Innenausschuss
Bilanz der Tätigkeit des Ausschusses in der 15.
Wahlperiode
Dem Ausschuss gehörten in der 15. Wahlperiode 38 Mitglieder an (16 von der SPD-Fraktion, 15 von der CDU/CSU-Fraktion, je 3 von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie ein fraktionsloses beratendes Mitglied). Den Vorsitz führte Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, ihr Stellvertreter war Abg. Hartmut Büttner (Schönebeck). Die Vorsitzende hat über die Arbeit des Innenausschusses der 15. Wahlperiode nachfolgende Bilanz gezogen:
"32 Monate lang habe ich mit großer Freude diesen Ausschuss geleitet. Jetzt endet mein Vorsitz - früher als allgemein erwartet steuern wir auf die 16. Wahlperiode zu. Aber unsere Bilanz kann sich sehen lassen.
Wie ein roter Faden durchzogen Fragen der Inneren Sicherheit die gesamte Legislaturperiode. Die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Terrorismus war Kernthema des Ausschusses, auch in einer Reihe von Debatten mit dem Bundesinnenminister und den Präsidenten des BKA, des BfV und des BND. Wir standen kurz vor der Evaluierung der "Anti-Terror-Pakete I und II", wir haben uns immer wieder mit der Thematik "Biometrie und Ausweisdokumente" und - Monate bevor sie Gegenstand des Untersuchungsausschusses wurde - der Visapolitik beschäftigt. Die Terrorismusbekämpfung beherrschte auch den Informationsaustausch mit ausländischen Parlamentariergruppen. Nachhaltiges Interesse fand auch die Korruptionsbekämpfung. Mitglieder des russischen Sicherheitsausschusses warben bei ihrem Delegationsbesuch in Berlin für eine erleichterte Visa-Vergabe - im bemerkenswerten Kontrast zur öffentlichen Diskussion!
Im Zuge der Öffentlichen Anhörung über "Islamistische Einflüsse auf die Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf Integration und Sicherheit" haben wir uns immer wieder mit der Problematik befasst; kontrovers, wie man sich denken kann. Konsens bestand aber darin, dass wir uns um die gesellschaftliche Teilhabe von Zuwanderern verschiedener Religionen und Kulturen bemühen müssen, dass aber ein Islamismus, der sich aktiv gegen den Rechtsstaat und die Grundprinzipien unserer Demokratie stellt, nicht geduldet werden kann.
Die langwierige und hürdenreiche Entstehung des Zuwanderungsgesetzes und - damit verbunden - Beratungen zur europäischen Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik waren ein weiterer Schwerpunkt und verursachten die wohl hitzigsten Debatten im Ausschuss. Das gleiche gilt für Vorlagen der europäischen Gremien, die einen immer breiteren Raum einnehmen. Vehement fordern Parlamentarier, frühzeitiger über EU-Dokumente unterrichtet zu werden.
Zu insgesamt 11 (!) Experten-Hearings hat der Innenausschuss Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis, Verbänden, Gewerkschaften und anderen Institutionen geladen (zum Beispiel zum Öffentlichen Dienstrecht, den EU-Richtlinien zur Asyl- und Migrationspolitik, zum Luftsicherheitsgesetz, zum Islamismus, zum Informationsfreiheitsgesetz und zum Versammlungsrecht). Allesamt spannende Diskurse auf hohem Niveau, denen ich eine breitere Resonanz in den Medien gewünscht hätte.
"Highlights" in der Berichterstattung über den Innenausschuss waren:
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das Zuwanderungsgesetz mit seinen umfänglichen Veränderungen der bisherigen Migrations- und Asylpolitik und der Verankerung der Integrationsförderung als staatliche Aufgabe,
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das Luftsicherheitsgesetz mit seinen hochsensiblen Regelungen zum Schutz des Flugverkehrs vor Entführungen, Sabotage-Akten und anderen gefährlichen Eingriffen,
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das Informationsfreiheitsgesetz, das den Bürgern den Zugang zu amtlichen Informationen eröffnet und damit demokratische Beteiligungsrechte stärkt.
