Frage eine besondere Bedeutung zukommt, wer warnt.
Die bereits angesprochene Revokationspflicht bei irrtümlicher oder falscher Information würden wir als Revokationsanspruch ausgestaltet sehen wollen, weil gerade für Markenartikler gilt, ?no news is good news?, wenn es sich um negative Schlagzeilen handelt. Auch wenn diese unberechtigt waren, sollte es den betroffenen Unternehmen überlassen bleiben, ob man das Thema ruhen lassen möchte, weil man sich über eine neuerliche Negativ-Berichterstattung mehr Schaden als Nutzen verspricht.
Generell wünschen wir uns, dass nur im Falle von Erheblichkeit, auch bei den sonst verbliebenen Tatbeständen informiert werden sollte und ferner möchte ich zur Frage acht im Fragenkatalog der SPD-Fraktion Stellung nehmen, die auch im Themenkomplex, den der Bundesrat behandelt hat, anklingt. Hier halten wir einen Schadensersatzanspruch der öffentlich Hand bei unberechtigten Warnhinweisen für unbedingt erforderlich, obwohl in der Regel insbesondere für Markenartikelhersteller der Schaden nur schwer bezifferbar und häufig nicht wieder gutzumachen ist. Wir können uns nur der Stellungnahme des Bundesrates anschließen, in der es heißt, für die bestehenden Unsicherheiten kann nicht der Staat haftbar gemacht werden, weil das Risiko so groß ist, dass man in diesen Fällen besser von einer Information absehen muss. Das Risiko kann aber auch nicht beim Unternehmen bleiben, denn dieses kann den Schaden noch viel weniger tragen.
Noch ein Wort zur Aktion ?Nachgefragt? des VZBV. Auch wir sind der Überzeugung, dass Informationen an Verbraucher wichtig sind, auch durch Unternehmen, die sachgerecht erfolgen müssen.
Auch Behörden könnten in die Fallen tappen, in die vielleicht auch schlecht geschultes Personal bei dem einen oder anderen Unternehmen getappt ist. Der Markenverband als Vertretung der Markenartikelindustrie bemüht sich seit längerem darum, auch in den aktiven Dialog zu treten, wie hier Verbesserungen herbeigeführt werden können.

Klaus Schmitz, Zentralverband des Deutschen Handwerks: Wir schließen uns im Grundsatz dem an was schon bisher gesagt worden ist. Ich will nur nochmal einige Punkte herausgreifen und betonen. Es ist durch die bisher gehörten Beiträge klar geworden, dass die Verbandsseite nicht in eine Blockadehaltung verfällt, sondern wir den Verbraucherschutz und die Verbraucherinformationen durchaus sehr ernst nehmen. Ich kann betonen, was auch vom Bauernverband schon gesagt worden ist, wir sind bestrebt, unsere Hausaufgaben zu machen. Das findet aber in der direkten Kommunikation mit dem Verbraucher statt und da gehört es auch hin. Deswegen finden wir die hier angesprochene Idee der Subsidiarität unterstützenswert.
Man sollte zunächst abwarten, was die Parteien untereinander regeln können und erst danach soll der Verbraucher, wenn überhaupt, zur Behörde gehen können. Wenn dies aber der Fall ist, sind die Behörden es dem besonderen Vertrauenstatbestand schuldig, der auch im Verwaltungsverfahren zwischen den Unternehmen und den Behörden vorhanden ist, dass hier sorgfältig recherchiert wird und erst dann die Öffentlichkeit bei Gefahr im Verzug informiert wird. Dafür ist es aber nach wie vor notwendig, dass ein Haftungstatbestand besteht. Eine vorschnelle Verunsicherung der Öffentlichkeit und in der Folge große wirtschaftliche Schäden bei den Unternehmen müssen vermieden werden, zumal, wenn sich am Ende alles als gegenstandslos herausstellt. Den Behörden hier einen Freibrief zu geben, wäre das falsche Signal.

Prof. Dr. Josef Falke, Zentrum für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen: Das Verbraucherinformationsgesetz erfüllt in der vorliegenden Fassung nicht den Anspruch, den es an sich selbst stellt. Danach sollen die Verbraucher nicht nur passiv konsumieren und am Marktgeschehen teilnehmen, sondern aktiv gestaltend als mündige Verbraucher handeln. Dabei nehmen sie nicht nur zur Wahrung ihrer Rechtsinteressen und Vermögenspositionen, sondern auch für allgemein anerkannte Schutzgüter Initiativen. Ein derart ausgerichtetes Verbraucherinformationsgesetz bezweckt, die Verantwortung der Verbraucher als politische und Wirtschaftsbürger zu erschließen. Im Sinne einer kohärenten Verbraucherpolitik darf ein Verbraucherinformationsgesetz nicht als bloße Reaktion auf Lebensmittelskandale verstanden werden, sondern muss über den Bereich der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände hinaus auch auf andere für den Verbraucher angebotene Produkte und Dienstleistungen erstreckt werden. Außerdem sollte das Verbraucherinformationsgesetz nicht allein einen behördlichen Ansatz verfolgen, sondern die Information bei den Adressaten abrufen, bei denen sie in orginärer Form vorhanden sind. Die Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, wissen über die Produkteigenschaften und die Ausrichtung ihrer Dienstleistungen, Vorvertriebsstufen und dergleichen sehr viel genauer Bescheid und können auch über die eingerichteten Qualitätssicherungssysteme genauer und spezifischer Auskunft geben, als den Behörden dies möglich ist. Vielfach reichen die vorhandenen Informationsquellen nicht aus. Soweit sie auf Etikettierungsregelungen beruhen, sind sie nur sehr schwerfällig änderbar, weil sie unmittelbar Binnenmarktrelevanz haben und dann auf europäischer Ebene Einigungen hergestellt werden müssen. Deshalb wird über eine sehr wichtige Regelung zur Kennzeichnung von allergenen Stoffen verhandelt. Das zeigt gleichzeitig, dass diese Kennzeichnungsregeln durch allgemeine Auffangregeln ergänzt werden müssen, weil in dieser Regelung nur die wichtigsten allergenen Stoffe erfasst werden können.
Der Versuch der Bundesregierung über die Offenlegung von Informationen bei BehördenTransparenz und Offenheit des behördlichen Handelns herzustellen, verdient im Prinzip Zustimmung. Er ist allerdings im europäischen und internationalen Vergleich sehr zögerlich und eingeschränkt ausgefallen. Wenn man die Informationsfreiheitsgesetze im Vergleich ansieht, dann stellt man fest, dass neben der Bundesrepublik nur Luxemburg und Österreich keinen allgemeinen Informationszugangsanspruch haben, selbst von den mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten hat nur Slowenien einen solchen Anspruch nicht geregelt. Der Referentenentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz ruht seit Dezember in den Schubläden des Innenministeriums und bleibt selbst hinter den Informationsregelungen des europäischen und internationalen Umfeldes und gegenüber den Informationsfreiheitsansprüchen, die die Bundesländer neu geregelt haben, zurück.
Zur europäischen Rechtsintegration ist zu sagen, dass für unsere Überlegungen einschlägig sind vor allem die Neufassung der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie und die im Januar verabschiedete Regelung über die Einführung einer europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde und die allgemeinen Grundsätze für die Lebensmittelsicherheit. Für die Unternehmen werden diese mit Wirkung ab 1. Januar 2005 Ansprüche festlegen, die dafür sorgen, dass tatsächlich umfassend über die Vorproduktionsstufen und die weiteren Vertriebswege informiert wird und darüber auf Verlangen auch die Behörden zu informieren sind.
Dieses Gesetz, das uns hier zur Beratung vorliegt, ist mit den Regelungen, die in der Verordnung vorgesehen sind, im Grundsatz vereinbar. Sie ist aber nicht geeignet für die Umsetzung der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie zu sorgen. Selbst für eine angemessene Umsetzung des Artikels 16 der Produktsicherheitsrichtlinie scheint mir dieses Vorhaben ungeeignet zu sein, weil es keinen Sinn macht, aus einem in sich kohärenten Richtlinienkontext eine Einzelregelung herauszuziehen und sie in einem anderen Gesetz isoliert zu regeln als in dem Gesetz, in dem es geregelt gehört, nämlich in einem neu gefassten Produktsicherheitsgesetz.
Eine Schadensersatzpflicht der öffentlichen Hand ist unbedingt erforderlich, weil sie die notwendigen Sorgfaltsanreize bietet für die Aufbereitung der Informationen und weil sie die Behörden nachträglich dazu anhält, sich mit den Herstellern oder Vertreibern von Produkten ins Benehmen zu setzen.
Die Erstreckung der Auskunftspflicht auf die Wirtschaft wird im Grunde genommen von dieser weitgehend schon erfüllt. Die Argumente, die dagegen vorgetragen werden, sind in sich widersprüchlich. Zum einen wird gesagt, wir informieren doch ganz breit, zum anderen wird Klage dagegen geführt, welche umfangreichen Informationsansprüche neu auf die Wirtschaft zukommen. Ich meine, dass die Informationsansprüche mit Fug und Recht auf europäischer Ebene geregelt werden sollten. Sie sind aber, jedenfalls was die behördliche Ausrichtung der Informationsverpflichtung der Unternehmen angeht, durch die neue Rahmenregelung für die Lebensmittelsicherheit in der EG auch auf dieser Ebene geregelt.
Die Behörden tun gut daran, tatsächlich aufbereitete Informationen über das Internet zugänglich zu machen, denn es erfolgt dadurch ein Anreiz, nicht auf der untersten Verwaltungsebene die Informationen zu belassen, sondern sie auf Landesebene zusammenzuziehen. Wenn aktiv über das Internet informiert wird, dürften auch die einzelnen Bescheide von passiv abgewarteten Informationsansprüchen tatsächlich zahlenmäßig gering bleiben und die erhoffte Breitenwirkung, die sich auch Verbraucherverbände zu Nutze machen können, erreicht werden.

MR Dr. Christian Grugel, Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Vielen Dank Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein Verbraucherinformationsgesetz ist eine notwendige Ergänzung der Information, die Verbraucher auf anderen Wegen erhalten können. Die Lebensmittelkennzeichnung oder auch die Werbung für Produkte sind zwangsläufig zu schmal, um Transparenz herzustellen, die Verbrauchern ermöglicht, selbstbestimmt zu handeln. Das ist einer der Ansätze. Der zweite notwendige Ansatz ist der, dass wir in der Vergangenheit gelernt haben, dass alle Lebensmittelkrisen immer ganze Branchen getroffen haben und dass es sehr schwer war, im Krisenmanagement mit diesen Situationen umzugehen. Von daher muss die Kultur des Misstrauens von einer Kultur des Vertrauens ersetzt werden. Das setzt voraus, dass Transparenz hergestellt wird, damit Verbraucher differenzieren können. Denn wenn sie nicht differenzieren können, werden sie nicht abgewogen und rational handeln. Dies zunächst als allgemeine Aussage zur Notwendigkeit eines Verbraucherinformationsgesetzes.
Wenn man sich den Regierungsentwurf im Einzelnen ansieht, lässt sich zum Geltungsbereich sagen, dass man natürlich dieses Verbraucherinformationsgesetz auch breiter anlegen kann, also für alle Produkte und Dienstleistungen auslegen könnte, dass aber die Begrenzung auf Lebensmittel und Bedarfsgegenstände ein sehr vernünftiger Einstieg ist. Sie müssen bedenken, dass in den Ländern sehr unterschiedliche Verwaltungen betroffen sind und der jetzige Zuschnitt eine spezifische Verwaltung trifft, von der ich annehme, dass sie mit diesen Problemen weitgehend zurecht kommen wird. Im übrigen ist der Informationszugang, der bei den Behörden vorgesehen ist einer, der den Verbrauchern nur zum Teil für sie nützliche Informationen gibt. Behörden prüfen, ob Gesetze eingehalten werden, d. h., die Mehrzahl der Informationen, die in der Überwachung anfallen, sind für den Verbraucher sicherlich nicht besonders interessant. Was in dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist, was aber in der niedersächsischen Gesetzesinitiative vorgesehen war, das war ein Zugang zu bestimmten Informationen, die bei Unternehmen vorhanden sind. Man kann dies sicherlich nicht in der ganzen Breite herstellen, aber zu spezifischen Informationen, die immer wieder nachgefragt werden, kann man einen solchen Informationsanspruch nach meiner Einschätzung schon schaffen.
Wir würden mit einer solchen Regelung mehr erreichen als nur eine andere Politik im Umgang mit Informationen, denn wir hätten auch einen Impuls in der Wirtschaftspolitik. Bei weiten Teilen der Lebensmittelwirtschaft handelt es sich nämlich um ?lemmon markets? im Sinne der Definition des amerikanischen Ökonomen Akerhof. Diese lemmon markets zeichnen sich dadurch aus, dass den Verbrauchern Qualitätsmerkmale wegen fehlender Transparenz des Angebots nicht ausreichend vermittelt werden können. Höherwertige Produkte können unter diesen Umständen keine besseren Preise erzielen. Für den Verbraucher ist die Differenzierung nicht in der Weise möglich, wie es tatsächlich möglich wäre.
Ich will dies an einem einfachen Beispiel erläutern. Wenn man sich das Angebot im Tee-Bereich anschaut, dann hat man dort die Chance, unterschiedliche Qualitäten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten und durch die Ausdifferenzierung der Produkte ist der Markt gegenüber Turbulenzen sehr stabil. Wenn Sie sich dagegen den Markt für Kaffee anschauen, findet hier gerade ein Umbruch statt. Wir haben dort einen Markt, der, wenn der Gesamtmarkt sich verändert, zurückgeht, aber die fehlende Ausdifferenzierung und Transparenz nach Anbaugebieten, nach Qualitäten, macht diesen Markt anfällig. Und deshalb ist Transparenz und die Entwicklung von Märkten etwas, das zwingend miteinander verbunden ist. Insofern kommt diesem, in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung noch fehlenden Zugang sicherlich eine Bedeutung zu, die man auch unter diesem wirtschaftspolitischen Aspekt sehen muss.
Im Übrigen gibt es einige Einzelpunkte, von denen ich glaube, dass man im Regierungsentwurf darüber nachdenken sollte, sie zu ergänzen. So halte ich es für zweckmäßig, Verwaltungsverfahren in den Ausschluss-Tatbestand aufzunehmen, weil ich nicht verstehen kann, dass man ein Ordnungswidrigkeitenverfahren, in das ein Verwaltungsverfahren hineinführen kann, ausnimmt, aber das Verwaltungsverfahren, das im Vorfeld dazu läuft, eben nicht. Insofern können Informationen zu einem sehr frühen Zeitpunkt breit gestreut sein, so dass das Verfahren in sich nicht mehr unabhängig wäre. Das gilt im Übrigen auch für Ausnahmen, die auf Grund des Lebensmittelbedarfsgegenständegesetzes möglich wären.
Für genauso notwendig halte ich es, dass man Informationen erläutert. Wenn Informationen von Behörden abgegeben werden, müssen die Menschen sie verstehen. Es sollte auch in jedem Fall dem betroffenen Unternehmen selbst eingeräumt werden, diese Informationen selbst in die Öffentlichkeit zu bringen, da ein Verbraucherinformationsgesetz ein Gesetz zur Herstellung von Transparenz sein sollte, und nicht zur Sanktionierung. Ein Warngesetz haben wir bereits im Produktsicherheitsgesetz und ich habe den vorliegenden Gesetzentwurf so verstanden, dass es hier um Transparenz und nicht um Warnung geht.
Gestatten Sie mir noch einen letzten Hinweis auf die voraussichtlichen Nutzer dieses Gesetzes. Dies werden in begrenztem Umfang Allergiker und Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten sein. Im Übrigen wird dieses Gesetz natürlich von den Medien benutzt werden, denn Medien stellen auch in allen übrigen Bereichen der Gesellschaft Transparenz her. Schließlich muss nach meiner Überzeugung dieses Gesetz notifiziert werden, da man so ein Gesetz nicht ausschließlich auf deutsche Produkte oder hier ansässige Unternehmen beschränken kann. Ich glaube, dass es im Übrigen nicht sinnvoll ist, die Anwendung dieses Gesetzes in den Ländern so zu organisieren, dass jede Einzelbehörde befragt wird, sondern dass man dies vernünftigerweise bündelt. Der Gesetzentwurf lässt diese Möglichkeit. In Niedersachsen wird zur Zeit daran gedacht, dass das Dezernat Öffentlichkeitsarbeit im Landesamt für Verbraucherschutz der Ansprechpartner wäre. Ich danke Ihnen.

