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VI. Das geteilte Deutschland

Die Deutsche Demokratische Republik

4. Die Rolle der Volkskammer

Obwohl das alle vier Jahre von den DDR-Bürgern gewählte Parlament laut Verfassung das "oberste staatliche Machtorgan der Deutschen Demokratischen Republik" verkörpern soll, ist es seit seinem ersten Zusammentritt fest in das hierarchische Entscheidungssystem der Staatspartei eingebunden. Durch den faktisch seit der Gründung der DDR bestehenden, seit 1968 aber auch in der Verfassung verankerten Führungsanspruch der SED legitimiert, entscheidet de facto das oberste Parteigremium der SED, das Politbüro, über die eigentlich der Volkskammer obliegenden Grundfragen der Staatspolitik. Die in den wenigen Volkskammersitzungen fast ausschließlich einstimmig beschlossenen Gesetze basieren letztlich auf zuvor von zentralen SED-Gremien ausgearbeiteten Direktiven, denen die Spitzen der im Parlament vertretenen Organisationen bereits im Vorfeld zugestimmt haben.

VI. Das geteilte Deutschland - Die DDR, Grafik zu Teil 4
Erste Sitzung der Volkskammer im neu erbauten Palast der Republik am 24. Juni 1976

Nach dem "realsozialistischen" Parlamentsverständnis ist weder eine Beratung noch eine Ablehnung der Gesetze im Plenum vorgesehen, da es angeblich den einheitlichen Volkswillen aller Werktätigen repräsentiert. Trotzdem sollen die in der Volkskammer repräsentierten Parteien und Massenorganisationen einen Pluralismus politischer Interessen vortäuschen, der jedoch durch ihre finanzielle, organisatorische und personelle Verflechtung mit der SED konterkariert wird. Schließlich verhelfen die mit Mitgliedern und Sympathisanten der Staatspartei durchsetzten Massenorganisationen und Filialparteien der SED zur sicheren absoluten Mehrheit im Parlament. So kann bei einer über Jahre hinweg nahezu konstanten Wahlbeteiligung von 98 Prozent die offiziell seit 1963 mit 127 von 500 Abgeordneten vertretene SED ihre Politik scheinbar demokratisch legitimieren. Unter diesen Voraussetzungen verzichten die Parlamentarier auf ihr theoretisches Initiativ- und Kontrollrecht, da sie berufliche wie private Nachteile befürchten oder die Zwecklosigkeit ihrer Einwände und die Bedeutungslosigkeit der Volkskammer erkennen.

Quelle: http://www.bundestag.de/ausstellung/wege/katalog/6_4
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