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Debatte
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Wortlaut der Reden

Lothar de Maizière, CDU/CSU Gert Wartenberg (Berlin), SPD >>

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht ein Jahr her, da hat die letzte frei gewählte Volkskammer der DDR in der Nacht vom 22. zum 23. August 1990, um 2.57 Uhr den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 beschlossen. Wer diese dramatische Sitzung erlebte oder verfolgte, wird sich daran erinnern, wie heftig die Auseinandersetzung über das Wann und über das Wie war. Einig war sich jedoch die Mehrheit des Hauses über das Ziel, nämlich die Einheit in Freiheit und Frieden zu erreichen.

Wir haben unser Herz über die Hürde geworfen und die Entscheidung vor Abschluß des Einigungsvertrages getroffen, weil wir auf die Fairneß und Grundsatztreue unserer Vertragspartner vertrauen durften. Damals wurden wir nicht enttäuscht. Es war eine historische Sitzung.

Auch heute haben wir eine historische Sitzung, die jedoch das gemeinsame Ziel und den Willen zum Kompromiß kaum erkennen läßt. Die in den letzten Wochen geführten Diskussionen, die Presseerklärungen und Medienverlautbarungen, die Postwurfsendungen und die nicht seltenen

wechselseitigen Bezichtigungen bergen die Gefahr in sich, daß wir das am 3. Oktober Erreichte klein und häßlich reden und uns erneut, aber dieses Mal selbstbestimmt, in eine Teilung hineinmanövrieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In der Bevölkerung verstärkt sich der Eindruck, daß sich die Politiker nicht von Grundüberzeugungen, sondern von Gruppen oder regionalen Egoismen leiten ließen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Die von uns im Prozeß der inneren Einheit Deutschlands zu bewerkstelligenden Aufgaben sind so gewaltig, daß wir genau diesen Eindruck bei den Bürgern vermeiden müssen und daß wir uns nicht durch Streit dauerhaft lähmen lassen dürfen.

Ich gehöre zum Lager der Berlin-Befürworter; dennoch spreche ich mich für einen Konsens aus oder für einen Kompromiß oder, wie der Jurist sagt, für den im Wege gegenseitigen Nachgebens gefundenen Vergleich. Um die Möglichkeit des Vergleichs nicht zu verspielen, will ich nicht alle sattsam bekannten Argumente für Berlin wiederholen. Lassen Sie mich aber als einen seit 1949 in Ost-Berlin Lebenden nur eine Reminiszenz vortragen! In den Zeiten, als man auf sowjetischer Seite davon ausging, daß West-Berlin nicht zur westlichen Welt, nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehöre und nicht die legitime Hauptstadt Deutschlands sei, ließen es sich der Deutsche Bundestag, dem anzugehören ich jetzt die Ehre habe, und die Bundesversammlung nicht nehmen, in Berlin zu tagen. Die in einhundert Meter Höhe die Schallmauer durchbrechenden Mig 21 konnten mit ihrem ohrenbetäubenden und beängstigenden Knall nicht die Reden der Bundestagsmitglieder übertönen, die überzeugend darlegten, daß es das legitime Recht des Bundestags wäre, in Berlin zu tagen und dermaleinst, wenn es die politischen Verhältnisse erlaubten, dort seinen Sitz zu nehmen.

Meine Damen und Herren, Sie und wir alle, meine ich, stehen im Wort. Wir stehen im Wort derer, die diesen Worten vertrauten, und wir stehen

im Wort derer in der ganzen Welt, die den Deutschen Bundestag in seiner Haltung bestärkten und unterstützten.

Will man den Konsens, ist es klug, sich über den Umfang des Streitstoffes zu verständigen und abzuklären, was bereits erledigt ist. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und die Volkskammer haben jeweils mit verfassungsändernder Mehrheit den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 verabschiedet. Dies war der Vertrag, der uns damaligen DDR-Bürgern den Beitritt gemäß Art. 23 des Grundgesetzes ermöglichen sollte.

Art. 2 sagt eindeutig -- wie eben bereits zitiert --: Hauptstadt Deutschlands ist Berlin. Bei Vertragsschluß hatte aber keiner von uns einen sinnentleerten, ja fast schizophrenen Hauptstadtbegriff im Sinn, sondern wir meinten Berlin als Hauptstadt Deutschlands mit Hauptstadtfunktionen, d. h. auch den Funktionen, die Bonn-Befürworter jetzt als Bestandteil ihres allzu mageren Kompromisses anbieten.

Eine von uns damals angestrebte endgültige und vollinhaltliche Regelung scheiterte am Widerstand sehr mächtiger Bundesländer, insbesondere am Widerstand von Nordrhein-Westfalen. Wir wollten damals den Einigungsvertrag nicht im Ganzen gefährden und ließen uns auf diesen Kompromiß, den der Vertrag darstellt, ein. Heute haben wir diese Lücke zu schließen.

Meine Damen und Herren Bonn-Befürworter, der Sitz des Bundespräsidenten, der Ort der Bundesversammlung usw. stehen heute zur Entscheidungsfindung nicht mehr an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dies in Frage zu stellen heißt, die Vertragstreue in Frage zu stellen. Diese Probleme sind mit dem Vertrag entschieden.

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege de Maizière, kommen Sie bitte zum Ende!

Lothar de Maizière (CDU/CSU): Ja, ich gebe mir Mühe.

(Heiterkeit)

Wir haben in den letzten Tagen viel über Kompromisse nachgedacht. Wir haben überlegt, wie horizontal, wie vertikal geteilt werden könnte. Wir haben auch überlegt, wie die Nachteile für die unterlegene Region ausgeglichen werden könnten.

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege de Maizière, kommen Sie bitte jetzt zum Ende!

Lothar de Maizière (CDU/CSU): Jawohl. -- Der Berliner Antrag und der Kompromißantrag enthalten solche Elemente. Im Jahr 1990 haben wir ja zur Deutschen Einigung gesagt und diese durch Mut und Entschlußkraft gewonnen. Meine Damen und Herren, seien sie konsequent in diesem Prozeß: Wer A sagt, muß auch Berlin sagen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat der Kollege Gerd Wartenberg -- für fünf Minuten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_030
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