Elke Heidemann-Peuser, Verbraucherzentrale Bundesverband: Herzlichen Dank Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände begrüßt ausdrücklich den Vorschlag der Bundesregierung zur Schaffung eines Verbraucherinformationsgesetzes. Bereits in seinem eigenen Eckpunktepapier vom November letzten Jahres hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Stärkung der Informationsrechte der Verbraucher durch ein umfassendes Verbraucherinformationsgesetz gefordert. Die Forderung geht davon aus, dass nur ein informierter Verbraucher eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen und sich, da ein Verbraucher auch stets Staatsbürger ist, auch sozial-verantwortlich verhalten kann. Ein umfassender Verbraucherinformationsanspruch folgt bereits aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Ohne die Möglichkeit eines Zugangs zu relevanten Daten bleibt überdies die in einer modernen Volkswirtschaft einzigartig adäquate Rolle des Verbrauchers als Partner der Wirtschaft und notwendige Kontrollinstanz bloße Theorie. Ein umfassendes Verbraucherinformationsgesetz ist erforderlich, weil die gegenwärtigen Informationsrechte und Möglichkeiten nicht ausreichen. Zwar bestehen insbesondere im Bereich der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände umfangreiche Kennzeichnungspflichten, diese vermitteln aber nicht alle für die Verbraucher relevanten Informationen. Oftmals können die Verbraucher z. B. nicht erkennen, ob ein Produkt bzw. dessen Rohstoffe oder Zutaten mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden. Im Hinblick auf das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung ist dies aber für viele Verbraucher eine relevante Information. Laut Umfragen lehnen immerhin 70 % der europäischen Verbraucher Gentechnik in Lebensmitteln ab. Nicht zufriedenstellend ist derzeit auch bei Lebensmitteln die allgemein zugängliche Information über die Herkunft und den Herstellungsverlauf. Auch insoweit besteht Handlungsbedarf. Es muss eine lückenlose Kontrolle und Dokumentation der gesamten Produktionskette sichergestellt werden, um das durch Lebensmittelskandale verlorene Verbrauchervertrauen wieder zu gewinnen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir sowohl den vorgesehenen erleichterten Zugang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen, als auch die Möglichkeit der Behörden zu einer aktiven Information der Verbraucher bei Vorliegen eines besonderen Interesses, ohne dass die Voraussetzungen einer behördlichen Warnung bei Gefahr im Verzug erfüllt sein müssen. Behörden müssen das Recht haben, z. B. über Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen ohne Furcht vor Schadensersatzansprüchen, natürlich mit der gebotenen Sorgfalt, die Verbraucher in geeigneter Form zu informieren.
Wir begrüßen außerdem die in § 9 des Entwurfs vorgesehene regelmäßige Veröffentlichung des verbraucherpolitischen Berichts der Bundesregierung. Dieser kann sowohl der Wirtschaft als auch den Verbraucherverbänden wichtige Aufschlüsse liefern. Nach den Vorstellungen der Verbraucherverbände geht der Regierungsentwurf zwar in wesentlichen Schritten in die richtige Richtung, er bleibt jedoch hinsichtlich des Gegenstandes des Informationsanspruchs, Lebensmittel und Bedarfsgegenstände, als auch hinsichtlich seiner Beschränkung auf den Anspruch gegenüber Behörden, hinter einer dringend notwendigen weitergehenden Reform zurück. Das Informationsbedürfnis der Verbraucher erstreckt sich auch auf andere Produkte als Lebensmittel und Bedarfsgegenstände, die zur privaten Nutzung bestimmt sind, sowie auf Dienstleistungen. Die Verbraucher möchten auch wissen, ob von einem Handy eine gesundheitsgefährdende Strahlenbelastung ausgeht, oder ob ihre Haushaltsgeräte hinreichend sicher sind. Der Produktbegriff aus der EG-Richtlinie für die allgemeine Produktsicherheit definiert den Begriff Produkt als jedes Produkt, das auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnte. Ein Verbraucherinformationsgesetz sollte sich an diesem Produktbegriff orientieren.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband vertritt die Auffassung, dass der auf die Behörden beschränkte Informationsanspruch oft nicht ausreicht, um das erklärte Ziel zu erreichen, die Verbraucher in ihrer wirtschaftlichen Rolle als Marktteilnehmer selbstbestimmt handeln zu lassen, da ansonsten die Information der Verbraucher zwangsläufig lückenhaft bleibt und den Verbrauchern weiterhin wesentliche für ihre Kaufentscheidung maßgebliche Tatsachen verborgen bleiben. Folgende Gründe sprechen dafür, den Informationsanspruch auf Unternehmen auszuweiten. Die Forderung nach mehr Verbraucherinformation steht im Einklang mit Artikel 153 des Vertrages von Amsterdam, der das Recht der Verbraucher und deren Anspruch auf Information ausdrücklich hervorhebt. Das Ende letzten Jahres von der Kommission vorgelegte Grünbuch zum Verbraucherschutz bezeichnet es unter Bezugnahme auf dieses Recht als in jedem Falle unerlässlich, eine allgemeine Pflicht zur Offenlegung und Information vorzusehen. Eine Schlüsselfunktion käme einmal dem Unternehmen aufzuerlegenden Verpflichtung zu, den Verbrauchern alle wesentlichen Informationen eindeutig und rechtzeitig offenzulegen. Der Europäische Gerichtshof geht seit einigen Jahren bei der Frage, wie eine Werbeangabe aufzufassen ist, von dem durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus, der auf Grund ausreichender Informationen in der Lage sein muss, seine Entscheidung auf dem Markt zu treffen. Maßgeblich ist also nicht länger der flüchtige und unkritische Verbraucher. Anspruch und Wirklichkeit weichen aber deutlich voneinander ab. Die Anwendbarkeit dieses Leitbildes setzt voraus, dass der Verbraucher eine reelle Chance hat, sich ohne erschwerten Aufwand und unzumutbarer Kosten alle für seine Kaufentscheidung maßgeblichen Informationen zu beschaffen. Demgegenüber sehen sich die Verbraucher einer massiven, immer subtileren Werbung gegenüber, die häufig eher von Sachinformation ablenkt. Dem Recht zur verschönernden, selektiven und übertriebenen Präsentation von Produkten bis an die wettbewerbsrechtlichen Grenzen der Irreführung oder Sittenwidrigkeit muss eine Pflicht zur umfangreichen wahrheitsgemäßen Information gegenüberstehen. Die Verbraucher selbst haben unter Umständen keine andere Möglichkeit, an die für sie wichtigen Informationen zu gelangen, als über die Unternehmen.
Mehrstufige Verarbeitungsprozesse, Produktionsstandorte im Ausland und Zulieferungen aus unterschiedlichen Quellen in einer industrialisierten Arbeitswelt machen es dem Verbraucher unmöglich, an einem fertigen Produkt zu erkennen, wie dieses zustande gekommen ist. Selbst bei Einhaltung aller Kennzeichnungsvorschriften erfährt der Verbraucher gegenwärtig nicht, unter welchen Arbeitsbedingungen, oder bei der Verwendung von Rohstoffen, unter welchen Umweltbedingungen die Herstellung erfolgt ist. Gerade solchen Aspekten, wie der Beachtung ethischer und sozialer Grundsätze und Nachhaltigkeit kommen in einer globalisierten Weltwirtschaft immer größere Bedeutung zu. Verbraucher haben ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wie der Strom gewonnen wird, mit dem sie beliefert werden und woher das Holz für ihre Gartenmöbel stammt. Aber auch im Bereich der Dienstleistungen wächst das Interesse der Verbraucher an Informationen, die über den unmittelbaren Nutzen hinausgehen. So etwa bei Geldanlagegeschäften. Die Sparer möchten erfahren, in welche Programme das Geld, das sie der Bank überlassen, investiert wird. Das grundsätzliche Interesse der Verbraucher an Informationen über ökologische Aspekte der Altersvorsorge wird durch eine repräsentative Umfrage von Emnid bestätigt. Danach wird von 84,3 % der Befragten eine umweltbezogene Publizitätspflicht gewünscht. 80 % der Befragten sind der Auffassung, dass eine Berücksichtigung von Umweltaspekten, in die konkrete Einzahlung in ihre private Altersversorgung wünschenswert wären.
Ein letztes Wort zur Selbstverpflichtung. Wir sind der Meinung, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft kein Äquivalent zu einem durchsetzbaren Rechtsanspruch darstellen und würden befürworten, dass auch hier ein klarer Rechtsanspruch in das Gesetz aufgenommen wird. Dies zeigen auch die Erfahrungen hinsichtlich solcher Selbstverpflichtungen. Wir haben gerade vor zwei Wochen eine Untersuchung, die zwar nicht repräsentativ ist, vorgestellt, in der das Auskunftsverhalten der Firmen doch immer noch als sehr unzureichend erkannt worden ist.
Nach all dem möchte ich zusammenfassen, dass unser Anspruch an ein umfassendes Verbraucherinformationsgesetz weitergeht, wenn dies in einem ersten Schritt nicht erreicht werden können sollte, dann sind wir doch der Auffassung, das zumindest eine spätere Erweiterung möglich bleiben muss, z. B. durch eine entsprechende Formulierung des Gesetzes, das im Moment aber noch sehr abschließend formuliert ist.