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die Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches mit dem Ziel, neonazistische Kundgebungen an historisch herausragenden Gedenkstätten für die Opfer der NS-Diktatur leichter verbieten zu können und die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft unter Strafe zu stellen,
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die Problematik der Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Unterlagen,
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die Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus, u. a. im Zusammenhang mit den Beratungen über die Verfassungsschutz-Berichte und die Diskussionen mit Vertretern der jüdischen Glaubensgemeinschaft,
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die Neuregelungen für die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion; in diese Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern haben wir uns als Ausschuss eingeschaltet.
Es versteht sich von selbst, dass der Innenausschuss im Bewusstsein unserer besonderen historischen Verantwortung für das jüdische Leben den Vertrag vom 27. Januar 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden begrüßt und seine Ausgestaltung aktiv begleitet hat. Unter unserer Federführung entstand auch der interfraktionelle Antrag "Antisemitismus bekämpfen".
Nicht unerwähnt bleiben sollen andere Beratungen und Initiativen: Der Aufbau des neuen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, diverse Delegationsreisen, z. B. in den Kosovo, in die USA, nach Australien, zu Interpol in Lyon u. a., der Datenschutz (hier sei besonders an die Empfehlung erinnert, das Datenschutzrecht kontinuierlich zu vereinfachen, spezialgesetzliche Sonderregeln zurückzuführen - sowie an die Forderung, beim Gesetz zur Erhöhung der Steuerehrlichkeit die Betroffenen über durchgeführte Kontoabfragen zu informieren).
Ich erwähne außerdem Änderungen im Melderechtsrahmen-, Verwaltungszustellungs-, Lastenausgleichs-, Reisekosten-, Besoldungs- und Versorgungsrecht, beim Bundeswahl-, Europawahl- und Europaabgeordneten- und Sprengstoffgesetz. Der Bundesgrenzschutz heißt jetzt - treffender - Bundespolizei; die Befugnis zur Durchführung so genannter lagebildabhängiger Kontrollen auf Einrichtungen der Eisenbahn und der Verkehrsflughäfen ist bis zum 30 Juni 2007 verlängert worden - ein wirksames Mittel bei der Bekämpfung unerlaubter Einreisen, Schleuserkriminalität und Menschenhandel.
Last not least: das Ringen um die Einführung des Digitalfunks begleitete uns als thematischer "Evergreen" über viele Monate; ganz kurz vor Schluss der Legislaturperiode luden wir noch zu einem Expertenhearing über die geplante Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk, die wir mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen empfahlen.
Im Vorgriff auf die Fußball-WM 2006 konnten wir uns davon überzeugen, dass die Erarbeitung eines Sicherheitskonzepts unter Federführung des Bundesinnenministeriums rasche Fortschritte macht.
Nicht alle Themen im breit gefächerten "Repertoire" eines solchen klassischen Gremiums sind spektakulär. Der Innenausschuss leistet sozusagen Kärrnerarbeit für die Innere Sicherheit, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Emanzipation der Bürger, die Grundlagen unserer Verfassung, das friedliche Leben von Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen.
Als Abgeordnete, die nach über 17 Jahren nicht erneut kandidiert, verabschiede ich mich aus diesem wichtigen, streitbaren, zuweilen sympathisch ruppigen Parlamen-tarier-Gremium mit einer Portion Wehmut, aber noch größerer Dankbarkeit - nicht nur an die Adresse der Kollegen, sondern auch an diejenigen Mitarbeiter des Sekretariats, die unsere Tätigkeit so engagiert, sachkundig und diszipliniert begleitet und unterstützt haben. Last not least danke ich den Medienvertretern für ihr Interesse.
Möge der Innenausschuss seinem Ruf als engagierte, fachlich versierte und streitbare Truppe auch in der kommenden Legislaturperiode gerecht werden!"