Dr. Karin Klaffke, Institut für Markt-, Umwelt-Gesellschaft an der Universität Hannover: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich möchte mich eingangs ganz herzlich bedanken, hier vorsprechen zu dürfen. Das IMUK ist ein privates Forschungs- und Beratungsinstitut und hat einen Kooperationsvertrag mit der Universität Hannover und ich bin hier, weil das IMUK vor kurzem ein Gutachten erstellt hat zum Thema Potenziale für eine verbesserte Verbraucherinformation, Kennzeichnung bei Nahrungsmitteln und andere Informationsangebote. Auftraggeber war der Deutsche Bundestag bzw. das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. Zum anderen bin ich auch hier, weil das IMUK einen Schwerpunkt hat, der sich sozial-ökonomische Unternehmensbewertung nennt, der gemeinsam mit den Verbraucherverbänden Unternehmenstest durchführt, wobei Unternehmen nach sozialen und ökologischen Kriterien bewertet werden und ein wichtiger Punkt dabei ist die Informationsoffenheit der Unternehmen, also wie reagieren Unternehmen auf Beschwerden. Wir halten die Initiative und Idee, die hinter diesem Gesetzentwurf steht, für äußerst begrüßenswert. Ich halte es auch für machbar, dies zunächst auf den Lebensmittelbereich zu beschränken. Dies sollte aber zu einem späteren Zeitpunkt auch auf andere Branchen ausgedehnt werden. Die Einschränkung, nur die Behörden in die Pflicht zu nehmen, reicht jedoch unserer Ansicht nach nicht aus. Wir haben in dem Gutachten deutlich gemacht, dass die bisherigen Informationsinstrumente, die den Verbrauchern vorliegen um sich zu informieren, nämlich die Kennzeichnung und die Informationspolitik von Unternehmen und anderen Informationsquellen nicht ausreichen, um den Verbraucher umfassend zu informieren. Die Kennzeichnung weist, kurz gefasst, u. a. folgende Schwachpunkte auf: Das Kennzeichnungsrecht ist zu kompliziert und lückenhaft. Was das Zutatenverzeichnis angeht, werden gerade Allergiker nicht ausreichend geschützt und es gibt wenig Information über die Prozessqualität. Darüber hinaus stößt die Kennzeichnung an Grenzen, weil man nicht alles auf die Verpackung schreiben kann, und deshalb muss man sich überlegen, wo man zukünftig vielleicht Informationen unterbringt. Wir haben auch die Informationspolitik von Unternehmen im Rahmen des Gutachtens untersucht und uns dabei z. B. das Internet-Angebot der Lebensmittelindustrie angesehen. Wir haben des Weiteren mit sog. mystery E-Mails, das sind versteckte Anfragen, die Unternehmen befragt. Dort ging es um allergene Stoffe in den Lebensmitteln. Danach gibt es in der Informationsoffenheit der Unternehmen durchaus noch Verbesserungspotenziale. Zwar haben viele Hersteller relativ zügig geantwortet und haben uns Tabellen geschickt, aus denen hervorgeht, welches Produkt man unter Berücksichtigung seiner Allergie noch essen darf. Dagegen findet sich im Internet-Angebot bisher überhaupt nichts, was die Herkunft und Zusammensetzung von Nahrungsmitteln oder gentechnisch veränderte Organismen in den Lebensmitteln angeht. Auch aus der Untersuchung Unternehmenstest wissen wir, dass die Informationsoffenheit der Unternehmen verbesserungswürdig ist. Zwar gibt es auch hier Unternehmen die sich vorbildlich verhalten, aber es gibt auch einige schwarze Schafe. Als andere Informationsquellen stehen den Verbrauchern z. B. die Broschüren der Verbraucherzentralen oder das Internet-Angebot verschiedener Organisationen zur Verfügung. Diese sind sicher wichtig, können aber bestimmte Fragen auch nicht beantworten, z. B. was die Zusammensetzung und Herstellung von Lebensmitteln angeht. Wir haben aus den Gutachten die Schlussfolgerung gezogen, dass warenbegleitende Kennzeichnung nach wie vor wichtig ist, die aber ergänzt werden muss durch andere Informationsinstrumente. Zu denken ist auch an Bildschirme am point of sale oder ein erweitertes Internet-Angebot, wo verbraucherspezifische Informationen abrufbar sind. Darüber hinaus sind wir zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Informationsansprüche der Verbraucher rechtlich verankert werden sollten und es sollte eine Informationspflicht der Unternehmen eingeführt werden.
Zu dem geplanten Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes und der darin enthaltenen Verpflichtung der Behörden zur Offenlegung von Daten ist für mich die Frage, welche Informationen bei den Behörden eigentlich vorliegen, über was können Behörden die Verbraucher überhaupt informieren. Hier ist in § 3 Absatz 4 aufgeführt, was bei den Behörden für Informationen vorhanden sein sollen. Das sind Informationen zur Herkunft, Verarbeitung, Behandlung und Ausgangsstoffe etc. Allerdings liegen nach unserem Kenntnisstand diese Informationen den Behörden gar nicht vor.
Da Behörden nur Stichproben nehmen, liegen ihnen Informationen über alle am Markt befindlichen Produkte nicht vor. Diese haben nur die Unternehmen selbst. Wenn ein solcher Informationsanspruch im Gesetz verankert werden soll, geht dies eben nicht ohne eine Informationspflicht der Unternehmen. Auch stellt sich hier die Frage, wie das praktikabel zu lösen ist. Sollen etwa Behörden Datenbanken über sämtliche Unternehmensdaten anlegen?
Die nächste Frage, die man sich stellen muss, ist die, wie Informationen dem Verbraucher bereitgestellt werden sollen. Dies betrifft die Frage der Aufbereitung der Daten, über die nochmal nachgedacht werden sollte, weil allein die Veröffentlichung von Statistiken den Verbrauchern nicht helfen. Ferner sollte über eine bundeseinheitliche Erfassung der Daten nachgedacht werden. Diese Daten liegen bisher nur länderspezifisch vor. Schließlich ist für uns von zentraler Bedeutung, dass der Informationsanspruch gegenüber den Unternehmen rechtlich verankert wird. Vielen Dank.

Peter Knitsch, Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte aus Sicht einer obersten Landesbehörde, die für den Gesamtbereich des Verbraucherschutzes zuständig ist, Stellung nehmen zu diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der im Wesentlichen zwei Elemente enthält. Zum einen eine erweiterte Informationsmöglichkeit für Behörden über Sachverhalte, von denen sie Kenntnis erhalten und über Verstöße im Verbraucherschutzbereich zu informieren, und zum anderen ein Auskunftsrecht für Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber öffentlichen Stellen. Beide Elemente werden aus unserer Sicht ausdrücklich begrüßt. Wir halten es für dringend notwendig, dass entsprechende Regelungen geschaffen werden. In der Tat ist es ganz dringend notwendig, Informationsmöglichkeiten für Behörden über Sachverhalte, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit, insbesondere ihrer Kontrolltätigkeit, erfahren, auf gesicherter rechtlicher Grundlage zu schaffen. Im Moment ist es so, dass Behörden nur dann legitimiert sind über Sachverhalte zu informieren, wenn sie von gesundheitlichen Gefährdungslagen Kenntnis erhalten. Das heißt nur dann, wenn wir im Rahmen unserer behördlichen Lebensmitteluntersuchung feststellen, dass ein Lebensmittel gesundheitliche Gefährdungen aufweist, sind wir nach einem relativ komplizierten Verfahren berechtigt und unter bestimmten Voraussetzungen auch verpflichtet, zu informieren. Immer dann, wenn eine solche gesundheitliche Gefährdungslage nicht vorliegt, d. h. wenn es sich z. B. um Fälle von Täuschung handelt, selbst bei grober Täuschung, sind wir dazu nicht legitimiert. Zwei Beispiele aus der Vergangenheit: Als unmittelbar nach der BSE-Krise viele Wurstprodukte auf dem Markt auftauchten, die auf einmal als - zum Teil unzutreffend - rindfleischfrei gekennzeichnet waren, waren wir zwar befugt, insgesamt über diesen Sachverhalt zu informieren, wir waren aber nicht legitimiert, und das kann man Verbrauchern, wie die Praxis zeigt, eben nicht deutlich machen, zu sagen, welche Firmen falsch etikettiert haben. Das gleiche Problem ist aufgetaucht, als Ende vergangenen, Anfang dieses Jahres Schinkenprodukte auftauchten, in denen mehr Wasser war als Schinken selbst, also sog. schnittfestes Wasser. Auch hier waren wir als Behörde nicht legitimiert, dem Verbraucher mitzuteilen, welche Hersteller sich hier täuschend verhalten hatten und bei welchen Herstellern das nicht der Fall war.
Dies ist eine Gesetzeslage, die dem Verbraucher nicht zu vermitteln ist und den schützt, der sich gegen das Gesetz verhält. In unserer Rechtsordnung gibt es keinen anderen Bereich, in dem der Gesetzgeber den schützt, der gegen das Gesetz verstößt. Darüber hinaus ist dies aber auch eine Rechtslage, die nicht im Sinne der Unternehmen ist, die ordnungsgemäß handeln. Diese werden in die Sippenhaft genommen durch die wenigen nicht korrekt handelnden Hersteller, dadurch, dass die öffentliche Hand in ihrer Informationspolitik nicht differenzieren kann. Ich sehe hier dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Dies wäre im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch im Sinne der Wirtschaft, und zwar im wohlverstandenen Interesse der Unternehmen, die korrekt handeln. Ein weiteres Element ist der Auskunftsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber Behörden. Dies begrüßen wir nachhaltig, denn es entspricht dem Bild eines gut informieren, selbstbestimmt handelnden und ethische Wertvorstellungen bei seiner Kaufentscheidung berücksichtigenden Verbrauchers. Es ist aber auch ein wirtschaftspolitisches Ordnungsinstrument, das nach unserer Auffassung dem Bild des Grundgesetzes von einem mündigen Verbraucher entspricht. Es ist ein Rechtsanspruch, der in anderen Rechtsordnungen zum Teil seit Jahrzehnten verankert ist. In den Vereinigten Staaten von Amerika würde man über die Diskussion, die wir hier führen, nur lächeln.
Ich hatte im Herbst vergangenen Jahres die Gelegenheit mit verschiedenen Behörden- und Wirtschaftsvertretern dort zu sprechen. Seit Anfang der 60er Jahre gibt der freedom of informations act dort jedem Bürger und jeder Bürgerin das Recht, die bei den Behörden vorhandenen Informationen zu erhalten, und jeder Kontrollbericht über ein Restaurant oder einen Betrieb wird ins Internet eingestellt. So hat jeder die Möglichkeit, sich z. B. vor einem Restaurantbesuch zu informieren, inwieweit die letzte Hygienekontrolle, die dort stattgefunden hat, Auffälligkeiten ergeben hat oder nicht. Nach meinen Informationen ist dies jetzt auch in Dänemark Pflicht geworden. Dort werden solche Ergebnisse neben der Speisekarte ausgehangen. Entsprechend erntet man über die hier geführten Diskussionen nur Kopfschütteln, denn es gibt kein Verständnis dafür, dass Daten, die der Staat erhebt, nicht öffentlich zugänglich sind.
Wir würden uns aus nordrhein-westfälischer Sicht wünschen, dass das Gesetz möglichst von vornherein auf alle Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet wird, insbesondere es auch eine Informationspflicht gegenüber Behörden gibt und wenn das in dieser ersten Runde nicht möglich ist, ist der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ein erster wichtiger Schritt, der jetzt sofort, also noch vor der Bundestagswahl, kommen sollte. Ansonsten werden wir immer wieder in die Situation geraten, die ich geschildert habe und dies kann nicht im Sinne des Gesetzgebers, erst recht nicht im Sinne der Behörden sein. Diese werden im Übrigen nach meiner festen Überzeugung mit dem Vollzug des Gesetzes keineswegs überfordert sein. Im Gegenteil werden viele Behörden dies als eine vernünftige rechtliche Grundlage für ihr Handeln empfinden. Vielen Dank.

Brigitte Jäger, Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren, von den sog. Skandalen um Lebens- und Futtermittel ist den Verbrauchern eine tiefe Unsicherheit geblieben. Die diffusen Ängste vor unerlaubten Stoffen und Herstellungsverfahren haben sich dadurch verstärkt. Beschwichtigende Mitteilungen der Behörden können die Verbraucher nach Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr akzeptieren. Es gilt also das Vertrauen der Bürger in die Lebensmittelherstellung und in die Überwachung wiederzugewinnen. Dies ist nur durch eine offene Haltung und konkrete Antworten auf die Fragen der Verbraucher möglich. Ich möchte Ihnen hierzu ein Beispiel geben.Vergleichen Sie einmal die Antworten zu der vielleicht durch die Medien hochgespielten Frage, ob ein bestimmter Stoff in Lebensmitteln oder Bedarfsgegenständen vorhanden ist. Nach jetzigem Recht sagt die Behörde, wir überwachen diese Lebensmittel, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Auf der Basis des Verbraucherinformationsgesetzes kann die Antwort lauten: Wir haben die zehn Produkte A bis J untersucht, der Stoff wurde lediglich in dem Produkt B, in der Charge XY nachgewiesen. Der Hersteller hat die Charge zurückgerufen und sie ist nicht mehr im Handel. Andere Chargen des Herstellers sind nicht betroffen.
Im Grunde sind beide Aussagen gleich. Es ist alles in Ordnung. Die erste Aussage, wir überwachen alles und haben alles im Griff, erweckt den Eindruck des Vertuschens, während die zweite Offenheit und Ehrlichkeit der Behörde signalisiert und eine Verantwortlichkeit der Firma, die die Produkte zurückgezogen hat. Deswegen ist ein Gesetz, das konkrete Informationen der Verbraucher zulässt, erforderlich.
Zu der Informationspflicht der Unternehmer möchte ich nichts mehr sagen. Vielmehr schließe ich mich hier meinen Vorrednern an. Ich bin dringend der Ansicht, dass Unternehmen einbezogen werden müssen, denn es gibt eine Menge von Informationen die bei Behörden einfach nicht vorhanden sind.
Ich möchte aber kurz noch auf die Kosten eingehen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass für die Beantwortung der Verbraucherfragen kostendeckende Gebühren genommen werden, das Bereitstellen von Daten im Internet aber kostenfrei erfolgen soll. Wenn aber Anfragen von Verbrauchern Recherchen und Vorarbeiten erfordern, werden die Kosten dafür sehr hoch sein. Wir wollen aber, dass jeder Bürger, unabhängig von seinem Verdienst Zugang zu den Informationen hat und die Gebühren kein Hemmnis für einen Antrag sind. Deshalb werden die Gebühren vielfach nicht in der Höhe der eigentlichen Kosten an die Verbraucher weiterzugeben sein.
Dies bedeutet aber auch, dass die Gebühren in der Realität nicht kostendeckend sein werden, in keinem Bundesland. Auch die im Internet zur Verfügung zu stellenden Dateien sind sehr kostenintensiv für die Länder, denn die in den Untersuchungsämtern und den Kontrollbehörden vor Ort gewonnenen Daten müssen gesammelt, geordnet und mit Überschriften versehen werden, so dass sie verständlich sind. Es bleibt auch nicht aus, dass kurze Erläuterungen zu den Dateien beigefügt werden, weil Begriffe wie Chlormiquat und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe nicht zur Allgemeinbildung gehören. Kommentare müssen immer dann eingefügt werden, wenn es um die Bewertung von Stoffen geht, denn mit dem Namen allein kann schließlich niemand etwas anfangen.
Die hierfür erforderlichen Stellen des gehobenen und höheren Dienstes verursachen erhebliche Kosten. Es ist bisher nicht geklärt, wer diese Kosten übernimmt. Ich befürchte, dass die armen Länder, und hier spreche ich insbesondere für Berlin, hierfür weder Personal noch Sachmittel zur Verfügung stellen können. Berlin ist deshalb der Ansicht, dass der Bund die Kosten hierfür übernehmen muss, wo die Möglichkeiten der Länder ausgeschöpft sind.

Der Vorsitzende: Ich bedanke mich bei Ihnen allen, meine sehr geehrten Damen und Herren und will auch gleich in die Fragerunde eintreten.

Abg. Helmut Lamp: Ich befürworte eine verbesserte Verbraucherinformation, hatte ich doch im vergangenen Jahr erhebliche Schwierigkeiten, Informationen von der Berliner Senatsverwaltung über Arzneimittelrückstände im Fleisch zu bekommen. Es ging um Ergebnisse für ökologisch und konventionell produziertes Fleisch. Deswegen eine Frage an Frau Dr. Heidemann-Preuser, hätten Sie sich nicht gewünscht, dass die Verbraucherinformation vor Ort mit einem größeren Gewicht in diesem Ver-braucherinformationsgesetz verankert worden wäre, statt dass sie in der Realität vor Ort zurückgefahren wird.
Eine weitere Frage an Herrn Knitsch. Es hat eine ganze Reihe von Lebensmittelskandalen gegeben, die zum Teil tatsächlich welche waren, zum Teil aber auch Pseudoskandale. Vielleicht erinnern Sie sich in diesem Zusammenhang noch an die Geschichte mit dem Fuchsbandwurm vor ca. 10 Jahren. Hat sich an dieser Situation irgendetwas geändert und wenn es denn ein Missbrauch war, sagen Sie mir bitte, was sich an der Situation vorher und nachher verändert hat. Kann man sich vor der Verursachung einer solchen Hysterie schützen und hätte das nicht in diesem Verbraucherinformationsgesetz seinen Niederschlag finden müssen?

Abg. Ulrike Höfken: Ich möchte mich zunächst ebenfalls bei den Sachverständigen bedanken, verstehe allerdings die Abwehr der Wirtschaft gegenüber den verbesserten Auskunfts- und Informationsmöglichkeiten der Medien wie auch des einzelnen Verbrauchers und der Verbraucherverbände überhaupt nicht. Nicht auf Grund der Ausführungen die Herr Dr. Grugel gemacht hat im Hinblick auf die europäischen Verbindlichkeiten und Leitbilder die genannt worden sind, aber auch nicht im Hinblick auf die Sippenhaft, die Herr Knitsch und andere angesprochen haben. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie hier kein eigenes Interesse haben, diesen ersten Schritt, der mit diesem Gesetz gemacht wird, mit Nachdruck zu unterstützen.
Hierzu ein Beispiel: Ich hatte kürzlich Besuch aus den USA, der wissen wollte, wie denn das Restaurant, in das wir gehen wollten, hygienisch zu beurteilen sei. Mein Hinweis, dass ich dies nicht wisse, stieß auf völliges Unverständnis. Für meine Gäste war nicht nachvollziehbar, dass keine Möglichkeit besteht, sich hierüber zu informieren. Die hier im Vergleich zu anderen Ländern fehlende Transparenz könnte in der Tat ein Nährboden für die beklagte Misstrauenskultur sein. Deswegen möchte ich Herrn Knitsch, Frau Jäger und Herrn Grugel nochmals bitten auszuführen, in wieweit sie die Möglichkeit sehen, die Sorgfaltspflicht und den Schutz der Wirtschaft vor Missbrauch dieser Daten tatsächlich auszuüben.
Ferner bitte ich um Stellungnahme, inwiefern Sie tatsächlich eine Wettbewerbsverzerrung der deutschen Unternehmen gegenüber anderen EU-Mitgliedsländern oder anderen Drittländern sehen, oder im Gegenteil eine Wettbewerbsverbesserung.

Abg. Annette Widmann-Mauz: Meine erste Frage richtet sich an Herrn Dr. Falke und Prof. Horst. Wir haben gehört, dass es sich um einen sehr allgemeinen Informationsanspruch gegenüber der Behörde für den Verbraucher handelt. Inwieweit hielten Sie, dort wo ein besonderes Verbraucherinformationsinteresse gegenüber den Behörden vorhanden ist, z. B. bei den allergenen Stoffen, einzelgesetzliche Regelungen für einen praktikableren und damit auch sachgerechteren Ansatz?
Die zweite Frage richtet sich nochmals an Prof. Horst und an den Markenverband. Es war die Rede von der Kultur des Vertrauens, und inwieweit würden Sie in diesem Zusammenhang durch das Gesetz das Verhältnis verändert sehen zwischen der Behörde und dem Unternehmen auf der einen Seite, den Unternehmen sowie Betrieben und dem Verbraucher auf der anderen Seite. Sehen Sie hier eine Klimaveränderung und wie könnten Sie sich vorstellen, dass das eigene aktive Informationsbedürfnis der Unternehmen gestärkt wird? Wäre hierfür ein subsitärer Anspruch des Verbrauchers auf Information ein gangbarer, praktikabler und richtiger Weg?
An die kommunalen Spitzenverbände, Herrn Dr. Grubel und Frau Jäger richte ich die Frage, wie stellen Sie sich eine bundeseinheitliche Erfassung von Daten vor, wenn wir länderspezifisch unterschiedliche Regelungen haben, unter Umständen auch länderspezifisch eine sehr unterschiedliche Kontrolldichte und wie könnte sich dieser praktisch bei Inkrafttreten eines solchen Gesetzes auswirken?

Abg. Jella Teuchner: Ich möchte mich zunächst für Ihre Ausführungen bedanken und kann erfreut feststellen, dass Sie alle grundsätzlich für ein Verbraucherinformationsgesetz sind. Feststellbar ist aber auch, dass der Kommunikations- und Informationsanspruch in den letzten Jahren bei den Verbrauchern grundsätzlich gestiegen ist.

Hierzu zunächst eine Frage an den Markenverband. Ihrer schriftlichen Stellungnahme entnehme ich, dass die Markenartikelindustrie bereits jetzt schon bereit ist, mit Informationen offen umzugehen. Allerdings ist dies durch das Beispiel von Frau Heidemann-Preuser widerlegt worden. Ich möchte Sie deshalb fragen, wie wollen Sie in Zukunft über den Markenartikelverband diesem Bedürfnis noch besser gerecht werden, reicht hier eine Selbstverpflichtung aus oder sollte es nicht besser auf dem gesetzlichen Wege geregelt werden?
Herrn Prof. Dr. Falke bitte ich im Hinblick auf die in der Synopse zu seiner schriftlichen Stellungnahme dargestellte Situation der Informationsfreiheit in anderen europäischen Staaten um Auskunft, ob sich für Deutschland ein Nachteil ergibt, wenn wir uns jetzt in diese Informationsfreiheit nicht mit einschalten würden, nachdem es in dieser Hinsicht in den übrigen EU-Staaten keine gravierenden Mängel gibt.
Herr Knitsch hat ausgeführt, dass es in Nordrhein-Westfalen dieses Informationsfreiheitsgesetz bereits gibt und die Behörden dort schon heute verpflichtet sind, die Informationen weiterzugeben. Hier würde mich genauer interessieren, wie sieht es mit der Kostenfrage aus, welche Kosten würden auf die Verbraucher zukommen und wie teuer ist es in Nordrhein-Westfalen für die Behörden, die Informationen zur Verfügung zu stellen? Bestünde eine reelle Chance, die Daten aus der Lebensmittelüberwachung in das Internet einzustellen und welche Kostenfrage verbindet sich damit?

Abg. Gudrun Kopp: Den Vertreter des Bundesverbandes kommunaler Spitzenverbände bitte ich die Kosten für den Vollzug der Aufbereitung und der Verwertung von Informationen innerhalb der Verwaltung nochmal ins Verhältnis zu stellen zu den Informationen, die die Behörden jeweils herausgeben können, denn im Gesetzentwurf ist von der Weitergabe vorhandener Informationen die Rede. Die Behörden werden nicht verpflichtet, aktiv Informationen zu requirieren. Insofern stellt sich für mich die Frage, wo der Nutzen für den Verbraucher ist, wenn er bei einer Behörde nachfragt und die Auskunft erhält, die Behörde wisse darüber nichts. Hier geht es also um eine Kosten-Nutzen-Frage zum Verwaltungsaufwand und dem Informationsgewinn.
Den Markenverband bitte ich um Auskunft, ob es richtig ist, dass in vielen größeren Firmen auf dem deutschen Markt der Marketing-Vorteil von offensiver Informationspolitik längst gesehen wird, und zwar in der Form, dass einige Firmen derzeit ein sehr modernes technologisch aufbereitetes Informationssystem vorbereiten, das Kunden z. B. im Lebensmittelhandel in die Lage versetzt, durch bestimmte Codierungen auch gesundheitsrelevante Informationen demnächst erhalten zu können. Hierzu gehört z. B. die Angabe von allergenen Stoffen oder die Angabe von Broteinheiten für Diabetiker. Wissen Sie von dem und wie weit ist dieses Projekt? Ferner wüsste ich gern, was Sie in diesem Zusammenhang von einer Verbändevereinbarung nach dem Vorbild der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hielten?
Eine letzte Frage an Herrn Prof. Falke. Könnten Sie noch einmal die verfassungsrechtlichen Problemfelder in diesem Gesetzentwurf aufzeigen, die sich im Hinblick auf die Rechtsposition der Wirtschaft und das Haftungsrisiko bei Auskunft der Behörden und das Recht auf Akteneinsicht mit Blick auf die EU-Tauglichkeit ergeben.

Der Vorsitzende: Herr Knitsch, Sie haben die Situation in den Vereinigten Staaten geschildert. Vielleicht können Sie dieses noch mit Ausführungen zur Haftungsfrage im US-amerikanischen Recht ergänzen, denn diese Frage war auch heute Gegen---
stand der Kritik.
Herrn Falke bitte ich um Auskunft, wie groß Sie den Änderungsbedarf zum vorliegenden Gesetzentwurf einschätzen und welche Zeit eine sorgfältige Beratung hierzu in Anspruch nehmen wird, um ordentlich anwendbare Regelungen zu erreichen und sonst zu befürchtende Kritik am verabschiedeten Gesetz zu vermeiden.
Herr Prof. Horst, aus der Stellungnahme der Firma Underberg, die als A-Drs. ausliegt, ist mir bewusst geworden, dass die Informationspflicht nach § 3 des Gesetzentwurfs sich immer auf nicht positive Informationen bezieht, also Daten über Gefahren und Risiken beinhalten soll. Dagegen sind Informationen oder Hinweise auf qualitätsbestimmende und positive Eigenschaften bisher nicht vorgesehen. Wie könnte dieses Berücksichtigung finden?
Frau Heidemann-Preuser, Sie haben ausgeführt, Sie wollen in der Werbung eine saubere und objektive Information haben. Mir sind manchmal die kulturellen Aspekte einer gut gemachten Werbung, die mich anspricht auch ohne Informationen zu enthalten, wichtiger. Ist es deshalb wirklich zutreffend, dass Werbung auf Information beschränkt sein sollte?

Abg. Albert Deß: Ich bin nicht überrascht, dass viele der hier anwesenden Sachverständigen der Meinung der CDU/CSU-Fraktion sind, dass dieses Gesetz unausgegoren und wenig zielführend ist. Ich darf auch für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag anmerken, dass auch wir ein Verbraucherinformationsgesetz wollen, dass aber unser Ansicht nach hier noch Korrekturen notwendig sind. Deshalb meine Frage an Herrn von Hausen. Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass die kommunalen Spitzenverbände durch die Bundesregierung weder über das Gesetzesvorhaben selbst informiert, noch an der am 12.12.2001 stattgefundenen Anhörung im BMVEL beteiligt wurden oder zuvor anderweitig Gelegenheit hatten, zu den weitreichenden Regelungen Stellung zu nehmen. Die Kommunen sind sehr stark betroffen von den Auswirkungen dieses Gesetzes. Glauben Sie daran, dass das Haftungsrisiko, selbst wenn es im Gesetz in einer gewissen Art und Weise festgeschrieben wird, Bestand haben wird oder rechnen Sie damit, dass auf die Kommunen gewaltige Forderungen zukommen können?
Herr Prof. Dr. Horst, können Sie noch einmal ausführlich erläutern, inwieweit dieses Gesetz grundgesetzwidrig sein könnte.
Schließlich eine Frage an Herrn Klein vom Deutschen Bauernverband. Sind Sie der Meinung, dass es sinnvoll ist, wenn hier ein nationaler Alleingang beschritten wird? Wir sind in Europa in einem gemeinsamen Markt mit offenen Grenzen. Befürchten Sie hier Nachteile für die Produzenten und die Verarbeiter in Deutschland und haben Sie nicht auch Sorge, dass das zarte Pflänzchen Öko-Landwirtschaft gerade durch dieses Verbraucherinformationsgesetz in Misskredit gebracht werden könnte, wenn hier Informationen ins Internet gestellt werden müssen, wo die koliformen Keime von Auslaufhühnern und Bodenhaltungshühnern im Internet stehen und mit denen von Käfighühnern verglichen werden. Denn nach meinen Informationen sind die koliformen Keime bei Auslaufhühnern und in der Bodenhaltung wesentlich höher. Hier fürchte ich, dass die Öko-Landwirtschaft Probleme bekommt und Gleiches gilt für Rückstände von Mykotoxinen in Getreideprodukten. Haben Sie also Befürchtungen, dass die Öko-Landwirtschaft hier Schaden erleidet?

Herr von Hausen, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände: Ich will zunächst auf die Frage, warum die kommunalen Spitzenverbände nicht in die Vorbereitung des Gesetzentwurfes einbezogen worden sind, eingehen. Ich kann selbstverständlich nicht genau sagen, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht, ich kann allerdings sagen, dass es einige Indizien gibt, dass dies durchaus bewusst geschehen ist. Nachdem wir Kenntnis von der stattgefundenen Anhörung im Ministerium erhalten hatten, haben wir uns sofort mit Schreiben vom 28.02. bei der Ministerin beschwert. Deren Antwort datiert vom 27. oder 28.03. und ist bei uns am 23.04. eingegangen. Dieses Schreiben hat also offensichtlich im Ministerium sehr lange gelegen bis es unterschrieben wurde, oder es ist ganz bewusst liegengelassen worden, damit der Gesetzentwurf zunächst vom Kabinett verabschiedet werden konnte, bevor wir dazu Stellung nehmen konnten. So jedenfalls könnte sich das für den Beobachter darstellen. Die Frage nach dem Haftungsrisiko und den Kosten möchte ich zusammenfassend beantworten. Ich möchte zunächst daran erinnern, dass ich eingangs gesagt habe, dass wir die Zielsetzung des Gesetzentwurfes begrüßen, dass wir allerdings glauben, dass die Praxis vor Ort in vielen Bereichen zu wenig beachtet worden ist, so dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form einige Gefahren mit sich bringt. Dies gilt insbesondere für die Kostenebene und es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, dass ein ausgewachsener Ministerialrat aus Niedersachsen fordert, dass die Informationen selbstverständlich alle erläutert werden müssen. Dabei vertritt er ein Land, das dreimal hintereinander vom Verfassungsgerichtshof in Bückeburg verurteilt worden ist, den Kommunen die Kosten zu ersetzen, die ihnen durch die übertragenen Aufgaben entstehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich daran appellieren, dass man in diesem Gesetzentwurf eine Regelung aufnimmt, die die Länder zwingt, diese Aufgaben den Kommunen zuzuschreiben, weil wir ansonsten in der Situation stehen, die wir auch in der Sozialhilfe haben, dass wir ein Konnexitätsprinzip, was es zwischen Bund und Kommunen nicht gibt, hier nicht zur Verfügung haben und dass uns Kosten auferlegt werden, die wir nirgendwo einfordern können. Wir schlagen deshalb vor, dass man in § 6 eine möglichst weitgefasste Verordnungsermächtigung aufnimmt, in der bestimmt wird, dass die Länder ausdrücklich den Kommunen oder den dafür zuständigen Behörden die Aufgaben übertragen.
Zur Frage der einheitlichen Erfassung von Daten innerhalb der Bundesrepublik trifft es zu, dass im Moment die Daten länderweit erfasst werden und dies auch in unterschiedlicher Weise geschieht. Das sind Verwaltungsvorgänge, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Eine Vereinheitlichung könnte nur durch eine entsprechende Ländervereinbarung erreicht werden. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es eine Bundeszuständigkeit gibt, eine entsprechende Regelung zu fassen.
In der Haftungsfrage ist es so, dass wir in vielen Bereichen auf Anfangsverdacht hin tätig werden. Es ist deshalb sehr wichtig, dass solche Informationen erst herausgegeben werden, wenn das Verfahren wirklich abgeschlossen ist. Erst dann wissen wir, dass wir kein Haftungsrisiko eingehen. Ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, dass die Firmen häufig nachweisen, dass es sich um einmalige Ausrutscher handelt und die entsprechenden Maßnahmen getroffen worden sind.
Zu den Personalkosten kann ich von einer Hochrechnung für den Kreis Schleswig-Flensburg berichten, in der man von zwei Lebensmittelkontrolleuren und einer Verwaltungskraft ausgegangen ist, was ein Bedarf von zweimal V b und einmal VI BAT von zusammen 130.000 Euro pro Jahr ausmacht. In Kreisen mit entsprechend vielen zu überwachenden Betrieben ergeben sich noch weit höhere Personalkosten. In der kurzen Zeit in der wir mit dem Gesetzentwurf befasst waren, war es uns nicht möglich, genauere Recherchen durchzuführen. Wir müssen uns deshalb auf punktuelle Angaben beschränken. Insofern bitten wir darum, nicht von der Intension des Gesetzentwurfs abzulassen, aber in den Einzelfällen nochmals genau zu überlegen, wie man die nachteiligen Folgen, die sich letztendlich auch für Verbraucher ergeben, vermeiden kann. Hier müssen für die Praxis eindeutige Regelungen gefunden werden und klare Festlegungen erfolgen, wer die Kosten zu tragen hat.

Prof. Dr. Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.: Zu der Frage von Frau Widmann-Mauz, den konkreten Anspruch auf Informationen gegen Behörden statt eines allgemeinen Anspruchs, Sie haben das Beispiel allergene Stoffe genannt, betreffend, möchte ich nur sagen, es bedarf insoweit überhaupt keiner Regelung in einem Verbraucherinformationsgesetz, denn wir bekommen eine neue Kennzeichnungsregelung auf europäischer Ebene, die gerade im Hinblick auf eine verbesserte Information über potenzielle allergene Stoffe geschaffen wird. Darüber hinaus kann ich mir nicht vorstellen, dass hierauf von Verbrauchern angesprochene Unternehmen in diesem hoch sensiblen Bereich die Auskunft verweigern. Sie sprachen ferner die Kultur des Vertrauens zwischen Behörden und Unternehmen an. Wenn wir ein solches Gesetz bekämen, wäre es sicherlich dringend notwendig, die Sicherungsmechanismen, die ich Ihnen in meinem einleitenden Statement geschildert habe, einzubauen, damit eben eine Kultur des Vertrauens aufgebaut werden kann und nicht Misstrauen gesät wird. Hierzu gehört beispielsweise eine Verpflichtung der Behörde, mit dem jeweiligen Unternehmen zu sprechen, bevor sie eine Information freigibt, damit diese vollständig ist und nicht Bruchstücke an den Verbraucher weitergegeben werden.

Das Vertrauensverhältnis der Verbraucher zu den Unternehmen hängt ganz entscheidend davon ab, wie vollständig und sachlich richtig die Information ausgestaltet ist. Ich glaube, dass das Gesetz vor allem dazu benutzt würde, vor allem bestimmte Organisationen aufzumunitionieren, um das ganz deutlich und vielleicht überzogen zu sagen.
Das Informationsverhalten der Unternehmen ist im Lebensmittelbereich essentiell und entsprechend wirken wir auf eine offene Kommunikation und Information auf jeder Stufe von der Landwirtschaft bis zum Handel hin. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, hier eine gesetzliche Verpflichtung zu schaffen, denn diese Verpflichtung würde den einzelnen Bauern ebenso treffen wie einen internationalen Multi. Wir haben in Deutschland allein fast 6.000 Unternehmen in der Ernährungsindustrie und eine Vielzahl von Handwerksunternehmen, und sie alle würden davon erfasst. Möglich ist darauf hinzuwirken, das Informationsangebot zu verbessern.
Wenn z.B. ein Unternehmen befragt wird nach Kinderarbeit, etwa bei der Herstellung von Rohstoffen, dann wird eine Vielzahl von Betrieben gar keine Antwort geben können und die Tatsache, dass sie mangels Kenntnis keine Antwort geben können, wird dazu benutzt, sie in die Ecke zu stellen. Auch das muss man mit berücksichtigen. Ich will damit kein verbessertes Informationsverhalten abwehren, im Gegenteil, aber ich will auf die Probleme die damit einhergehen, aufmerksam machen.
Schließlich zum Thema der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs. Ich glaube, da gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, z. B. ob nicht ganz grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers an der Information das schutzwürdige Interesse der Unternehmen an einer Nichtinformation überwiegen muss. Eine solche Regelung gibt es beispielsweise in den Landespressegesetzen. Da ein Hauptnutzer des Verbraucherinformationsgesetzes auch die Presse sein soll, würden damit Landespressegesetze unterlaufen. Ich will das hier im Einzelnen nicht bewerten, aber darum bitten, dass man dieses mit beachtet. Es ist ferner aus Verfassungsgründen selbstverständlich, dass vor einer eingreifenden Tätigkeit einer Behörde das betroffene Unternehmen angehört wird. Selbstverständlich ist auch, dass immer das mildeste Mittel des Eingriffs gewählt wird und das vor Veröffentlichung vor Informationen dem Unternehmen Gelegenheit gegeben wird, sich selbst zu äußeren und die Information selbst zu veröffentlichen.
Schließlich bestehen gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene Haftungsbeschränkung gegenüber Behörden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Dazu haben wir Ihnen ein Gutachten vorgelegt. Der Hersteller hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, nicht mit falschen Informationen von Behörden konfrontiert zu werden. Die Einschränkung der Staatshaftung für Behörden ist wohl möglich, aber auch hierfür gibt es Grenzen, die am Aspekt des öffentlichen Wohls gezogen werden müssen. Danach geht es wohl nicht an, dass der Gesetzgeber durch ein Gesetz zunächst ein Haftungsrisiko schafft, um gleichzeitig zu sagen, die Behörde, die das Gesetz anwendet, haftet dafür nicht.
Hinsichtlich der Veröffentlichung von positiven und qualitätsbestimmenden Merkmalen durch Unternehmen gibt es neben den von mir bereits angesprochenen Beispielen natürlich auch Restriktionen in den Werberegelungen, die es den Unternehmen schwer machen, Informationen über für den Verbraucher relevante Dinge zu geben. Hierzu zählt z. B. das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung. Unternehmen dürfen z. B. nicht darauf hinweisen, dass bestimmte Bestandteile ihres Produktes, z. B. Vitamine, dazu geeignet sein können, das Risiko einer Erkrankung zu vermindern. Insofern trifft es zu, dass das Unternehmen im Bereich der Werbung nicht alles sagen kann, was es gerne sagen möchte und was auch wissenschaftlich abgesichert ist. Um die Verbraucherinformation zu verbessern, sollte man hier über weitere Änderungen nachdenken.

Dietrich Klein, Deutscher Bauernverband: Die von Herrn Deß angesprochene Frage des nationalen Alleingangs ist natürlich ein großes Problem. Wir sind natürlich froh, wenn Lebensmittelrückstandskontrollen nur in wenigen Einzelfällen positiv befundet werden. Im internationalen Wettbewerb wird dies allerdings nicht dafür genutzt, darauf hinzuweisen, dass es nur sehr wenige Fälle gibt. Vielmehr verweist die internationale Konkurrenz auf positiv befundete Kontrollergebnisse, um zu publizieren, was in deutschen Produkten alles enthalten ist.
Der nationale Alleingang hat aber noch einen anderen Kontext, den wir morgen in der Anhörung zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit auf der Tagesordnung haben. Danach soll die Risikokommunikation nicht durch die Länder und die Gemeinden erfolgen, sondern sie soll durch das Bundesinstitut erfolgen. Das heißt, wir müssen hier einen etwas ganzheitlicheren Ansatz wählen, um diesen Vorgang in den richtigen Kontext zu stellen. Deshalb kann ich Ihnen nur viel Mut wünschen, wenn Sie in so kurzer Zeit dieses Gesetz mit den komplexen Zusammenhängen wirklich wasserdicht durchberaten wollen oder müssen. Ich hätte hier erhebliche Bauchschmerzen, vor allem auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Fragen, die durch die Stellungnahme des Bundesrates hinsichtlich der Haftungsfreistellung aufgeworfen wurden. Denn dieses bedeutet auch, dass nicht das Land, sondern der einzelne Beamte haftet, was ihm aus meiner Sicht nicht zuzumuten ist.
Die Frage von Herrn Abg. Deß zu den möglichen Nachteilen für deutsche Öko-Erzeuger ist für mich delikat, weil ich schnell in den Verdacht kommen könnte, dass der Bauernverband versucht Öko zu benutzen, um gegen das Verbraucherinformationsgesetz zu kämpfen. Dies ist aber ein hervorragendes Beispiel dafür, dass im Einzelfall richtige Detailinformationen zu einer ganz falschen Bewertung führen können und sogar müssen. Die Tatsache, dass es Rückstände gibt, ist für Öko-Getreide oder konventionelles Getreide völlig unterschiedlich zu bewerten. Für beide ist völlig unbestritten und kein Zweifel erlaubt, dass beide Produkte gesundheitlich völlig unbedenklich sind. Dies belegt, dass die Verbraucher nicht einen Behördenanspruch, sondern ein Recht auf aufbereitete nachvollziehbare und verständliche Informationen brauchen. Als abschließende Bemerkung gestatten Sie mir darauf hinzuweisen, dass ich nicht verstehen kann, dass hier nicht mehr von der Information der Verbraucher vor Ort gesprochen wird. Das wäre eine effiziente Einzelfallinformation, die hier völlig untergeht.

Christopher Scholz, Markenverband: Zu der Frage von Frau Widmann-Mauz zum Verhältnis der Unternehmen bzw. der Verbraucher zu den Behörden kann ich sagen, dass das kooperative Verhältnis, wie es bisher bestanden hat, sicher nicht abbricht, aber es ist natürlich schon so, dass trotz der im Gesetzentwurf vorgesehenen Fälle, in denen eine Information nicht übermittelt werden soll, sicherlich auch bei uns Zweifel bestehen, ob auf der Ebene, auf der diese Informationen abgefragt werden, eine sachgerechte Entscheidung darüber immer erfolgen kann. Dies gilt z. B. für den Bereich gewerblicher Schutzrechte oder Betriebsgeheimnisse. Insofern wird das Gesetz sicherlich von der Besorgnis begleitet sein, dass alles was vom Unternehmen, sei es auch freiwillig, außerhalb von Verwaltungsverfahren, wenn diese aufgenommen werden sollten, übermittelt wird, dann eben auch einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und diese Besorgnis wird das Informationsverhalten sicher auch mit begleiten. Es geht auch in den Bereich, in dem Informationen an Mitbewerber gegeben werden, etwa zu Verfahren oder zu Erzeugerquellen, also Informationen die vielleicht vom Unternehmen strenger als Betriebsgeheimnisse bewertet werden als dies bei der Behörde der Fall sein mag.
Das Verhältnis zum Verbraucher wird vor allem dann Schaden nehmen, wenn etwas schief geht, d. h., wenn der Haftungsfall eintritt. Hier ist das Problem in der Haftungsfrage selbst möglicherweise auch nicht gelöst und der Schaden damit nachhaltig. Darüber hinaus begibt sich das Unternehmen, gerade als Markenartikler, einer Möglichkeit, das Vertrauen des Verbrauchers auch dadurch zu erlangen, dass er eine offene Informationspolitik ohne Gesetzeszwang praktiziert. In den Fällen, in denen Unternehmen kooperativ sind und sich um ein partnerschaftliches Auskommen mit dem Verbraucher bemühen, entfällt für das Unternehmen die hieraus zu gewinnende Vorteilnahme.
Die Frage von Frau Teuchner, ob die Bereitschaft der Markenartikelindustrie offen mit Informationen umzugehen, nicht durch die VZBV-Aktion widerlegt sei, ist aus unserer Sicht zu verneinen. Wenn man diese genau liest, ist zwar deutliche Kritik im Vordergrund, aber es wird nicht bestritten, dass in einer ganzen Reihe von Unternehmen Informationen gegeben werden und wenn man sich die einzelnen Antworten anschaut ist es so, dass nicht böser Wille oder Blockadepolitik, sondern eben häufig mangelnde Effizienz oder Routine im Umgang mit solchen Anfragen ursächlich dafür waren, dass Informationen nicht immer so ausgefallen sind wie sie sollten. Hier ist die Markenartikelindustrie auch selbstkritisch und daran interessiert, Verbesserungen herbeizuführen und einen Dialog mit den Verbraucherverbänden zu führen.
Bei der Frage, ob eine Selbstverpflichtung reicht oder eine gesetzliche Regelung besser ist gilt für den Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit, dass dort wo nötig, Verbraucherschutz vorgeht. Wenn hierfür eine gesetzliche Regelung notwendig ist, können wir das akzeptieren. Wir sehen nur keine Notwendigkeit, Informationen für ethische Entscheidungen des Verbrauchers gesetzlich zu regeln. Hier sind wir der Auffassung, es sollte dem Markt überlassen bleiben, diejenigen Unternehmen durch den Verbraucher zu honorieren, die bei einer offenen und ehrlichen Informationspolitik die Kaufentscheidung des Verbrauchers als Belohnung erringen können.
Zur Frage von Frau Koch zu modernen Informationssystemen kann ich unmittelbar nichts sagen. In den Niederlanden ist eine Selbstbindung der Industrie für Informationen gerade umgesetzt worden. Dort kann man zentral über den Niederländischen Markenverband Informationen zu bestimmten Produkten abrufen. Einzelheiten hierzu sind mir momentan aber nicht bekannt.
Richtig ist aus unserer Sicht, dass gerade die starken Marken eine offensive Informationspolitik praktizieren, wenngleich nicht in allen Bereichen. Nicht nur, weil sie an Werberestriktionen gebunden sind, sondern auch, weil sie z. B. das Image beim Verbraucher mit berücksichtigen. So ist es z. B. bei Waschmaschinen und anderen Elektrogeräten so, dass eigentlich alle sehr gute ökologische Leistungsdaten haben, aber trotzdem keinesfalls alle damit werben, weil dem die Einsicht zugrunde liegt, dass man nicht in eine Öko-Ecke gesteckt werden möchte, sondern seinen Werbeauftritt auf einen anderen Aspekt konzentrieren möchte.
Zur Verbändevereinbarung und zur Wettbewerbszentrale vielleicht noch ein Wort. Das Irreführungsproblem bei der Werbung ist im Gesetzentwurf ursprünglich auch enthalten gewesen. Das funktioniert in der Praxis ganz gut. Wettbewerber haben ein Interesse daran, gerade im Bereich der Werbebehauptungen darauf zu achten, dass sich Wettbewerber keinen Vorteil dadurch verschaffen, dass mit unzutreffenden oder irreführenden Angaben geworben wird. Deswegen war unser Petitum auch darauf gerichtet, diese Klausel aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen, weil wir der Auffassung sind, dass es hier bereits einen ausreichenden Rechtsschutz auch für Verbraucher gibt. Das Ordnungswidrigkeitengestz (OWiG) gilt, wenngleich es nicht ausdrücklich drinsteht, zumindest faktisch auch für die Verbraucher. Vielleicht wird dies bei der Modernisierung des OWiG auch noch deutlicher.

Dr. Josef Falke: Ich beginne mit der Frage, ob eine einzelgesetzliche Regelung zu bevorzugen sei und möchte sie klar verneinen. Im Bereich der Produktsicherheit, was technische Güter angeht, und im Bereich der Lebensmittelregelung haben wir übereinstimmende Tendenzen auf europäischer Ebene, nämlich den vielen bereichsspezifischen Regelungen ergänzende Rahmenregelungen zur Verfügung zu stellen, die für alle Einzelprodukte die Fragen regeln, die sich generell stellen. Die Frage des Zugangs zu Informationen ist eine solche Frage. In der Etikettierungsregelung für spezifische Produkte werden die Etikettierungen vorgeschrieben, die Informationen obligatorisch ungefragt allen Verbrauchern überbringen sollen. Wir haben es hier mit Informationen zu tun, die Verbraucher oder ihre Verbände maßgeblich für ihre Kaufentscheidung halten oder mit denen sie politisch agieren wollen. Das ist tatsächlich besser in einem Rahmengesetz geregelt, das sich mit den Lebensmitteln und technischen Produkten befasst. So bekommt man auch eine Parallelität hin zu den einschlägigen Regelungen wie Produktsicherheitsrichtlinien und die schon angesprochene Verordnung aus dem Januar 2002 zur Schaffung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Zum Vergleich mit den Informationsfreiheitsgesetzen kann ich Folgendes sagen: Die Bundesrepublik Deutschland scheint hier ein sehr entwicklungsfähiges Land zu sein. Ich meine jedoch, dass von verschiedener Seite Nachteile zu befürchten sind. Der größte Nachteil besteht meines Erachtens darin, dass, wenn keine Informationskultur von den verschiedenen Beteiligten entwickelt werden kann, mangels wiederholter Praxis, dass dann Vorgänge, die in die Medien geraten, skandalträchtig werden, obwohl das von der Sache her nicht gerechtfertigt ist. Man muss sich in Informationsvorgänge dauernd einüben. Informationsvorgänge müssen zahlreich werden, damit sie sachhaltig werden. Dann ist es auch klar, dass es nicht darum geht, bestimmte Unternehmen oder Anbieter von Dienstleistungen anzuschwärzen, sondern dass es darum geht, Risiken für die Verbraucher kooperativ abzuklären und darüber so zu informieren, dass Verbraucher nicht überzogen reagieren. Verbraucher müssen hierfür auch Hintergrundinformationen, etwa über allergene Stoffe oder Umweltkontaminanten in einem Basisumfang vermittelt bekommen, damit sie einzelne Informationen besser einstufen können.

Der Vorsitzende: Gestatten Sie mir eine Zusatzfrage. Es ist hier mal gesagt worden, wir hätten einen Analphabetismus in der Küche. Ist dann nicht Voraussetzung, dass man die Information entweder anders aufarbeitet oder vom Verbraucher verlangt, dass er sie auch anders begreifen kann?

Dr. Josef Falke: Ich finde diese Anmerkung berechtigt und die Alphabetisierungskampagne wird tatsächlich in den Ländern betrieben, die sich dazu entschlossen haben, konsumer information gate ways einzurichten und über das Internet Informationszugänge, die von verschiedenen Behörden existieren, zusammenzuführen. Hier gibt es Informationen, die tatsächlich etwa einzelne Rückrufaktionen oder Warnungen betreffen, das sind Behördenmitteilungen über die Aktionen, die mit dem Unternehmen abgestimmt sind und in denen im Prinzip die Information der Behörde eine zusätzliche ist, um die Rückrufaktion, die freiwillig von den Unternehmen durchgeführt wird, mit den abgesprochenen Informationen an einen möglichst großen Nutzerkreis weiterzugeben. Daneben existieren aber dann auch allgemeine Hintergrundinformationen über allgemeine Problematiken wie Zusatzstoffe oder Umweltkontaminanten oder dergleichen. Damit können die einzelspezifischen Vorgänge zu den allgemeinen Hintergrundinformationen ins Bild gesetzt werden.
Zu der verfassungsrechtlichen Absicherung des Verbraucherinformationszuganges lässt sich sagen, dass die Länder, die ein umfassendes Informationsfreiheitsrecht eingeführt haben, dieses auch verfassungsrechtlich abgesichert haben. Zum Teil beruht das darauf, dass wir ganz junge Verfassungen haben und in Verfassungen schreibt man häufig die leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit nieder. Die Informationsfreiheitsrechte sind jeweils so ausgestaltet, kooperativ mit den Unternehmen wahrgenommen zu werden. Keines der mir bekannten Informationsfreiheitsgesetze käme auch nur entfernt auf die Idee, denjenigen Behörden, die Informationen zugänglich machen, Einschränkungen im Haftungsumfang einzuräumen. Die Behörden, die Informationen zugänglich machen, müssen sorgfältig recherchieren und können dann auch darauf verzichten, sich Haftungsausschlüsse bescheinigen zu lassen. Behörden müssen verfassungsrechtliche Grundsätze bei ihrer Informationstätigkeit beachten. Das ist hier zutreffend ausgeführt worden. Ich möchte verallgemeinern, dass sie vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit den verschiedenen bekannten Unterabstufungen zu beachten haben.
Die Neuregelung des Lebensmittelrechts, die skandalangestoßen ist, aber weit darüber hinaus jetzt doch Lernfähigkeit bewiesen hat, wird von der Bundesrepublik Deutschland erfordern, dass sie ihre interne Behördenstruktur spiegelbildlich zu der europäischen Struktur anordnet, insbesondere was das Risiko Management, die Risikoabschätzung und die Risikokommunikation angeht. Das bedeutet aber auch, dass die entsprechenden Stellen parallele Befugnisse haben müssen, wie das auch etwa die Europäische Lebensmittelbehörde hat und wie das die Risikokommunikationserfordernisse dieser Verordnung vorsehen. Selbst wenn die Verordnung unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten gilt, muss die Bundesrepublik erhebliche organisatorische Angleichungsmaßnahmen vornehmen und vor allem behördliche Praktiken entwickeln, mit denen sie mit diesen offenen Kommunikationsstrukturen umgehen kann.
Zur Frage, wieviel Vorbereitungszeit für ein solches komplexes Vorhaben nötig ist, bei dem die Einschätzungen auch so kontrovers sind, kann ich Folgendes sagen: Es gibt eine Kontroverse, bei der man recht einfach verfahren kann, das ist die bei der es darum geht, das ganze abzulehnen oder durchzusetzen. Dies ist eine einfache Situation für eine Mehrheitsentscheidung. Das scheint mir hier aber nicht der Fall zu sein, denn die Argumentationslage ist verworrener. Insofern gilt es, viele Einzelpunkte aufeinander abzustimmen und viele Teilnehmer, Behörden, Verbraucherverbände und Unternehmen kooperativ zusammenwirken zu lassen. Dafür wäre meines Erachtens mehr Zeit, als in dieser Legislaturperiode zur Verfügung steht, wünschenswert. Wenn es dann doch aus politischen Gründen durchgesetzt werden sollte, dann sollte man Öffnungsklauseln vorsehen, und aus den Auseinandersetzungen um den Anwendungsbereich eine Tugend machen und versuchen, den Bereich der Lebensmittelsicherheit und der lebensmittelbezogenen Informationen konsequent zu regeln. Bei dieser Beschränkung, die jetzt im Entwurf angelegt ist, sollte man die Angleichungsmaßnahmen genauer zurückstufen, die durch die Verordnung und Umsetzung der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie erforderlich sind.

Dr. Christian Grugel: Zur Frage von Frau Höfken, inwieweit hier eine Einbindung in das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union notwendig ist und wie diese geleistet werden kann und inwieweit wir hier zu einer Gleichbehandlung deutscher und anderer Unternehmen kommen, halte ich es für notwendig, hier eine Notifizierung dieses Gesetzes vorzunehmen und glaube, dass die Notifizierung zwangsläufig dazu führen wird und ein Anstoß dafür ist, eine einheitliche europäische Regelung zu schaffen. Insofern geht das in die richtige Richtung. Das Entscheidende wird sein, wie man mit diesem Gesetz in der Praxis umgeht. Dazu sind aus meiner Sicht drei notwendige Elemente zu bedenken.
Zum einen muss das Verwaltungsverfahren ein Ausschlusskriterium sein, dann müssen Informationen erläutert sein, auch wenn das den kommunalen Spitzenverbänden Probleme macht. Zum zweiten ist das hier eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises und da das Urteil aus Bückeburg angesprochen worden ist, erlauben Sie mir den Hinweis, dass dies dazu geführt hat, dass die Zuweisungen an die Kommunen reduziert wurden. Der dritte Punkt der notwendig ist, ist der, dass wir hier die Informationen in einer Form verfügbar halten, die es den Behörden leicht macht, sie anzubieten. Das bedeutet, dass man hier auf Datenträger zurückgreifen wird und um dies sachgerecht durchzuführen ist Voraussetzung, dass eine Kommunikation zwischen Behörde und Unternehmen durchgeführt wird. Ein Vorrang des Unternehmens zu informieren, wenn die Behörde ansonsten aktiv warnen würde, ist zweckmäßig. In den anderen Fällen wird man, um abprüfen zu können ob es sich um ein Betriebsgeheimnis handelt oder wettbewerbsrelevante Informationen berührt sind, in sehr vielen Fällen Rücksprache mit den Unternehmen suchen und Absprachen treffen müssen. Insofern besteht in der Tat ein gewisser Aufwand und es ist daher zweckmäßig, so etwas auf Landesseite im Vollzug zu bündeln.
Damit komme ich im Prinzip zu der zweiten Frage die an mich gerichtet war, wie man den bundeseinheitlichen Vollzug hier sicherstellen kann. Zu Recht stellt das Gesetz darauf ab, dass die Informationen dort abgefragt werden sollen, wo sie vorhanden sind. Man kann auf der Bundesebene nach meiner Überzeugung nur einen Bericht erstellen, der einen Überblick gibt. Die Einzelinformation, welche Behörde welche Erkenntnis gewonnen hat, wird man, selbst wenn man Informationen verdichtet und sie gut aufbereitet, nie so zur Verfügung haben, dass man sie bundesweit anbieten kann. Insofern kann man versuchen, dies auf der Länderebene zu tun und der Gesetzentwurf trägt dem auch Rechnung, indem er vorsieht, dass ein Bericht auf Bundesebene angefertigt wird, aber nicht die Einzelinformation auf Bundesebene angeboten wird. Notwendig ist allerdings eine Angleichung der Maßnahmen der Länder. Dafür brauchen wir eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, die für den Bereich der Lebensmittelüberwachung in der Vorbereitung ist, so dass auch die Erkenntnistiefe, die in den Ländern gewonnen wird, sehr viel ähnlicher wird. Es ist ein notwendiger Schritt, um dieses Gesetz auch wirklich mit Inhalt füllen zu können.

Der Vorsitzende: Frau Heidemann-Peuser, vielleicht können Sie neben der Beantwortung der Fragen von Herrn Lamp und von mir auch auf den Analphabetismus mit eingehen, dieses Schlagwort stammt von Ihrer Präsidentin bei einer Veranstaltung hier vor Ort und vielleicht auch sagen, wer zuständig wäre, gegen diesen Analphabetismus etwas zu tun.

Elke Heidemann-Peuser: Das knüpft an sich schon an die Frage an, die Herr Lamp mir gestellt hatte, also inwieweit wollen sich die Verbraucherverbände hier möglicherweise aus der Verantwortung ziehen, indem sie darauf hinweisen, die Behörden und die Unternehmen seien künftig verantwortlich für die Verbraucherinformation. Ganz das Gegenteil ist natürlich der Fall. Die Verbraucherverbände sehen für sich eine besondere Stellung in diesem Gesamtzusammenhang der Verbraucherinformation. Es gehört zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben, die Verbraucherinteressen durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. In jedem Bundesland ist auch bekanntlich eine Verbraucherzentrale, ggf. mit diversen Beratungsstellen in den einzelnen Orten vertreten, in denen sehr viel Sachverstand, gerade auch in Fragen der Ernährung vorhanden ist. Viele Verbraucherberatungskräfte sind von Haus aus Ökotrophologen und hier besteht ein Verbraucherberatungsschwerpunkt seit Beginn dieser Bewegung. Wir wollen hier auch ein besonderes Zugangsrecht zu den Informationen, die bei den Behörden vorhanden sind haben und ggf. auch bei den Unternehmen, um die Verbraucher dann noch besser beraten zu können. Die hier bereits angesprochene Aufbereitung von Daten ist eine Aufgabe, die die Verbraucherzentralen im Rahmen ihrer Aufgabenstellung auch sehr gut übernehmen können. Deswegen sehen wir uns hier durchaus als Ergänzung und wollen uns keineswegs ausgrenzen.
Zur Frage des Vorsitzenden zu den Anforderungen an eine zulässige Werbung bin ich möglicherweise missverstanden worden. Selbstverständlich ist gegen eine verschönernde Werbung an sich nichts zu sagen. Wir sind hier im Bereich des Wettbewerbsrechts und ich habe darauf hingewiesen, dass die Werbung mit ihren Aussagen bis zu den Grenzen der Irreführung nach § 3 OWiG zulässig ist oder der Sittenwidrigkeit nach § 1 OWiG. Nur haben wir hier andere Maßstäbe, z. B. ist das Weglassen von Informationen erst dann eine Irreführung im Sinne von § 3 OWiG, wenn dadurch eine falsche Vorstellung bei dem Empfänger geweckt wird. Werbung darf sicher von ihrer Natur her das Schöne herausstellen, nur muss sie trotzdem wahrheitsgemäß sein. Gerade dem Recht des Unternehmers, das er für sich in Anspruch nimmt, wenn er das Positive herausstellt, muss eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information gegenüberstehen. Gerade deshalb ist er auch in der Pflicht, bei Nachfragen über Einzelheiten aufzuklären. Zu der mehrfach angesprochen Studie ist es sicherlich so, dass die Ergebnisse deshalb vielfach unzureichend waren, weil man bei den Firmen offensichtlich nicht darauf eingestellt war, diese Verbraucheranfragen zu beantworten. Aber auch das ist sicherlich schon aufschlussreich, dass Unternehmen erkennen sollten, dass sie hier mehr tun müssen, den Informationsanspruch der Kunden ernst nehmen und diesen nicht nur der Kulanz halber erfüllen. Hier würde ein Anspruch im Gesetz einem solchen Auskunftsersuchen einen ganz anderen Stellenwert verschaffen.

Peter Knitsch: Die erste Frage hatte Herr Lamp gestellt, inwieweit durch dieses Gesetz Skandalisierungen in bestimmten Bereichen Vorschub geleistet wird und inwieweit dieses Gesetz dazu beitragen wird, Hysterien, die es gerade im Zusammenhang mit Vorkommnissen im Lebensmittelbereich in den letzten Jahren gegeben hat, vorzubeugen. Ich hoffe und glaube, dass Letzteres in der Tat der Fall ist. Eine offenere und transparentere Informationspolitik der Unternehmen und klar geregelte Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern und insbesondere auch weitgehendere Informationsrechte auf klarer Rechtsgrundlage werden dazu beitragen, solche Skandalisierungen in der Zukunft weiter zurückzudrängen. Ich will dies an einem Beispiel deutlich machen.
Schon heute ist es so, dass die Lebensmitteluntersuchungsämter, sowohl die staatlichen als auch die kummunalen, in Nordrhein-Westfalen regelmäßig Jahresberichte herausgeben. Im Rahmen dieser Jahresberichte mit vielen Daten und Zahlen informieren sie über ihre Erkenntnisse im abgelaufenen Jahr. Derjenige, der das auswertet, zum Teil macht das die Presse heute schon, stellt eben fest, dass im Laufe eines Jahres viele Verstöße gegen Verbraucher schützende Normen von diesen Untersuchungsämtern festgestellt worden sind. Zum Teil solche mit Gesundheitsbezug, zum Teil mit Täuschungsbezug. Und schon heute rufen die Medien bei den Untersuchungsämtern oder bei uns an, um nähere Einzelheiten und Informationen zu diesen Vorgängen zu erfragen. Diese näheren Informationen müssen wir ihnen heute in vielen Fällen verweigern, weil es dafür keine entsprechende Rechtsgrundlage gibt.
Wenn etwa über erhöhte Schwermetallkonzentration in Spielzeugen berichtet wurde und Angaben zu den betroffenen Herstellern oder Produkten gestellt werden, dann müssen wir die Auskunft heute hierzu verweigern. Das erzeugt bei den Medien natürlich eher Misstrauen und führt dazu, dass diese Themen im Regelfall erst recht aufgegriffen werden und das zum Teil dann auch in einer Form, die nicht mehr sachgerecht ist. Insofern glaube ich, dass erweiterte Informationsrechte der öffentlichen Hand und erweiterte Auskunfts- und Fragerechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern, entsprechenden Organisationen und den Medien eher dazu beitragen werden, solche Skandalisierungen, da wo sie nicht gerechtfertigt sind, in der Zukunft zu vermeiden.
Die zweite Frage zielte auf die Frage des Schadensersatzes bei mangelnder Sorgfaltspflicht der Recherche und der Befürchtung, dass es durch ein Gesetz eher zu Wettbewerbsverzerrungen und Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft kommen wird. In Bezug auf Schadensersatz verstehe ich die Diskussion hier nicht so recht. Selbstverständlich gilt auch in diesem Bereich die allgemeine Amtshaftung und weitergehende Ausschlussrechte würde ich nicht für richtig halten und sie sind auch im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht vorgesehen. Dieser Bereich wird dort überhaupt nicht geregelt, genauso wenig wie übrigens im Umwelt- und Informationsgesetz, das seit Anfang der 90er Jahre gilt. Ebenso wenig wird dies in den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder geregelt. Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen gibt es dort keine entsprechende Regelung. Das war auch verzichtbar, weil eben die allgemeine Amtshaftung in diesem Bereich auch gilt.
Wenn also Behörden vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch informieren ist es so, dass sie selbstverständlich unter den Voraussetzungen der Amtshaftung haften. Im Übrigen sind Behörden selbstverständlich auch heute schon bemüht, sorgfältig zu recherchieren und dies gelingt ihnen in aller Regel auch.
Den Generalverdacht, Behörden recherchierten schlampig und es kämen Informationen an die Öffentlichkeit, die sich im Nachhinein als nicht wahr herausstellen, möchte ich zurückweisen, wenngleich dies in Einzelfällen vorkommen kann, weil natürlich auch Behörden sich irren können. In der Regel wird aber sorgfältig und gut recherchiert und insbesondere die Untersuchungseinrichtungen der öffentlichen Hand weisen einen hohen qualitativen Standard auf. Das haben gerade die Untersuchungen über BSE ausdrücklich belegt. Jedenfalls gilt dies für Nordrhein-Westfalen.
Wettbewerbsverzerrungen kann ich im Übrigen nicht erkennen, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass dem Zusammenbruch ganzer Branchen eher damit begegnet werden kann, dass man Verfehlungen einzelner Unternehmen klar benennt. Auch im internationalen Vergleich kann ich nicht erkennen, dass es zu großen Problemen kommen wird. Die internationalen Produzenten, die über Niederlassungen in Deutschland verfügen oder ihre Produkte über Händler in Deutschland vertreiben, sind auch auskunftspflichtig, weil das Verbraucherinformationsgesetz für sie genauso gilt. Zudem hat z. B. in den Vereinigten Staaten ein sehr viel weitergehendes Informationsfreiheitsgesetz, als es die Bundesregierung jetzt für den Verbraucherschutzbereich hier anstrebt, seit Anfang der 60er Jahre Geltung und die Vereinigten Staaten sind im Lebensmittelbereich der weltweit größte Exporteur. Dort ist durch den entsprechenden freedom of information act die Wirtschaft keineswegs zusammengebrochen und auch die Exportwirtschaft wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Die dritte Frage von Frau Teuchner zielte auf die Kostenfrage des Informationsfreiheitsgesetzes. Es ist so, dass sich das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen an die Regelung anlehnt, die demnächst auch auf europäischer Ebene Geltung haben wird für die Umweltinformationsrichtlinie. Diese ist im Wesentlichen so ausgestaltet, dass Gebühren erhoben werden können. Deswegen sollte das Verbraucherinformationsgesetz meines Erachtens auch so ausgestaltet werden, dass es in das Ermessen der Länder gestellt wird, ob sie Gebühren erheben oder nicht. Dass die Gebühren selbstverständlich nur in einer Höhe erhoben werden dürfen, dass sie keinen erdrosselnden Charakter haben, versteht sich von selbst. Insbesondere die Einsichtnahme von Informationen vor Ort sollte gebührenfrei gestaltet werden, ebenso wie Informationen, die vom Internet abgerufen werden.
Die vierte Frage vom Vorsitzenden zielte auf die Haftungsregelungen in den Vereinigten Staaten. Nach den Ausführungen, die ich dort insbesondere von den Vertretern der FDA (Food and Drug Administration) gehört habe, ist es so, dass man die Situation in den USA wie folgt einschätzt: Durch das sehr rigide Produkthaftungsrecht sind die Unternehmen dort in den letzten 20/30 Jahren zu einer viel transparenteren Kultur der Informationswiedergabe gekommen, d. h., Unternehmen geben von sich aus sehr viele Informationen nach draußen, weil sie davon ausgehen, dass sie bei etwaigen Haftungsprozessen dadurch Vorteile haben. Sie können darauf verweisen, dass sie die Informationen, die möglicherweise irgendwann einmal Gegenstand eines Haftungsprozesses werden, auch in der Vergangenheit schon gegeben haben. Das hat nach Einschätzung der FDA dazu geführt, dass Unternehmen viel stärker als hier Informationen weitergeben und zum Zweiten dazu geführt, dass die anfänglich vorhandene Kritik der Unternehmen an dem freedom of information act dort weitgehend verstummt ist.
Ich möchte auf den Punkt, den Herr Grugel vorhin genannt hat, nämlich die Frage des Ausschlusses von Informationen während eines Verwaltungsverfahrens, noch kurz eingehen. Ich möchte entschieden davor warnen, eine solche Regelung in das Verbraucherinformationsgesetz hineinzunehmen. Denn das würde bedeuten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gerade in einer Situation, in der sie Informationen der öffentlichen Hand erwarten, und das sind die aktuellen Fälle, in denen die Verwaltungsverfahren noch laufen um evtl. Missstände abzustellen, Informationen von Seiten der öffentlichen Hand nicht gegeben werden müssten. Ich glaube, dass es keiner verstehen wird, wenn z. B. Behörden unmittelbar nach Entstehen der BSE-Krise hätten sagen müssen, es bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Information, aber im Moment müssen wir dies nicht sagen, weil ein entsprechendes Verwaltungsverfahren gegen die betroffenen Firmen läuft.
Der hier gegebene Hinweis, die Unternehmen würden freiwillig selbst informieren, trifft zwar zu, aber sie informieren in der Regel nur dann, wenn die Informationen für das Unternehmen positiv sind. Ich habe jedenfalls in meiner beruflichen Praxis noch kein anderes Beispiel erlebt. Unternehmen werben in der Tat mit guten Ergebnissen der Stiftung Warentest, ich habe aber noch nicht gesehen, dass ein Unternehmen sein Produkt mit dem Hinweis bewirbt, das Ergebnis der Stiftung Warentest sei leider mangelhaft gewesen. Dies ist aber genau der Bereich, über den wir hier sprechen.

Brigitte Jäger: Die erste Frage, bei der es um die Sorgfalt der Behördenvertreter geht, kann ich dahingehend beantworten, dass sich alle bemühen, so sorgfältig wie möglich zu arbeiten und es ist an sich selbstverständlich, dass ein amtliches Gutachten vorliegt, bevor man mit Informationen an die Öffentlichkeit geht. Jedenfalls posaunt man nicht leichtfertig in die Öffentlichkeit, was man anschließend nicht beweisen kann. Der Schutz der Wirtschaft vor Missbrauch ist im Gesetzentwurf mit verankert, und hier geht es darum, dass der Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere Urheberrechte, dem Informationsanspruch entgegenstehen und außerdem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse und wettbewerbsrelevante Informationen, die ihrem Wesen nach Betriebsgeheimnissen gleichkommen, vor Offenbarung geschützt werden sollen und dahinter der Informationsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückstehen muss. Zur Frage der Wettbewerbsverzerrung kann ich nur wiederholen, was schon gesagt worden ist. Man sollte dies positiver sehen, denn man kann sich von schwarzen Schafen einer Branche auch eher absetzen. Dies ist momentan überhaupt nicht möglich. Nehmen Sie das Beispiel Glyzerin in Wein, das in sehr hochrangigen renommierten Unternehmen nachgewiesen wurde. Glyzerinzusatz bringt einen ausdrucksstarken Geschmack bei Wein, der vielleicht von Natur aus nicht vorhanden ist.
Wenn man hier darauf hinweisen kann, dass bestimmte Betriebe hiervon nicht betroffen sind, hat das für diese Betriebe Zweifels ohne Schutzwirkung.
Die angesprochene bundeseinheitliche Erfassung der Daten und die in dem Zusammenhang behauptete unterschiedliche Kontrolldichte der Länder möchte ich verneinen. Wir haben in ganz Deutschland eine Untersuchungsdichte von 5,7 Proben auf 1.000 Einwohner pro Jahr. Das sind für Berlin etwa 20.000 Proben. Davon fünf Lebensmittelproben und 0,7 für Bedarfsmittelgegenstände. Was konkret an diesen Proben untersucht wird, mag unterschiedlich sein, aber genau dies ist die Vielfalt der Länder, die sich ergänzt. Wir haben in Deutschland das föderative System und die Lebensmittelüberwachung ist Ländersache. Wir haben aber natürlich auch schon Ansätze dies zu vereinheitlichen, wir haben teilweise Programme die bis zur EU weitergegeben werden müssen und es gibt den Gesetzentwurf zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit, in dem ein Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geschaffen wird.
Zu den Aufgaben dieses Amtes gehören die Vorbereitung allgemeiner Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen. Ich denke, dass hier auch die Anforderungen an die Durchführung dieses Gesetzes festgelegt werden können, so dass dies bundeseinheitlich erfolgt. Dies ist auch das Bestreben der Länder.

Abg. Ulrich Heinrich: Es sind eine ganze Reihe kritischer Fragen gestellt worden und die Antworten waren dann auch entsprechend. Ich habe große Sorgen, dass wir mit diesem Gesetz einen Schnellschuss bekommen, der uns nachher keine große Freude bereitet. Das Resümee für mich aus dieser Anhörung ist, dass der von der Bundesregierung vorgesehene Zeitplan, mit einer abschließenden Beratung im Ausschuss und der anschließenden Zweiten und Dritten Lesung im Plenum noch im Mai bei dem jetzigen Stand der Gesetzgebung und der Diskussion hierzu, dies nicht hergibt. Es wäre nach meinem Dafürhalten absolut unverantwortlich, wenn ich hier von den Sachverständigen höre, dass nachdrückliche Verfassungsbedenken bestehen und mir die Worte von Herrn Prof. Dr. Falke vor Augen führe, halte ich das in diesem Verfahren nicht für akzeptabel. Ich möchte sehr darum bitten, dass wir hier mehr Luft hereinbekommen, um die Dinge seriöser behandeln zu können.

Der Vorsitzende: Das war eine Stellungnahme, die in die Ausschuss-Sitzung gehört. Ich würde aber gern zwei Dinge hier ansprechen, einmal die Frage der Sorgfalt und der Haftung, zu der Sie, Herr Knitsch, eine andere Auffassung haben. Sie haben gesagt, da wird etwas hochgespielt in den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände und auch des Bundes für Lebensmittelrechts und des Markenverbandes. Vielleicht können Sie das nochmal etwas erläutern.
Der zweite Punkt ist etwas, das aus dem Statement von Frau Jäger kam. § 7 regelt in einem Bundesgesetz deswegen Gebühren und Auslagen, damit eben Kostendeckung sichergestellt ist. Das ist wohl auch die Begründung dafür. Nun haben Sie, Frau Jäger, gesagt, Kostendeckung wird es wohl nicht geben. Das heißt, die Länder werden dort auf Kosten sitzen bleiben. Nach § 7 Absatz 2 des Gesetzentwurfs heißt es auch, dass die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebühren zu bestimmen sind. Ich würde Sie deshalb bitten, darauf nochmal einzugehen.

Burghard von Hausen: Es geht hier um die Ausschlussgründe des § 4 Absatz 3 des Gesetzentwurfs. Das Tätigwerden von Kontrollbehörden, insbesondere im Lebensmittelbereich wird häufig durch einen Anfangsverdacht ausgelöst, der noch keine abschließende Beurteilung erlaubt. Bei Bekanntgabe zieht das aber bereits negative Folgen für die Betroffenen nach sich. Wir würden deshalb gerne vorschlagen, in diesen Paragraphen eine Vorschrift aufzunehmen, die sich auf das behördliche Ermittlungsverfahren schon auswirkt. Denn erst wenn sichere Ergebnisse vorliegen, kann auch mit gutem Gewissen veröffentlicht werden. Wenn Sie im Zusammenhang mit der Haftung dazu noch bedenken, dass es zumindest in den fünf neuen Bundesländern ein Staatshaftungsgesetz ohne jedes Verschulden gibt, führt dies auch bei unverschuldetem Handeln ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu Haftungsansprüchen. Das betrifft die Länder und Kommunen, denen es anerkanntermaßen finanziell besonders schlecht geht. Da sind meines Erachtens weitere Überlegungen notwendig, wie man so etwas wasserdicht abschirmt. Dazu müsste man den Gedanken, den Herr Prof. Falke vorhin auch genannt hat, aufgreifen, dass man nämlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in irgendeiner Weise besser Rechnung trägt und Ausschlussgründe aufnimmt für Bagatellfälle. Wir sind heute einfach in der Situation, dass solche Informationen wirklich gravierende Auswirkungen für die betroffenen Unternehmen haben können.
Der Vorschlag der Verbraucherverbände, unsere Informationen aufzunehmen und dann aufzubereiten, halten wir auch für durchaus bedenkenswert. Das würde uns sehr stark entlasten und wir hätten die Gewähr, dass dort sachverständige Personen diese Informationen so aufbereiten, dass der Verbraucher wirklich etwas damit anfangen kann. Es ist jedenfalls unbedingt notwendig, dass die Mehrkosten die durch dieses Gesetz verursacht werden, den Kommunen wirklich erstattet werden. Dazu ist eine Regelung notwendig, die die Länder in die Pflicht nimmt.

Peter Knitsch: Es ist in der Tat die Frage, ob man diesen Bereich mit allen anderen Bereichen der öffentlichen Haftung gleichstellen möchte oder nicht. Nach meiner Auffassung sollte man das tun, denn es gibt meines Erachtens keinen Grund, diesen Bereich anders zu behandeln, wie sonstiges rechtswidriges Verhalten der öffentlichen Hand. Wenn in den fünf neuen Bundesländern der Verfassungsgeber die Entscheidung getroffen hat, dass dort sogar noch stärker als in den alten Bundesländern, nämlich auch ohne Verschulden gehaftet werden soll, dann wird er sich dabei etwas gedacht haben. Überzeugende Gesichtspunkte, warum man diesen Bereich anders behandeln soll als andere Bereiche der Haftung, fallen mir dazu nicht ein. Ich hatte vorhin das Umweltinformationsgesetz, das genauso haftungsrelevant sein kann, genannt. Etwas anderes wäre nicht zu vermitteln. Die Wirtschaft würde sich zu Recht dagegen wehren, wenn man in dieses Gesetz einen weitergehenden Haftungsausschluss hineinschreiben würde.

Dietrich Klein, DBV: Das kann meines Erachtens nicht so stehen bleiben. Es geht nicht darum, dass für rechtswidriges Verhalten von Behörden gehaftet werden soll, sondern in den Anträgen vom Bundesrat geht es gerade darum, ein rechtswidriges Verhalten im Ansatz auszuschließen. Wenn nämlich die Behörde nicht verpflichtet ist, die inhaltliche Richtigkeit der Daten zu überprüfen und wenn sie es auch tatsächlich nicht tut und trotzdem veröffentlicht, dann hat sie nicht rechtswidrig gehandelt, weil sie gegen die Pflicht zur Überprüfung nicht verstoßen hat, weil diese eben nicht besteht. Nach diesen Vorschlägen soll jeglicher Ansatzpunkt für eine Haftung ausgeschlossen werden und es ist tatsächlich etwas völlig anderes als im Umweltínformationsgesetz. Hier sollte kein Wirrwarr gestiftet werden.

Der Vorsitzende: Wir haben im Ausschuss noch die Gelegenheit, hierüber ausführlich zu sprechen, und ich bitte die Bundesregierung, dass speziell zu diesem Punkt nochmals eine abschließende Information im Ausschuss gegeben wird. Sie haben uns vieles an Information gegeben, fast bin ich geneigt zu sagen, viel zu viel. Das muss alles auch sortiert und verarbeitet werden. Wir müssen es in unsere Beratungen mit einbeziehen. Ich hoffe, dass wir auch ausreichend Gelegenheit haben, dieses zu tun. Meine Bedenken und Sorgen habe ich am Anfang benannt, aber mir bleibt jetzt erst mal nur, Ihnen ganz herzlich zu danken. Für mich sind Anhörungen immer etwas Belebendes und Gutes, weil ich Informationen bekomme, die mir die Entscheidungen manchmal etwas leichter machen, manchmal, das gebe ich auch gerne zu, auch schwieriger gemacht werden. Wir machen in diesem Ausschuss sehr viel Anhörungen, weil wir in vielen Fällen auch überfordert sind, die Informationen nur über Mitarbeiter oder andere Quellen zu bekommen. Aus dem Gespräch und dem Dialog, wie wir ihn gerade geführt haben, kann man sehr viel mehr bekommen.
Also nochmals vielen Dank und guten Heimweg.

Der Vorsitzende schließt die Sitzung um 14.10 Uhr

Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv14/a10/a10_sitz_93
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